Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern hat untersucht, wie ältere Personen als Zielgruppe besser in den Wohnungsmarkt integriert werden können. Die Studie zeigt, dass der Ersatz und die Verteilung von günstigen Wohnungen grosse Herausforderungen sind. Damit die öffentliche Hand gute Rahmenbedingungen schaffen kann, braucht sie ein besseres Verständnis davon, wie der Wohnungsmarkt funktioniert.
Die Befragung der Hochschule Luzern zeigt aber, dass viele Anbieter nach wie vor der Meinung sind, es brauche just im ländlichen Raum in Zukunft schwerpunktmässig Wohnungen für Familien. «Das ist der falsche Weg. Der Mangel besteht bei Wohnungen für kleinere Haushalte», sagt Zimmerli. Das belegen die Insertionsdaten von Mietwohnungen der letzten Jahre: So werden auch auf dem Land 1.5- und 2.5-Zimmer-Wohnungen am schnellsten vermietet, sowohl im Neubau als auch im Altbestand.
Gute Aussichten für Genossenschaften, institutionelle Eigentümer müssen sich umorientieren
Hingegen sind sich die Akteure auf dem Wohnungsmarkt bewusst, dass aufgrund der demografischen Entwicklung künftig eher erschwingliche Wohnungen gefragt sind: 46 Prozent gehen davon aus, dass in zehn Jahren insbesondere Wohnungen im tiefen Preissegment gesucht sind, ganze 81 Prozent sehen den Schwerpunkt zudem künftig bei Wohnungen im unteren Mittelfeld. «Der Fokus verschiebt sich weg vom oberen Mittelfeld und dem höchsten Preissegment», so Zimmerli. Deshalb sagt sie den Genossenschaften eine rosige Zukunft voraus. «Institutionelle Eigentümer hingegen sind mit einer Nachfrage konfrontiert, die sie mehrheitlich nicht abdecken. Sie werden sich umorientieren müssen.»
Über 60 Prozent aller Befragten haben ein grosses Interesse, preisgünstige Wohnungen zu erstellen, weitere 27 Prozent ein mittleres Interesse. Dabei stechen nicht nur Genossenschaften und Privateigentümer hervor. Auch Liegenschaftsverwaltungen und Entwickler erkennen darin Geschäftsfelder. Selbst die Hälfte der institutionellen Eigentümer ist gewillt, in dieses Segment zu investieren. Besonders gross ist das Interesse in der Region Zürich, Luzern und Zug.
Hingegen könnten die Erwartungen an gute Rahmenbedingungen für preisgünstigen Wohnungsbau nicht unterschiedlicher sein: Genossenschaften und öffentliche Hand glauben an Subventionen und Förderprogramme. Privatwirtschaftliche Eigentümerinnen und Entwickler setzen auf höhere Ausnützung, einfachere Baubewilligungsprozesse und weniger Auflagen. «Solange kein besseres Verständnis zwischen öffentlichen, gemeinnützigen und privaten Akteuren besteht, dürften griffige Massnahmen kaum eine Chance haben», sagt Zimmerli.
Fehlende Strategie der öffentlichen Hand
Einen Grund für die blockierte Situation ortet die Studie darin, dass sich die öffentliche Hand zu wenig strategisch auf den demografischen Wandel einstellt. Gemäss Umfrage verfolgen viele Gemeinden, Städte und Kantone eine weniger klare Strategie als Genossenschaften und privatwirtschaftliche Akteure. «Die öffentliche Hand sollte jedoch den Zusammenhang zwischen den Wohnbedürfnissen älterer Personen, den Anforderungen an Versorgungsmöglichkeiten sowie den Anforderungen an das Planen und Bauen, die sich daraus ergeben, verstehen», so Zimmerli. Dies sei nötig, etwa um den Bedarf nach Wohnraum für ältere Personen abzuschätzen oder die Rahmenbedingungen für gut erschlossenen und auch preisgünstigen Wohnungsbau zu verbessern.
Wie wichtig es ist, dass die Schweiz diesbezüglich rasch einen grossen Schritt vorwärts macht, veranschaulicht eine Fallstudie aus Winterthur. Das Verschwinden von günstigen Wohnungen und die grosse Konkurrenz zu jüngeren Personen, die ebenfalls nach erschwinglichem Wohnraum suchen, führen zu einem strukturellen Problem auf dem Wohnungsmarkt. «Es braucht kurz- bis mittelfristig Ersatz für günstige Wohnungen, die durch Sanierungen oder Ersatzneubauten vom Markt verschwinden», sagt Zimmerli. Dabei werden Wohnungen mit tiefen Stückpreisen idealerweise in den Wohnungsmix «gewöhnlicher» Projekte integriert, damit keine Ghettosituationen entstehen.
Abnehmende «Wohnkompetenz» schreckt Wohnungsvermieter ab
Damit ältere Personen eher bei einer Wohnungsvermietung zum Zuge kommen, sollten die Wohnungsanbieter ihre Vermietungsziele anpassen, heisst es weiter in der Studie. Ein Grossteil der Befragten sieht darin zwar den Vorteil, die soziale Durchmischung der Bewohnerschaft zu fördern. Gleichzeitig wird die Massnahme als unnötiges Regulativ bezeichnet. Über zwei Drittel aller Befragten sind allerdings bereit, günstige Wohnungen grundsätzlich an Personen zu vermieten, welche nachweislich über ein geringes Einkommen verfügen.
Trotzdem scheint die Bereitschaft, die Vermietung auch auf ein älteres Publikum auszurichten, vorhanden. So können sich über 60 Prozent der Befragten unter anderem vorstellen, mit interessierten älteren Personen Gespräche zum Wohnungsangebot zu führen. Die Hälfte der Liegenschaftsverwaltungen und Vermarkter würden zudem Anzeigen auf zielgruppenspezifischen Websites schalten.
Die Studie zeigt schliesslich, dass die Akteure auf dem Wohnungsmarkt zwischen zwei Altersgruppen im Pensionsalter differenzieren. Mit jungen Pensionierten im Alter von 65 bis 74 Jahren assoziieren sie Begriffe wie aktiv, selbstbewusst und anspruchsvoll. Ältere Pensionierte ab 75 Jahren verbinden sie dagegen mit geringer Mobilität und Unterstützungsbedarf. «Also nicht das Alter, sondern die abnehmende ‹Wohnkompetenz› mit dem hohen Alter scheint Eigentümerinnen und Liegenschaftsverwalter vor der Vermietung von Wohnungen an ältere Pensionierte abzuhalten», zieht Joëlle Zimmerli Fazit.
Die Studie «Demografie und Wohnungswirtschaft. Pensionierte auf dem Wohnungsmarkt» entstand in Zusammenarbeit mit Losinger Marazzi, der Age Stiftung, der Vita Sammelstiftungen und der Zürcher Kantonalbank. Sie kann für 90 Franken unter ifz@hslu.ch bestellt werden.
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