Besetzung und Programm:
Wolfgang Amadé Mozart (1756 – 1791)
Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 G-Dur KV 216
Gustav Mahler (1860 – 1911)
Sinfonie Nr. 1 D-Dur
Junge Philharmonie Zentralschweiz
Luzerner Sinfonieorchester LSO
Isabelle van Keulen, Violine
Dmitry Liss, Leitung
Rezension:
Wenn die Jungen zusammen mit den Etablierten konzertieren, staunt man, wie technisch reif und ausdrucksstark der Nachswuchs aus den Reihen der HSLU Sektion Musik schon ist.
Eine besonders interessante Konstellation dieses Jahr, dass die Solistin an der Violine, Isabelle van Keulen (*1966), Dozentin an der HSLU ist, also zusammen mit einigen ihrer Schützlingen auf der Bühne stand.
Dass sich mit Dmitry Liss ein routinierter russischer Dirigent dazu gesellte, versprach schon einiges im Voraus. Dmitri Liss leitet mit dem Ural Philharmonic Orchestra eines der führenden russischen Orchester. Der 1960 geborene Vertreter der Moskauer Dirigentenschule und Absolvent des Moskauer Konservatoriums begann seine Laufbahn als Assistent von Dmitry Kitayenko beim Moscow Philharmonic Orchestra. Über das zuerst interpretierte Violinkonzert bemerkte der Mozart Biograf Alfred Einstein (1880 – 1952): Wenn es ein Wunder in Mozarts Schaffen gibt, so ist es die Entstehung dieses Konzertes. Etwas ungewohnt für Mozart, dass kurz nach dem intensiven Streicherbeginn eine Sequenz mit den Hörnern eingefügt ist und die erstmalig grosszügige Raumlassung für die Violine als Soloinstrument, wie er das bei seinen späteren, ausgereifteren Klavierkonzerten systematisch anwendet. Auch ist der erste Satz mit 226 Takten überaus lang. als das bis anhin Gewohnte. Mozart schrieb am 23. Oktober 1777 seinem Vater aus dem Augsburger Dominikanerkloster Heilig Kreuz u.a. Auf die Nacht beim Souper spielte ich das Strassburger Concert; es ging wie Öl, alles lobte den schönen, reinen Ton.
So einen schönen, reinen Klang entlockte auch Isabelle van Keulen ihrer Violine. Die Solistin ist Mozart auch dadurch verbunden, dass sie einen Teil ihres Studiums am Salzburger Mozarteum absolvierte. Auffällig oft korrespondierte sie durch Augen und Gesten mit den jungen Musikern des gemischten Orchesters, lobte und munterte sie so auf.
Für die Mahler Sinfonie bediente sich der Dirigent des Taktstockes, vielleicht hatte er gewisse Ungenauigkeiten bemerkt und hoffte, dies mittels Akzentuieren mit dem Stock eliminieren zu können. Uns Zuhörern jedenfalls, war nichts aufgefallen, erhielten doch die Protagonisten für ihre Mozartinterpretation langanhaltenden, kräftigen Applaus, bevor man sie in die Pause entliess.
Geschickt baute Liss die Spannung auf, lotete die Dramatik in Mahlers Komposition genüsslich aus, führte seine Mitmusiker souverän, präzis durch das Werk, agierte jetzt beim Dirigat auch vermehrt mit Gesten und Körpereinsatz. Erstaunlich, dass dieses Monumalwerk in seiner Urfassung bei Publikum und Kritikern eher auf Ablehnung stiess, selbst die überarbeiteten Fassungen hatten einige Jahre später keinen leichten Stand, Diese Sinfonie (vom Komponisten ursprünglich „Titan“ betitelt), die heute als ein Meilenstein der Musikgeschichte gilt, musste sich ihren Weg dorthin wahrlich verdienen, wirkt aber auch heute noch, mit ihren Brüchen, der Doppelbödigkeit aufwühlend verwirrend. Dass sie aber zu Recht dort steht, demonstrierten die vereinten Luzerner eindrücklich. Alle Sinfonien Mahlers sind „Finalsinfonien“, stellte schon Paul Bekker, einer der einflussreichsten Musikkritiker im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts fest. Dennoch klingt der schliessende D-Dur-Jubel im Verbund mit der tragischen Geschichte, welche dieses Werk mit rein musikalischen Mitteln erzählt, nicht etwa erlösend, sondern fast schmerzlich. Deshalb auch meinte der Philosoph Theodor W. Adorno: Mahler war ein schlechter Jasager.
Das Publikum war ob dieser grandiosen Interpretation begeistert und feierte die Protagonisten mit stürmischem, langanhaltendem Applaus und sogar einigen Bravorufen.
Zusammengefasst:
Ein bezaubernd, luftig leichter Mozart zum Auftakt wurde im zweiten Teil kontrapunktiert mit einem epochal, wuchtig dramatischen Mahler.
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: sinfonieorchester.ch/home und
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