Der Hochschuldozent, Unternehmer und Bezirksrichter Michael Derrer hat beim Aargauer Regierungsrat eine Abstimmungsbeschwerde im Zusammenhang mit den Fehlinformationen zur Vollgeld-Initiative eingereicht.Die Beschwerde richtet sich gegen die Schweizerische Nationalbank, die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren und den Bundesrat. Gegenstand ist die insgesamt unsachliche und wahrheitswidrige Kommunikation der Behörden im Vorfeld der Abstimmung vom 10. Juni.
Beschwerdeführer Michael Derrer sieht durch die Verbreitung von lückenhaften und falschen Informationen durch die Behörden die Abstimmungsfreiheit der Stimmbevölkerung verletzt: “Die Schweizerische Nationalbank und der Bundesrat müssen transparent und sachlich informieren, ohne Auslassungen, Halbwahrheiten oder falsche Zusammenhänge.” Genau dies sei aber in der öffentlichen Kommunikation der Nationalbank und in den Erläuterungen des Bundesrates nicht der Fall.
Aussagen sind “haarsträubend”
Michael Derrer befasst sich im Rahmen seiner Forschungstätigkeit seit längerem mit dem Thema Vollgeld und sagt: “Es ist leider haarsträubend, welche groben Falschaussagen über den Inhalt der Initiative gemacht werden.” Das vernünftige und zukunftsweisende Vollgeld-Konzept habe eine seriösere Behandlung verdient. “Dass die gegnerische Kampagne mit erfundenen Behauptungen arbeitet, ist zwar nicht korrekt, aber in der heutigen Politik leider schon fast die Regel. Wenn aber deren verzerrte und lückenhafte Aussagen nun von den Behörden übernommen werden, so ist dies inakzeptabel, denn es verletzt die politischen Rechte der Stimmbürger.”, so Derrer.
Flexibilität verneint
So behaupte die Nationalbank zum Beispiel, dass mit Vollgeld neues Geld nur durch Auszahlung an Bund, Kantone und an die Bevölkerung in Umlauf kommen könne und begründet damit ihre Ablehnung der Initiative. Richtig sei aber, dass die Nationalbank neues Geld auch durch Darlehen an Banken, sowie den Kauf von Devisen, Wertpapieren und Gold in Umlauf bringen könnte. Michael Derrer: “Durch diese Auslassung wird gegenüber den Stimmbürgern ein falsches Bild über den Inhalt der Initiative gezeichnet, und sie werden dadurch in ihrem Abstimmungsverhalten manipuliert.”
Kredite werden nicht teurer
Der Bundesrat suggeriere den Stimmbürgern andererseits, dass Kredite nach Annahme der Initiative teurer würden. Korrekt ist, dass Vollgeld keine direkten Auswirkungen auf die Kreditzinsen hätte. Diese sind wie heute unter anderem von der Geldpolitik der Nationalbank und den Marktverhältnissen abhängig. Die Nationalbank ist in der Vollgeld-Verfassung verpflichtet, dass weder Geldknappheit noch Geldschwemme entsteht und die Gesellschaft und Wirtschaft durch private Finanzdienstleister mit ausreichend Geld und Krediten versorgt wird.
Die Liste der irreführenden Darstellungen könnte mit vielen weiteren Beispielen erweitert werden.
Behörden verwirren Stimmbevölkerung
Michael Derrer befürchtet, dass die Behörden durch ihre Kommunikation die Abstimmungsvorlage vorsätzlich komplizierter als nötig darstellen. Die wirklich wichtigen Fragen, welche die Vollgeld-Initiative aufwirft, würden hingegen ausgelassen. Diese sind:
“Wer soll unser Geld herstellen? Private Geschäftsbanken, die im Sinne ihrer Aktionäre handeln und aufgrund ihrer Profitmaximierung oftmals zu viel Geld herstellen? Oder die Nationalbank, die gemäss Verfassungsauftrag im Gesamtinteresse des Landes agiert?
Wem soll der Gewinn aus der Geldherstellung gehören? Soll dieser privaten Unternehmen zukommen? Oder wäre es nicht sinnvoller, den Geldschöpfungsgewinn für den Abbau unserer Staatsverschuldung einzusetzen, wie dies nach Annahme der Vollgeld-Initiative möglich wäre? So würden die Steuern für alle sinken.
Wie können wir sicherstellen, dass unsere Zahlungsverkehrskonten auch im Falle von Finanzkrisen und Bankenpleiten absolut sicher sind? Mit Vollgeld wäre dies der Fall. Im Kontext des fortlaufenden Rückgangs von Bargeld erhält diese Frage zudem eine besondere Aktualität, weil der Bevölkerung und der Wirtschaft dann kein gesetzliches Zahlungsmittel mehr zur Verfügung stehen würde.”
Dies seien die grundsätzlichen Fragen, über die das Stimmvolk entscheiden müsse – und dafür brauche es sachliche und korrekte Informationen von Seiten der Behörden.
Zur Beschwerde
Die Beschwerde musste aus juristischen Gründen beim Kanton, in dem der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz hat, eingereicht werden, obwohl es sich um ein eidgenössisches Thema handelt.
Die Vollgeld-Initianten unterstützen den Beschwerdeführer Michael Derrer und werden die Medien über den Stand der Beschwerde informiert halten.
Weitere Informationen
- Beanstandung “Abstimmungsbüechli” (Erläuterungen des Bundesrates) durch das Vollgeld-Komitee
- “Abstimmungsbüechli” online (Erläuterungen des Bundesrates)
- Medieninformation des Vollgeld-Komitees: Halbwahrheiten der Eidg. Finanzverwaltung entlarvt (Medienanlass vom 4. April 2018)
- Medienmitteilung “Bundesrat informiert irreführend”
- Wie Geld entsteht – Zahlreiche Quellen von Zentralbanken, Banken und Wissenschaftlern
Gut zu wissen – Vollgeld-Initiative
Die Vollgeld-Initiative will, dass elektronisches Geld (Giral- oder Buchgeld genannt) gleichwertig wie Münzen und Noten wird – nämlich gesetzliches Zahlungsmittel. Geschäftsbanken dürften kein eigenes elektronisches Geld mehr herstellen, dieses Privileg würde der Schweizerischen Nationalbank im Gesamtinteresse des Landes übertragen.
Im Dezember 2015 wurde die Vollgeld-Initiative für krisensicheres Geld und die alleinige Geldschöpfung durch die Schweizerische Nationalbank mit über 110‘000 Unterschriften eingereicht. Am 10. Juni 2018 kommt sie zur Volksabstimmung.
Die Vollgeld-Initiative wurde vom überparteilichen und unabhängigen Verein Monetäre Modernisierung (MoMo) mit Sitz in Wettingen gestartet.
Zum wissenschaftlichen Beirat mit 23 Mitgliedern gehören unter anderem Philippe Mastronardi, Professor em. für Öffentliches Recht und Peter Ulrich, Professor em. für Wirtschaftsethik.