Autoren William Shakespeare, Thomas Hürlimann
Regie & künstlerische Leitung Barbara Schlumpf
Musik Christov Rolla
Bühne, Raum, Bild Niklaus Reinhard, Barbara Schlumpf, Anna Maria Glaudemans
Kostüme Tanja Liebermann, Yvonne Forster
Regieassistenz Rafael Gil
Bau, Infrastruktur, Organisation Othmar Rütti, Kurt Christen, Marianne Zwahlen
Produktionsleitung Die Waldstätter AG, Christoph Risi
Ensemble:
Sargtoni Nik Meyer Hexe Verena Stämpfli Meier
Zweite Hexe, DJ, Chorführerin Liselotte Schleiss
Dritte Hexe, Eistänzerin und DJ Soley Tobler
Vierte Hexe Liselotte Schleiss Orsino Arianit Shaqiri
Valentin, Orsinos Vertrauter Andrea Schneeberger
Fabian, Orsinos Page Samantha Aquilino
Höfling-1, Hofstaat / Balthasar / Curio Philip Hecht
Höfling-2, Hofstaat / Kaspar Bernhard Kesseli
Höfling-3, Hofstaat / Melchior Röbi Giger
Schneider Maria Holenstein Hecht
Viola / Cesario / Sebastian Jeanine Gut
Kapitän Delfin / Ente Flurin Cabalzar
Hirsch Trudi Wahlen Sir Andrew Aguecheek Wolfgang G. Kirisits
Toby Junker Guido Carlin Luise Junker Sabina Scherer
Gräfin Olivia Tina Frank Maria Diana Loup
Malvolio Uwe Peter Eisbär Maria Holenstein Hecht
Sebastian Samantha Aquilino Eistänzer Nils und Lilly Frank
Rezension:
Liebeschaos auf dem Eisfeld
Der Sommer will nicht so recht dieses Jahr, auch am vergangenen Dienstag, anlässlich der Premiere des Freilichtspiels «Was ihr wollt» hielt er sich bedeckt. Das ging aber schnell vergessen, umso mehr als man ja mit einem Eisfeld und einem bunten Haufen Schlittschuhfahrern konfrontiert wurde.
Traumhafte Möglichkeiten
Thomas Hürlimanns Komödie nach William Shakespeare «Twelfth Night; or What You Will» beginnt an einem Sommerabend. Tobi Junker, ewl-Angestellter in Hawaii-Hemd, kurzen Hosen und Flip-Flops, will noch kurz was trinken nach seinem anstrengenden Bürotag und bevor er in die Fänge seiner Frau Luise gerät. Er trifft auf Sargtoni, der ist Pächter der Eisbahn, und auch noch ein bisschen mehr und der macht gerne «Nägel mit Köpfen». Und wie es langsam Abend wird über der Eisbahn im ewl-Areal, verwandelt sich alles in einen irren Traum, alles wird möglich, auch das Unmögliche. Damit spielt Hürlimann vortrefflich 90 Minuten lang, zusammen mit der Regisseurin Barbara Schlumpf und einem tollen Ensemble.
Wer ist wer
Wie bei Shakespeare wird auch bei Hürlimanns Bearbeitung übers Kreuz geliebt: die einen lieben jene, welche eigentlich andere lieben, alle lieben auch irgendwie die Gräfin Olivia. Zudem sind einige nicht wirklich die, die sie zu sein vorgeben. Zum Beispiel Viola, die nach einem Schiffbruch an Land gespült wird, das heisst, einer riesigen Muschel entsteigt, welche übers Eis daherkommt. Sie verwandelt sich zum Pagen Cesario, um einerseits in der Nähe ihres angebeteten Herzogen Orsino zu sein, andererseits soll sie aber auch bei der Gräfin für den Herzog werben. Diese verliebt sich aber in Cesario/Viola. Das Liebes-Durcheinander wird noch grösser, als der totgeglaubte Zwillingsbruder Violas, Sebastian, auftaucht und nun für Cesario gehalten wird. Das hilft nicht wirklich, oder nur insofern, als dass es noch mehr Verwechslungsszenen erlaubt.
Rasante Abgänge
Jeden Faden dieser Geschichte hier aufnehmen zu wollen, würde den Rahmen sprengen und wer seinen Shakespeare kennt, weiss, worum es geht und wohin. In Luzern geht’s aber nicht, da gleitet es, auf Kufen. Nicht alle sehen gleich sicher aus auf ihren Schlittschuhen, ein paar Abgänge sind ein bisschen gar rasant, ein paar Beine noch etwas wacklig und die heiligen drei Könige scheinen heilfroh zu sein, mal Stühle vor sich herschieben zu können, sozusagen als Geh- oder hier wohl eher Gleithilfen.
Das Liebeschaos ist gespickt mit schrägen Einlagen. Der Delphin, welcher Viola gerettet hat, mutiert zur Ente, verarbeitet diesen Prozess in einem hochphilosophischen Monolog und verliebt sich in den Hirsch. Dieser singt «es schneielet es gweihelet», die beiden finden sich, wie sich auch andere finden, auch solche, die sich nicht unbedingt gesucht haben. Kutschen fahren auf, der rote Teppich wird ausgelegt, eine Gondel wird hergeschleppt, Nebel kriecht über das Eisfeld, der Eisbär ebenfalls und ein paar Tannen kommen von links angefahren. Anfänglich mischen sich noch reale Krähen und Mauersegler lautstark ins Geschehen, dann legt sich die Nacht übers Eisfeld. Urkomisch und auch uralt sind die unsäglichen Schlager aus der Jukebox. Wenn man denkt, schlimmer geht’s nicht, dann gibt’s noch einen drauf. Von «Junge, komm bald wieder» über «aber dich gibt’s nur einmal für mich» bis zu «Ein Schiff wird kommen» folgt eine Schnulze nach der anderen und es überkommt einen etwas zwischen kaltem Grauen und Hühnerhaut!
Happy End für fast alle
Kurz, verwirrend und verwirrt zusammengefasst: Luise findet ihren Junker, beide werden ins Geschehen eingebunden, die drei Könige erzählen noch schnell die Weihnachtsgeschichte und erklären den Ursprung des Wortes «Halleluja», bevor sie sich wieder auf die Walz begeben. Der mutierte Delphin, d.h. die Ente kriegt ihren Hirsch mit dem Bürstengeweih, Olivia ihren Cesario, der ja eigentlich Sebastien ist und Viola schlussendlich dann doch noch ihren Herzog Orsino. Nur der Haushofmeister Malvolio bringts irgendwie zu nichts, ausser zu Lachern seitens des Publikums für seine tollpatschigen Aktionen. Und der Sargtoni, der wird sie alle irgendwann kriegen, wenn auch nicht an diesem nicht ganz lauen Sommerabend in Luzern.
Shakespeare hätte wohl seine helle Freude gehabt an Hürlimanns Version, am Wortwitz in Dialekt, Hochdeutsch und einigen Sprenkeln Englisch. Lockere Sprüche, und unverblümt-umgangsprachliche Ausdrücke verleihen dem Ganzen die nötige Würze und zudem einen familiären Charakter. Die Spieler meistern den Kraftakt von Schlittschuhlaufen und gleichzeitig spielen mit Bravour, auch wenn das Schlittschuhlaufen da und dort noch perfektioniert werden könnte. Aber Spielfreude zeigen sie alle, Profis und Laien. Das Publikum kam in den Genuss einer bunten Palette an herrlichen Bildern und bedankte sich dann auch mit langanhaltendem Applaus.
Text: www.gabrielabucher.ch Fotos: https://www.freilichtspiele-luzern.ch/was-ihr-wollt.html
Kleine Fotodiashow der Produktion von Emanuel Wallimann: