Produktion: Inszenierung: Bruno Cathomas, Bühne: Natascha von Steiger, Kostüme: Aleksandra Pavlović, Licht: David Hedinger-Wohnlich, Musik: Daniel Almada, Dramaturgie: Julia Reichert
Besetzung:
Sofia Elena Borsani (Hippolyta / Titania), Yves Wüthrich (Theseus / Oberon), Wiebke Kayser (Puck), Verena Lercher (Hermia), Alina Vimbai Strähler (Helena), Christian Baus (Lysander), Jakob Leo Stark (Demetrius), Adrian Furrer (Squenz), Lukas Darnstädt (Zettel), Michel Kopmann (Franz Flaut), Anna Rebecca Sehls (Tom Schnauz / Matz Schlucker), Daniel Almada (Musiker)
Rezension:
Er ist wieder da, der «Globe» im Luzerner Theater, mit seinem leichten Geruch nach Holz und den Sitzplätzen hinter und über der Bühne, wo die Zuschauer zu schweben scheinen in den Gestängen. Shakespeares »Globe» für Shakespeares «Sommernachtstraum», ein Traum für Regisseur Bruno Cathomas, welcher das Stück in- und auswendig kennt, hat er es doch bereits übersetzt und mehrfach inszeniert und selber schon diverse Rollen darin gespielt. Eine leere Bühne also, auf der einige Besucher am Premierenabend etwas verloren herumirren. Die Platzierung scheint noch nicht ganz ausgereift, aber dieses kleine Chaos ist der perfekte Auftakt für das grössere – durchaus gewollte – Chaos, welches in den kommenden ein dreiviertel Stunden über die Bühne gehen wird.
Von Romeo und Julia bis zum Untergang der Titanic
Kaum haben die Zuschauer ihre Plätze gefunden, stürmt der höchst erregte Regisseur (Adrian Furrer) der Laien-Theatertruppe, welche in der Luzerner Inszenierung die Handwerker ersetzt, auf die Bühne. Ihm folgt Zettel (Lukas Darnstädt), ein manierierter, affektierter und exaltierter Möchtegern-Schauspieler, eng anliegendes Shirt mit Sicht aufs Brusthaar, Hosen mit Schlag, ausladend und geblümt, dazu klobige Schuhe mit Absatz. Er beherrscht jede mögliche Rolle, von Romeo aus «Romeo und Julia» bis Jack aus der «Titanic» und versucht, den Regisseur zu beeindrucken mit Passagen aus den Werken, welche er mit unglaublichem Pathos vorträgt.
Im Reich der Sinne – farbenfrohes Spektakel
Und so geht’s weiter und hört eigentlich nie auf, ein unglaubliches Spektakel. Da wird geschrien, geweint, geliebt, gehasst und gekämpft, in höchsten Tönen, in höchster Auf- und Erregung und mit allem, was jeder einzelne Schauspieler zu geben hat. Ein wildes, farbiges, schräges Durcheinander, wie die Geschichte selber. Hippolyta und Theseus deklamieren in rosa Gewändern und goldenen Accessoires vom ersten Rang hinunter, die Akteure kommen von allen Seiten auf die Bühne gestürmt, hangeln sich über das Geländer im ersten Rang, stolpern durch die Zuschauerränge. Dazu deklamieren sie Shakespearisches und Aktuelles, singen Popsongs und rappen.
Verstehen tut man lange nicht alles vom gesprochenen Text, was sicher mit den Gegebenheiten des «Globes» zu tun hat, aber auch mit den teilweise hohen Stimmen, die sich vor Aufregung überschlagen. Sitzt man noch in der Nähe des Pianisten (Daniel Almada), der wunderbare musikalische Akzente setzt, wird es noch schwieriger, dem Geschehen zu folgen. Aber je länger der Abend voranschreitet, desto mehr fragt man sich, wie weit «Verstehen» gefragt und nötig ist, zumal die Geschichte ja bekannt ist und die Bilder für sich sprechen. Konzentriert man sich auf die unglaubliche Spiellust der Darsteller, verbringt man einen höchst vergnüglichen Abend. Sie ziehen alle Register, bedienen aber auch aller Klischees, die gemeinhin für Schauspieler gelten. Sie toben sich aus und scheinen selber auch unglaublich Spass zu haben. Die Fetzen fliegen, Kostüme verrutschen, Schuhe gehen verloren, auch die eine oder andere Perücke bleibt auf der Strecke, oder auf der Bühne, ob gewollt oder nicht spielt in diesem Chaos keine Rolle. Action pur und ohne Ende, Überraschungseffekte und darin, darüber, hängt die riesige Lichtkugel aus Neonschlangen, einziges Requisit in dieser Inszenierung.
Die ganze Truppe sprüht vor Energie, jeder hat seinen eigenen Tick, seine Eigenheit, die sie/er voll ausleben kann, was immer wieder zu Lachern führt. Alle begeistern sie mit ihrer Leidenschaft, ihrer Hingabe, in jeder Hinsicht, in ihre Rolle. Dass die beiden Interpreten von Hippolyta/Titania (Melanie Lüninghöner) und Theseus/Oberon (André Benndorff), welche die erkrankten Ensemble-Mitglieder ersetzten, erst seit einer Woche mitproben, fällt in keiner Weise auf.
Kreativ-kunstvolle Kostüme aus Müll
Das ist alles wie erwähnt unglaublich farbig, laut, schräg und komisch und wird noch unterstrichen durch die Kostüme (Aleksandra Pavlović). Titanias Krone besteht aus leeren Aludosen mit Strohhalmen, auf ihrem ausschweifenden Rock mit Schleppe, beides aus Plastik, funkeln blaue Petflaschen, Puck und Oberon zünden wahlweise blaue und weisse Lämpchen an ihren Kostümen, geblümte Strumpfhosen, rote Kniesocken, hohe Plateauschuhe, kurze Hosen, riesige Brillen, farbige Perücken, alles ist vertreten auf diesem Plateau.
Immer wieder hörte man Kichern, manchmal lautes Lachen aus den Rängen, in den letzten Minuten gibt es sogar Szenenapplaus und das Publikum honoriert dieses Feuerwerk an Liebe, Lust und Chaos mit langanhaltendem Applaus. Ein liebliches Feenspiel ist das fürwahr nicht, eine düstere Traumwelt aber auch nicht, es ist ein verrücktes Märchen für Erwachsene und eine Spielwiese für die Schauspieler. Und wenn Sie der Handlung nicht ganz folgen können, klicken Sie sich aus und lassen Sie die Bilder auf sich wirken, es kommt eh alles wie es kommt und ist auch nur ein Sommernachtstraum.
Kleine Fotodiashow der Produktion von Ingo Höhn, Luzerner Theater:
fotogalerien.wordpress.com/2018/02/22/luzerner-theater-schauspiel-ein-sommernachtstraum/
Text: www.gabrielabucher.ch
Fotos: www.luzernertheater.ch
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