Die „Tanzplattform Bern“ ist ein von Estefania Miranda initiiertes internationales Tanzfestival zur Förderung von Nachwuchschoreografen. Es bietet den jungen Choreografen der Tanzcompagnie Konzert Theater Bern und internationalen Nachwuchschoreografen die Möglichkeit, sich miteinander auszutauschen, ihre Arbeiten zu präsentieren und einen der Berner Tanzpreise zu gewinnen. Diese werden von einer Fachjury und dem Berner Publikum vergeben. Die Tanzcompagnie Konzert Theater Bern ist in „Next Generation“ zu erleben, gefolgt von den „Internationalen Gastspielen I und II“. Zum Abschluss am 24. Juni werden die „Berner Tanzpreise“ verliehen.
Rezension:
Gastspiel I – 22. Juni 2016
Es ist der zweite Abend der „Tanzplattform Bern“ und bislang der heisseste Tag des Jahres. T-Shirts und Hemden der Besucher zeigen dunkle Spuren, man fächelt sich Kühle zu mit Eintrittstickets und Programmen. Jede Bewegung löst Schweissausbrüche aus und es ist eigentlich unvorstellbar, dass jemand bei diesen Temperaturen tanzen kann.
L’Aveuglement – Cie. Les Vikings aus Belgien
Spätestens wenn Sara Olmo und Victor Launay der Cie. Les Vikings auf die Bühne kommen, vergisst man die Hitze. Ein Mann, plötzlich blind geworden, muss sich mit seinem Zustand auseinandersetzen. Die «Blindheit» wird verkörpert durch Sara Olmo, einer zierlichen Tänzerin, die ihrem Partner gerade Mal bis zum Kinn reicht. Anfänglich drehen sich die beiden umeinander, ohne sich zu berühren, knicken immer wieder weg Sekunden bevor Kontakt entstehen kann, verfolgen sich aber unaufhörlich. Dann passieren die ersten Berührungen, der Blinde nimmt die Blindheit an und sie gehen so ineinander auf, dass man teilweise kaum mehr sieht, wo der eine beginnt und die andere aufhört. Wie eine Feder hebt Launay seine Partnerin hoch, in ungewöhnlichen Hebefiguren von teilweise berückender Schönheit. Der Grössenunterschied der beiden hat zudem etwas Berührendes, der Blinde scheint seine Blindheit zu beschützen. Am Ende verschmilzt das Paar zu einem Song von Tom Waits in einem Walzer.
Die Begeisterung des Publikums ist gross und man möchte eine Reset-Taste drücken können und sich dieses märchenhafte Stück nochmal anschauen.
Innermost –Compagnie B.Dance aus Taiwan
Ganz anders «Innermost» des Choreografen Po-Cheng Tsai, welcher in Luzern kürzlich mit «Niflheim» begeisterte. Er beschäftigt sich mit der Frage, wie man den Schmerz kontrollieren, sich von seinem Leid befreien kann. Die Antwort sei die innere Ausgeglichenheit, die Balance. Umgesetzt hat er dies mit zwei männlichen Tänzern und einem roten Stab. Die Tänzer tragen schwarze Anzüge, offen über dem nackten Oberkörper, was je nach Beleuchtung magische Bilder erzeugt. Zudem versteckt sich der eine Tänzer anfangs hinter dem anderen, sodass nur seine Arme zu sehen sind. Ein Ballett für 4 Arme und 4 Hände, so synchron und symmetrisch, dass es an Bilder eines Kaleidoskops erinnert. Der Schmerz ist spürbar in den teilweise spastischen Bewegungen, die ab und zu an asiatische Kampfsportarten denken lassen, die Hände werden viel und ausdrucksstark eingesetzt. Die Interaktionen mit dem roten Stab erlauben zudem ganz spezielle Bildkompositionen.
Swan Lake – Sooyoung Ahn, Korea
Die letzte Produktion bringt einen dritten, ganz neuen Aspekt. Die Ahn Sooyoung Company sei extra aus Südkorea angereist, erklärte die Dramaturgin Lucie Machan eingangs. Swan Lake ist eine Schweizer Erstaufführung, wie die beiden vorangehenden Stücke. Eine ungewöhnliche Version von Schwanensee, welche sich der Choreograf ausgedacht hat. Teilweise zur Originalmusik von Tschaikowsky fügt er Elemente aus dem Hip Hop zusammen mit modernem klassischem Tanz. Mit einem Augenzwinkern und einer guten Portion Humor greift er kurze Szenen aus dem Original-Ballett auf, verformt sie, lässt sie aus dem Ruder laufen, ganz zum Vergnügen des Publikums. Die Tänzer überzeugen mit einer unglaublichen Energie und einer spürbaren Tanzlust.
Es war ein sehr gelungener Abend, die Tänzerinnen, Tänzer und Choreografen ernteten langanhaltenden Applaus und man gönnte jeder der drei Produktionen einen der Berner Tanzpreise zu gewinnen.
Text: www.gabrielabucher.ch Fotos: www.konzerttheaterbern.ch/tanz/uebersicht/veranstaltung/ Susanne Schäfer und LucieMachan