Besetzung: Konstantin Wecker mit Band, Jubiläumskonzert zum 70. Geburtstag
Poesie und Widerstand
Rezension:
70 Jahre Ungehorsam – verändert hat sich der Künstler in seinem Leben schon oft, ein anderer ist er nie geworden (Zitat des Veranstalters abc production).
Wenn der Ur – Bayer durch die Lande tourt, strömen seine Fans seit Jahrzehnten und füllen die Konzertsäle und Hallen. Seine Themen sind auch heute noch, oder wieder, sehr aktuell. Dazu hat er die Gabe, seine Texte in markante, wiedererkennbare Melodien zu packen. Wenn dazu noch ausgezeichnete Mitmusiker auf der Bühne stehen, ist ein unvergesslicher Abend garantiert.
Eröffnet wurde das Konzert mit einer Playbackeispielung, dazu betraten die fünf Begleitmusiker die Bühne, besetzten ihre Platze und übernahmen nahtlos die eingespielte Melodie. Es folgte der Einzug des „Gladiators“ Konstantin Wecker, der sich vom hinteren Saaleingang her singend durch das Publikum seinen Weg bahnte und sich so den Zugang zur Bühne verschaffte. Bejubelt von den Konzertbesuchern, Hardcorefans meist eher gesetzteren Alters, startete er das Set mit „Kein Ende in Sicht“, Liedzeile daraus: Kein Ende in Sicht, den Anfang verprasst, dazwischen nur tänzelndes Schweben. Den Sinn dieses Unsinns noch lang nicht erfasst, doch immerhin: leben im Leben! Es folgte Lied auf Lied, unterbrochen nur durch Monologe, Anekdoten aus seinem prallgefüllten Leben und natürlich Applaus, viel Applaus. Zwischendurch hatten auch seine Mitmusiker, von denen ein jeder mindestens zwei Instrumente beherrschte, Gelegenheit, mit Soli zu glänzen. So spielte z. B. die Cellistin ebenso gut den Elektrobass, der Violinist beherrschte auch die Leadgitarre ausgezeichnet, usw. Wecker meinte noch, er habe jetzt 50 Jahre darauf gewartet, endlich 70 zu werden, die ersten 20 Lebensjahre könne man ja nicht voll anrechnen. Dann interpretierte er zuerst Lieder aus seinem frühen Schaffen, dann sang er sich nach und nach über die jüngste Vergangenheit, z. B. mit „Der alte Kaiser“ (komponiert als Hommage an die Aufständischen auf dem Tahrir Platz) bis in die Gegenwart. Ein Streifzug durch ein ganzes Künstlerleben, das nicht nur mit Glanzlichtern gesegnet ist, sondern auch grosse Brüche aufweist
Noch immer mal wütender Rebell, mal zärtlicher Poet
Wecker kam aber immer gestärkt zurück, nichts konnte seiner Popularität etwas anhaben, Wecker Fans sind unerschütterlich und treu ergeben. Amüsiert schaut der Künstler zurück, seinen Karrierestart als Darsteller in Softpornos nutzt er gar, um sein Machoimage zu untermauern. Ein Gehabe, dass sogar seinem verehrten Vater einst die Bemerkung entlockte: Aha, Männlein will Mann spielen.
Selbst eine so grosse Künstlerin wie Mercedes Sosa coverte mit „Ich singe weil ich ein Lied hab“, einen Wecker Song, das Lied, das sie auch gemeinsam bei einem Konzert 1988 in Wien, zusätzlich ergänzt durch Joan Baez, interpretierten.
Ebenso einprägsam wie sein „Einmarsch“ zu Beginn des Konzertes, war auch sein Abschied. Er verliess die Bühne, singend natürlich, streifte durch die Sitzreihen, umarmte diese und jenen, feierte seine Fans, die wiederum feierten ihn, kehrte schlussendlich auf die Bühne zurück und genoss mit seinen Mitmusikern noch eine langanhaltende stehende Ovation. Wecker bleibt Wecker, immer ein aussergewöhnliches Erlebnis.
Definitiver Höhepunkt war dann das ultimativ abschliessende : „Sage Nein!“, begeistert umjubelt vom Auditorium und mit einer erneuten „Standing Ovation“ belohnt.
Trotz seinen 70 Jahren performt er immer noch vor und nach der Pause je ca. 90 Minuten.
Eine unendlich erscheinende Karriere
Über 50 Jahre schon bespielt Wecker die Bühnen Europas, gar der Welt und es macht nicht den Anschein, als ob er nächstens in Rente geht und sein spätes Familienidyll noch intensiver geniessen will. Unruhig unterwegs ist er noch immer. Vielleicht, Altersweisheit geschuldet, nicht mehr ganz so zornig, nicht aber weniger engagiert. Seinen Anhängern, meist im gleichen Alter geht es wohl ähnlich. Alt68er, von Utopisten zu Realisten mutiert, ohne ihre Träume zu verlieren oder Idealen abzuschwören. Wecker und Band interpretieren Song für Song, ergänzt durch des Meisters Anekdoten und Erinnerungen an musikalische Weggefährten, amüsante und ernste Begebenheiten, Lebensirrtümern, Irrwegen und Verfehlungen. Die späte Rückkehr auf den Pfad der Tugend, unterstützt von seiner damaligen Frau Annik, bereichert durch die beiden gemeinsamen Söhne.
Vielseitigkeit ist ein Markenzeichen von Konstantin Wecker
Er singt ja nicht nur seine Lieder. Er textete und komponierte auch für andere, wirkte als Schauspieler in vielen Gastrollen mit, komponierte Filmmusik, schrieb gar ganze Musicals, u.a., das Hundertwasser Musical, zusammen mit Christopher Franke das Musical Ludwig usw.. Seit dem Wintersemester 2007/2008 hat Wecker an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg einen offiziellen Lehrauftrag angenommen. Immer wieder engagiert er sich politisch und auch sozial an vorderster Front, wurde und ist eine Ikone der antifaschistischen Bewegung
Konstantin Wecker – Mercedes Sosa – Joan Baez – Ich singe weil ich ein Lied hab – Wien 1988:
www.youtube.com/watch?v=LhHAaJqjVhc
Konstantin Wecker: „Sage Nein!“
www.youtube.com/watch?v=aZtmfCJRErY
Ein Konzert von: www.abc-production.ch/
Fotos: www.abc-production.ch/ und Wikipedia und Homepage von
Text: www.leonardwuest.ch
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