Besetzung Musiker und Tänzer/innen:
Gitarre: Carlos Haro
Sängerin: Chelo Soto
Rezension:
Gitarristen wie Manitas de Plata (1921 bis 2014), geboren als französischer Roma namens Ricardo Baliardo, und dann vor allem der, als Francisco Sánchez Gómez, 1947 in Algeciras geborene und 2014 im mexikanischen Cancun verstorbene Paco da Lucia brachten den, vorher fast nur in Andalusien und dem restlichen Spanien bekannten, Flamenco auf die Bühne der Weltmusiken. . Danach haben sich die Zeiten aber drastisch geändert: Am 16. November 2010 wurde der Flamenco von der UNESCO zum «Immateriellen Weltkulturerbe» erklärt und inzwischen gibt es in Japan mehr Flamencoschulen als in Spanien selbst.
Grundsätzliches zum Flamenco
Für viele steht der Flamenco synonym für die Musik Spaniens – dabei wurden dort die leidenschaftlichen und schmerzvollen Klänge lange Zeit ebenso abgelehnt wie ihre Urheber, die „Gitanos“ genannten andalusischen Roma. Über Jahrhunderte hinweg wurden sie unterdrückt und verfolgt. Ihre Gefühle von Verzweiflung und Wut, aber auch überschäumender Lebensfreude, drückten sie zunächst allein im Gesang aus. Erst später gewannen Tanz und Gitarrenbegleitung an Bedeutung
Die «Plaza de las Flores», verstecktes Kleinod inmitten des Zentrums von Malaga
Nicht auf den ersten Blick auffindbar, sondern fast etwas versteckt in einer kleinen Nebenstrasse des Prachtsboulevards von Malaga, der «Calle Marqués de Larios», liegt die «Plaza de las Flores», wo sich u.a. das Restaurant «El Gallo Ronco» mit seiner Dépendance, dem «CalYCanto», befindet. Nebst Speis und Trank kann man sich hier freitags und samstags jeweils auch an zwei Flamencoshows erfreuen.
Gutes Omen: Viele Einheimische als Zuschauer
Nach dem persönlichen, sehr herzlichen Empfang durch die Dame des Hauses, Pilar Ruano, die mich auch an den für mich reservierten Tisch führte, harrte ich der Dinge die da kommen sollten. Die Tische waren aufgereiht rund um eine kleine Bühne, die für die Künstler vorgesehenen war. Von denen erschien als erster Gitarrist Carlos Haro, der sich auf der Bühne einrichtete, sich anschliessend in einer Ecke des Raumes hinsetzte, sein Instrument stimmte und sich nebenbei mit einem Gast angeregt unterhielt. Nach und nach kamen weitere Gäste für das Nachtessen und um sich anschliessend die Show anzusehen. Gutes Omen: die Anzahl Touristen im Verhältnis zu den Einheimischen, hielt sich in etwa die Waage.
Beginn der Flamencoshow
Dann enterten die Künstler die Bühne, setzten ich auf die dort platzierten Stühle Gitarrist Carlos Haro zupfte kurz an den Saiten, setzte 2 3 typische Flamenco Riffs und schon begann die Show. Sängerin Chelo Soto setzte an zum ersten Lied, welche mittels Partituren vorgegeben sind, oder die die Interpretin ganz spontan nach ihrem Gusto improvisiert. Chelo Soto hat eine sehr einzigartige Stimme, die fürs „Flamenco Wehklagen“ perfekt geschaffen ist. Ihr intonierter Seelenschmerz wurde nach und nach durch Händeklatschen und, oder Fingerschnippen der beiden Tänzerinnen unterstützt und in den typischen „Flamenco Rhythmus“ geführt. Das Publikum war unmittelbar berührt durch diese Interpretation, spendete entsprechenden stürmischen Beifall.
Die Tänzerin, Herzstück des heutigen Flamencos
Als erste Tänzerin brachte Sandra Cisneros ihre Gefühle auf dem Parkett zum Ausdruck. Zum Flamenco gehören nicht nur das Tanzen, sondern auch die Geräusche: das Absatzklackern oder das Schnalzen. Dazu klatschen die Protagonisten auch in die Hände, um den Rhythmus zu unterstützen. Das maschinengewehrartige Klacken der Flamenco-Fussschläge, die, repetitiv-orgiastisch und dann abrupt endend, in der schnellen Abfolge ein ratterndes Maschinengewehr und damit Bilder assoziieren von Gewalt und Angst, Täter und Opfer, Kampf und Überleben. All dies mit Gestik, Mimik und vor allem mit eleganten, fliessenden Bewegungen auszudrücken ist die grosse Herausforderung für die Künstler. Erschwert wird das Ganze noch dadurch, dass die Sängerin den „Canto“ variiert, also keinesfalls immer gleich interpretiert. Da ist grosse Antizipation der Tänzerin unabdingbar. Das alles beherrscht Sandra Cisneros in Perfektion.
Das Auditorium belohnt die Künstler mit langanhaltendem, stürmischem Applaus und mit Bravorufen.
Auch die zweite Tänzerin wusste zu begeistern
Dann ist die Reihe an Ana Pastrana, ihre hohe Kunst zu demonstrieren. Die heftigen Attacken der Flamenco-Fussschläge. Düstere, körperintensive Antworten des Leidens, heftige Zeichen des Ringens, des Fliehens und des Widerstandes, ineinanderfliessende, sich auseinanderentwickelnde, gestisch suggestive Wechselbilder. Kaum Sound, der das Geschehen unterlegt – stattdessen die Flamencoschritte, das Atmen der Tänzerinnen. Schnell ist man in den Bann gezogen von diesen dichten Figurenbildern und getanzten Reflexionen, die eine konstant anhaltende assoziative Spannung auslösen. Der Flamenco treibt an, ist Rhythmus, gibt Kraft, löst sich auf, wird leise, zur Waffe: Ein intensiv gesteigertes Tanzgeschehen, das seine eigene, höchst wandelbare Sprache findet. Er steht auch für extreme Fussarbeit, für eine grosse physische, willensstarke Präsenz im Raum. All dies kombiniert fasziniert audiovisuell, nimmt dich mit in eine andere, irreale Welt des Genusses, aber auch der Tragik, himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. zurück in der realen Welt, ertönt eine Applauskaskade, der die Künstler für das Gebotene belohnt.
Nachwuchstalent als freudige Überraschung
Gitarrist Carlos Haro rief daraufhin einen jungen Mann mit Gitarre auf die Bühne und zusammen performten sie auf ihren Gitarren, dass es einer Freude war. Sehr zum Erstaunen des Publikums überliess dann Carlos Haro die Bühne dem jungen Mann alleine und dieser brachte, zusammen mit der Sängerin und den Tänzerinnen einen Flamenco auf die Bühne. Das Auditorium war begeistert und bejubelte die Künstler entsprechend. Auf Nachfrage war zu erfahren, dass es sich bei diesem 14jährigen jungen Mann um David Sanchez, Sohn der Tänzerin Ana Pastrana handelte. Alles in allem ein gelungener Abend in angenehmen Ambiente mit netter Bedienung, zudem zu moderaten Preisen, also keineswegs eine „Touristenfalle“.
Nachtrag Grundsätzliches zu den Finessen der Flamencotradition
In der Musik der andalusischen Gitano tauchten Anfang des 19. Jahrhunderts Lieder mit der Bezeichnung «Seguiriya» auf – die der Gitanos für «Seguidilla» .Mit dem Übergang in die musikalische Tradition der Gitano-Familien hatte sich ihr Charakter jedoch verändert: Aus dem fröhlichen Volkslied war ein langsames, von Tragik und Schmerz geprägtes Gesangsstück geworden und nicht wenige vermuten, dass dieser Gesang auf denjenigen der sogenannten Klageweiber zurückgeht. Händeklatschen zur Unterstützung des Rhythmus spielt eine große Rolle, besonders bei den Einlagen der Tänzerin oder des Tänzers. Ferner setzen die Sänger Pausen und zerlegen die Copla in mehrere Sequenzen, Tercios.
Sie akzentuieren durch Zwischenrufe, Lalias, und durch melismatisch gesungene Vokale. Für einen Zuhörer, der damit nicht vertraut ist, ist ein derart zerstückelter Text schwer verständlich. Für einen guten Flamenco-Auftritt braucht es drei Künstler. Wie Paco de Lucia es einmal in einem Lied so schön ausdrückte, braucht es „für ein Fest drei Personen — eine die singt, eine die spielt und eine die tanzt“. Wenn man einen wirklich guten Flamenco-Auftritt möchte, dann braucht man Gitarre, Gesang und Tanz. Tanz muss von Gitarre und Gesang begleitet sein.
Gitarre allein oder mit Gesang, das geht, aber der Tanz kommt nur richtig zur Geltung, wenn er durch eine Gitarre und Gesang begleitet wird.
Außerhalb Spaniens bringt man Flamenco vor allem mit Tanz in Verbindung. Für Spanier und ganz besonders für die Flamencos selbst aber, wie die Künstler und Liebhaber genannt werden, ist das Wichtigste der Gesang. Dieser „cante“ ist eine raue, orientalisch anmutende Klage, die ursprünglich unbegleitet vorgetragen wurde. Der Tanz, el baile, war lange Zeit allein Sache der Frauen. Er gewann vor allem in der Zeit der cafés cantantes von 1850 bis 1936 an Bedeutung, als diese speziellen Flamenco-Lokale populär wurden. Das Gitarrenspiel, el toque, ist für öffentliche Auftritte schon im 16. Jahrhundert nachweisbar. Bei ihren privaten Festen, juergas genannt, begleiteten sich die Gitanos aber nur mit den Mitteln des „son“.
Also Tönen, die man mit dem Körper erzeugen kann: Man klatscht in die Hände, klopft den Rhythmus mit den Knöcheln auf einen Tisch oder unterstützt ihn mit Fingerschnalzen. In der Ära der „cafés cantantes“, die von 1850 bis 1936 reicht, änderte sich das. Diese speziellen Flamenco-Lokale, zum Teil aus Ballettschulen und Tanztheatern hervorgegangen, machten ein großes Publikum mit dem Flamenco vertraut.
Erst um 1850 begann sich die Begleitung auf der Gitarre durchzusetzen. Heute ist sie längst eine eigenständige und hochvirtuose Kunst. Flamenco ist auch der Ausdruck des weiblichen Stolzes, des Willens und das Wichtigste im Leben – nämlich die Seele zu erspüren und auszudrücken.“
Kurzer Videotrailer:
Kleine Fotodiashow rund um den Event:
Text und Fotos: www.leonardwuest.ch
Einige Fotos aus dem Internet
Fotos: http://www.elgalloronco.com/en/home/
Homepages der andern Kolumnisten: annarybinski.ch https://noemiefelber.ch/
www.gabrielabucher.ch Paul Ott:www.literatur.li