Besetzung und Programm:
Das Mariinsky Orchestra
Valery Gergiev (Dirigent)
- Irina Churilova (Sopran)
- Najmiddin Mavlyanov (Tenor)
- Roman Burdenko (Bariton)
- Mikhail Petrenko (Bass)
- Evgeny Nikitin (Bass-Bariton)
Peter Tschaikowski – «Jolanthe» op. 69, Lyrische Oper in einem Akt
Peter Tschaikowski – Sinfonie Nr. 5 e-Moll op. 64
Rezension:
Dirigent Valery Gergiev und sein Mariinsky Orchestra aus Sankt Petersburg sind regelmässig bei Migros – Kulturprozent – Classics Tourneen mit dabei. und werden vom Publikum immer ausgiebig gefeiert, das sollte auch an diesem Abend wieder so sein.
Der Intendant des Migros – Kulturprozent Classics, Mischa Damev, begrüsste das Publikum mit einer schlechten, einer guten, einer sehr schlechten und einer sehr guten Nachricht: Der vorgesehene Bass Sänger Stanislav Trofimov musste aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen. Es sei aber gelungen, in der Person von Mikhail Petrenko, der sich grad in Italien befand, einen gleichwertigen Ersatz zu verpflichten. Die Flüge von Italien in die Schweiz wären aber, aufgrund des Schneefalls verschoben, teilweise ganz abgesagt worden. Der Sänger sei aber vor 60 Minuten mit dem Zug in Luzern eingetroffen und einsatzbereit.
Grundsätzliches zur Oper
Die lyrische Oper in einem Akt nach einem Libretto seines jüngeren Bruders Modest Tschaikowski, basiert auf Kong Renés Datter (König Renés Tochter), dem Schauspiel des dänischen Dichters Henrik Hertz. Die Oper trägt die Opusnummer 69, wurde am 18. Dezember 1892 im Mariinski-Theater in Sankt Petersburg zur Uraufführung gebracht und spielt in einem Schlossgarten in der Provence im 15. Jahrhundert Die dänische Prinzessin Jolanthe ist nicht nur blind, sondern weiß zudem nichts von ihrer Blindheit. Niemand in ihrer Umgebung wagt es, ihr die Wahrheit zu sagen, dabei wäre Heilung allein um den Preis der Erkenntnis möglich. Erst durch die Liebe zum Graf Vaudémont gelingt der Ausbruch aus diesem Teufelskreis – Jolanthe wird geheilt. Für diese Seelendramen, die sich in „Jolanthe“ abspielen schuf Tschaikowski eine Partitur, die zu seinen schönsten überhaupt gehört: kammermusikalisch differenziert, zart und einfühlsam, jedes Instrument individuell ausgefeilt. Über allem steht der Gegensatz von Dunkel und Licht als Leitmotiv der Oper. Deshalb der ganz den Bläsern vorbehaltene Beginn mit seiner dunklen Tönung, der sich erst nach und nach, durch Einbezug der Streicher, aufhellt. Am Ende preisen alle die Liebe und ihren Schöpfer in strahlendem Dur: „Du bist der helle Schein des Lichts der Wahrheit …“ Die grossartigen Vokalisten erschienen nach und nach, je nach ihrem vorgesehenen Einsatz, auf der Bühne.
Sopranistin Irina Churilova gibt eine wunderbare Titelheldin Jolanthe! Sie gewann zahlreiche Gesangswettbewerbe und verkörpert die blinde Königstochter mit ungemein kräftiger Stimme, langem Atem und strahlend schönen Höhen. Ihre Stimme, die auch in zärtlichen und leiseren Stellen entzückt und immer gut hörbar und über dem Orchester schwebt, ist sehr dicht und intensiv, wenn auch manchmal etwas unnatürlich.
Sie behauptet sich, als einzige weibliche Stimme, gegen die geballte männliche Sangeskraft ihrer 4 Bühnenpartnersouverän, von denen sich Najmiddin Mavlyanov als burgundischer Ritter Vaudémont als ganz guter Tenor erweist, im Vergleich mit den tiefen Männerstimmen allerdings etwas abfällt. Seine Stimme ist kleiner und teilweise zu leise. Sie klingt zudem angestrengter und unnatürlicher, manchmal etwas dünn und fahl. Man nimmt ihm die Rolle als erlösender Geliebter Jolanthes nicht so ganz ab. Mavlyanov ist ganz gut und solide, aber ohne zu begeistern, gar zu berühren …und ganz ohne glänzenden Zauber. Dies ganz im Gegensatz zu den überragenden Bariton, Bass und Bass Bariton der andern drei russischen Sängern.
Der feurige und inbrünstige Schlussgesang aller Sänger mündet fast nahtlos über in den langanhaltemden Applaus des begeisterten Publikums.
2. Konzertteil Tschaikowsky: Sinfonie Nr. 5 e-Moll op. 64
Nach der Pause löste der erste Gastkonzertmeister Lorenz Nasturica-Herschcowici (leitet das Stradivari-Ensemble des Mariinsky Theaters) Leonid Veksler als Konzertmeister ab. Nasturica spielt eine Geige von Antonio Stradivari, „Rodewald“ von 1713 und agierte, rein körperlich gesehen, viel intensiver als dies Leonid Veksler zuvor getan hatte. Diese sichtliche Spielfreude übertrug sich hörbar auch auf das Orchester, welches so wachgerüttelt und zu noch engagierterer Spielweise animiert wurde. Die Sinfonie beginnt mit einem kurzen Klarinettenintro, bevor das Leitmotiv von den Streichern aufgegriffen und im Dialog mit den „Kleinbläsern“ weiterentwickelt wird.
Wieder steht Gergiev ohne Podest inmitten seiner Musiker, würde sich am liebsten in die Streicher hineinwühlen, dirigiert auswendig – und nur schwer verständlich. Seine Hände fliegen zitternd durch die Luft, die Arme rudern, jeden Schlag gibt es mindestens fünfmal. Vielleicht hilft es ja seinen Musikern, dass er die Einsätze gerne mit lautem Atmen ankündigt. einmal mehr fällt der sehr eigenwillige Dirigierstil Gergievs stark ins Auge. Fast ständig lässt er seine Hände, Finger und Arme wild flattern, erinnert an einen Vogel, der nach dem Bad das Wasser aus seinem Gefieder schüttelt. Immer wieder führt Gergiev seine Hand an den Mund und bringt damit das Orchester zum plötzlichen Verstummen, schafft kraftvolle Pausen. Das Publikum im vollbesetzten Konzertsaal staunt und geniesst das vom russischen Vorzeigeorchester dargebotene Klangerlebnis
Es folgte ein langanhaltender, stürmischer Schlussapplaus, der schlussendlich in eine stehende Ovation gipfelte, worauf uns die Protagonisten als Zugabe mit dem «Blumenwalzer» aus dem Ballett «Der Nussknacker», ebenfalls aus der Feder des Komponisten des Abends, beglückten.
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: http://www.migros-kulturprozent-classics.ch/
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