Besetzung und Programm:
Tschechische Philharmonie
- Tomáš Netopil (Dirigent)
- Truls Mørk (Cello)
Leoš Janáček – Ouvertüre «Eifersucht» zur Oper «Jenůfa»
Antonín Dvořák – Konzert für Violoncello und Orchester h-Moll op. 104
Antonín Dvořák – Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88
Rezension:
Hatte ich bis dato die Tschechische Philharmonie „nur“ dreimal in ihrem Stammhaus, dem „Rudolfinum“ in Prag live erlebt, genoss ich jetzt das Vergnügen, bei ihrem Auswärtsspiel“ im Luzerner KKL mit dabei zu sein. Dies erst noch mit Werken zweier ihrer Nationalkomponisten, namentlich Antonín Dvořák und Leoš Janáček, veredelt durch den 1961 in Bergen geborenen norwegischen Starcellisten Truls Mørk.
Gestartet wurde mit der Ouvertüre „Eifersucht“ zur Oper „Jenufa“ von Leoš Janáček (1854-1928), die für diesen der endgültige Durchbruch als anerkannter Opernkomponist bedeutete. Dann folgte das, in New York 1894/95 geschriebene und 1896 in London uraufgeführte Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 2 h-Moll op. 104 von Antonín Dvořák (1841-1904).
Absoluter Weltklassecellist demonstrierte seine Virtuosität
Truls Mørk ist körperlich, als auch musikalisch ein Hüne und fügte sich mit seinem Spiel perfekt in das Orchester ein, beobachtete den Dirigenten sehr genau. Er spielt ein von Domenico Montagnana im Jahre 1723 in Venedig gebautes Cello („Esquire“), das ihm von der norwegischen SR-Bank zur Verfügung gestellt wird. Dieses Bijou bringt Mørk wunderbar zum Klingen, lässt seine Finger flink über die Saiten huschen, kitzelt gefühlvolle Tremoli aus dem Resonanzkörper. Unterstützt von seinen schwarzbefrackten Mitmusikern setzt er zu einem wahren akustischen Höhenflug an und verzückt das Publikum im praktisch voll besetzten Konzertsaal mit seinem mal sensiblen mal stürmischem Spiel, wird dann von einer tänzelnden Querflöte, einer vorwitzigen Oboe kontrapunktiert, darauf wiederum von den vielschichtigen Streichern durch die Partitur getragen. Das Cello setzt im 1. Satz für ein Konzert relativ spät und plötzlich ein, und entwickelt eigene melodische Linien, die mit den vorgestellten Themen wenig zu tun haben, es entwickelt sich ein Dialog zwischen Orchester und Soloinstrument. Im 2., eher ruhigeren Satz, zitiert Dvořák sein Lied „Lasst mich allein“, das Lieblingslied seiner Schwägerin, die im Frühjahr 1895 verstarb und in die Dvořák einst heimlich verliebt war. Der Schlusssatz wird zunächst vom Orchester ruhig eingeleitet und steigert sich, bevor nach ca. einer halben Minute das Cello einsetzt und das Thema des Satzes vollständig spielt. In der Coda wird noch einmal das Lied „Lasst mich allein“ zitiert. Das begeisterte Auditorium belohne die Protagonisten, insbesondere den Solisten mit stürmischem Applaus, garniert mit einzelnen Bravorufen, was Truls Mørk zu einer kurzen Zugabe animierte.
Zweiter Konzertteil mit der Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88von Antonín Dvořák
Zur düsteren Stimmung der 7. Sinfonie bildet die 8. Sinfonie einen gelösten, lyrischen Kontrast, das Thema beginnend in G Moll durch Violoncello, Klarinette und Fagott. Das Hauptthema steht in G-Dur und wird von der Flöte vorgetragen. Das Adagio in C Moll und 2/4-Takt und ist von Pjotr Iljitsch Tschaikowski beeinflusst, den Dvořák kurz zuvor kennengelernt hatte. der 3. Satz beginnt in G Moll mit einemwalzerartigen Thema der transparenten Violinen. Der 4. in G Dur geschrieben beginnt mi einer Trompetenfanfare in D. Anschließend wird das zweiteilige Variationsthema von den Celli vorgestellt. Ein Horntriller und eine virtuose Flötenmelodie prägen die ersten Variationen. Die anschließende markant-rhythmische dritte Variation trägt den Namen „Slawische Variation“. Eine lyrische Passage führt schließlich zur virtuosen Coda chromatischen Charakters, welche dem Werk ein triumphales Ende verleiht. Der tschechische Klangkörper unter seinem Dirigenten zog hier, im wahrsten Sinne des Wortes, sämtliche Register, verlieh dem Werk viel Herz und Ausstrahlung. Tschechische Musik in Reinkultur, eben. Das begeisterte Publikum spendete heftigen langanhaltenden Applaus, der aber nicht in eine „Standing Ovation“ mündete. Das liessen die Tschechen aber nicht so stehen und holten sich diese (wohlverdiente) mit der Zugabe von Brahms ungarischem Tanz Nr.5 doch noch ab. Ein grossartiges Konzert der diesjährigen Migros – Kulturprozent Classics Saison.
Souveränes Dirigat von Dirigent Tomáš Netopil
Dirigent Tomáš Netopil führte das tschechische Renommierorchester stilsicher, engagiert und trotzdem unaufgeregt durch die Partituren, den sicheren Instinkt für Werkdetails demonstrierend. Auch verstand er es ausgezeichnet, die Nuancen raffiniert heraus zu schälen. Er arbeitete relativ viel mit Gesten, setzte des Öftern auch seinen ganzen Körper ein, war immer souverän und hielt alle Zügel fest in der Hand, motivierte seine Mitmusiker und animierte sie zur Höchstleistung.
Antonín Dvořáks Musik beeinflusste nachfolgende Komponistengenerationen nachhaltig
Die Kompositionen von Antonín Dvořák zeigen seine starke Verwurzelung in seiner Heimat, die Affinität zur böhmischen Volksmusik, die immer gegenwärtig ist und auf der die meisten seiner Kompositionen aufbauen. Die oft sehnsuchtsvoll slawischen Motive werden des Öftern spontan von fröhlich animierten Zwischenspielen garniert, auch Zigeunerweisen schimmern ab und zu durch. Es sind diese Gipsy Rhythmen, die nachfolgende Komponisten wie z.B. Django Reinhardt prägten und die darauf aufbauend dann den mitreissenden Gipsy Jazz, auch Jazz Manouche oder Sinti-Jazz genannt, entwickelten.
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: http://www.migros-kulturprozent-classics.ch/
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