Luzerner Theater, La Traviata Oper von Giuseppe Verdi, Première 2. April 2017, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

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La Traviata, Ingo Höhn, Luzerner Theater

Produktionsteam & Besetzung

Musikalische Leitung: Clemens Heil Inszenierung: Benedikt von Peter Bühne: Katrin Wittig Kostüme: Geraldine Arnold Licht: David Hedinger Einstudierung Chor: Mark Daver Dramaturgie: Sylvia Roth Dramaturgie: Brigitte Heusinger

Mit: Nicole Chevalier (Violetta Valéry), Diego Silva (Alfredo Germont), Claudio Otelli (Giorgio Germont), Karin Torbjörnsdóttir (Flora Bervoix), Sarah Alexandra Hudarew (Annina), Robert Maszl (Gastone), Jason Cox (Baron Douphol), Bernt Ola Volungholen (Marchese d’Obigny), Vuyani Mlinde (Dottore Grenvil) Chor und Extrachor des LT, Luzerner Sinfonieorchester

Rezension:

Benedikt von Peter hat seine Inszenierung der «La Traviata», welche er für die Staatsoper Hannover entwickelt hat, nach Luzern geholt. Die amerikanische Sopranistin Nicole Chevalier, der die Inszenierung auf den Leib geschrieben ist, steht in dieser Produktion allein auf der Vorbühne des Theaters, ganz nahe am Publikum.

Dass diese «Traviata» nicht ganz alltäglich sein würde, war von Anfang an klar und die Spannung war gross. Würde die Umsetzung klappen mit lediglich Nicole Chevalier als Violetta auf der Bühne, würde sie die Spannung halten können über ganze zweieinhalb Stunden und dies ohne Pause? Und wie werden Schauplätze und Szenen umgesetzt und erzählt?

Exzellente Sängerin und Schauspielerin

Es waren magische Momente, die die Premierenbesucher am Sonntag im Luzerner Theater erlebten, hochemotional und aussergewöhnlich! Auf der Bühne stehen lediglich eine mobile Türe, ein Tisch, zwei Stühle und ein Spiegel, später noch ein Fenster. Und Nicole Chevalier als Violetta. Was sie dem Publikum bietet ist schlichtweg genial. Da ist ihre unglaubliche Stimme, die sie in jedem Ausdruck, in jeder Modulation, in jeder Gefühlslage absolut und mühelos im Griff hat. Sie singt ihr Weinen, ihr Lachen, sie singt ihre Verliebtheit, ihre  Verzweiflung, ihre Verbitterung. Sie singt tanzend, liegend, auf Spitzen balancierend und über Stuhlreihen kletternd. Und sie singt nicht nur, sie spielt dies alles auch, mit einer unglaublichen Intensität und Innigkeit.

Kleine szenische Mittel mit grosser Wirkung

Sie schaut zurück, erzählt ihre Geschichte, ein bisschen so, als würde ihr Leben kurz vor dem Tod nochmal vor ihrem inneren Auge ablaufen. In ihren Zwiegesprächen mit einem imaginären Alfredo oder Germont bewegt sie oft ihre Lippen als würde sie den Text in ihrer Erinnerung mitsprechen. Die szenischen Mittel sind einfach aber effizient, meist nur wie Fingerzeige: Eine Perücke, Lippenstift, Sektgläser, Wollsocken und Servietten und Besteck, das Plakat «vendesi» nicht nur fürs Landhaus sondern vor Violettas Körper. Alfredos Geldscheine, die sie aus ihrem Slip klaubt, das aufgehängte Kleid als Symbol ihrer Selbstaufgabe.

Ungewohnter Hörgenuss

Dass das Orchester auf Augenhöhe hinter einem halbdurchsichtigen Vorhang auf der Bühne spielt  und die übrigen Sänger/-innen im zweiten Rang verteilt sind  hat zur Folge, dass die Zuhörer mitten im Geschehen sitzen, mitten in der Musik, in den Emotionen. Das erzeugt intime Momente von unglaublicher Intensität. Der Szenenapplaus fällt oft nur ganz spärlich oder total aus, was nichts mit den gesanglichen Leistungen zu tun hat. Im Gegenteil. Aber man möchte nicht stören, nicht zeigen, dass man zuschaut und mithört bei etwas, das so unheimlich privat ist.

Das Orchester auf der Bühne ist viel unmittelbarer, die leisen Stellen, die Duette zwischen Soloinstrumenten und Stimme prägnanter, wunderbar abgestimmt und wenn die Türen ins Foyer geöffnet werden und die Karnevalsmusik von draussen erklingt, erzeugt das noch einmal einen zusätzlichen neuen Hörgenuss.

Unglaubliche Violetta

Nicole Chevalier hat die Spannung gehalten, mehr als das, sie hat verzaubert, zu Tränen gerührt, bewegt, Mitleid, Mitgefühl und Trauer ausgelöst. Der letzte Ton war kaum verklungen, der letzte Atemzug kaum getan da stand schon der ganze Saal und applaudierte frenetisch. Die Begeisterung war riesig, die spontane Freude Nicole Chevaliers – und aller anderen – über den Erfolg herzerwärmend.

Erwähnenswert – trotz physischer Absenz – der wunderbare Tenor Diego Silvas (Alfredo) und der wuchtige und bewegende Bass von Claudio Ottelli (Germont).

Benedikt von Peters Rechnung ist aufgegangen, auch Luzern ist dieser Traviata verfallen!

Kleine Fotodiashow der Produktion von Ingo Höhn, Luzerner Theater:

fotogalerien.wordpress.com/2017/03/29/luzerner-theater-la-traviata-oper-von-giuseppe-verdi-2-april-2017-besucht-von-gabriela-bucher-liechti/

 

Text: www.gabrielabucher.ch  Fotos: luzernertheater.ch

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