Besetzung: Support Act Diana Birch, Bryan Ferry und Band
Rezension:
Diana Birch, die 36jährige Amerikanerin hatte keinen leichten Stand als Support Act, strömten doch noch während ihres Auftritts verspätete Konzertbesucher nicht ganz geräuschlos in den Konzertsaal. Auch ihr relativ monotones Set, war nicht wirklich inspirierend, man wartete mehr oder weniger ungeduldig auf den Main Act und war erleichtert als diese die Bühne enterten, beklatscht vom erwartungsvollen Publikum Gentleman Bryan Ferry bot, zusammen mit acht Mitmusikern und einem jungen Backgroundgesangspärchen, ein grandioses Konzert im erstaunlicherweise nicht ganz ausverkauften, aber gut besetzten Konzertsaal des KKL in Luzern. Da wurde live gespielt, mit richtigen Instrumenten und richtig guten Songs mit einem satten, ehrlichen authentischen Sound, viel Groove und jeder Menge Spielfreude.
Wo Ferry drauf steht ist Live Musik drin
Da gabs nicht, wie bei den meisten hochgejubelten YouTube „Stars“ zu 90 % Playback und unzählige Viedeozuspielungen und vielleicht grad mal 10% Eigengesang wie heutzutage offensichtlich üblich, nein, da standen Vollblutmusiker auf der Konzertbühne, gestandene Weggefährten des 74jährigen Engländers, dessen Karriere in den 1970er Jahren als Mitgründer, Komponist und Leadsänger der Artrock Band „Roxy Music“ ihren Anfang nahm, ebenso wie zwei junge Damen, wovon die eine ihre verschiedenen Saxophone sehr virtuos zu benutzen wusste, wie sie mit ein paar Soli unterstreichen konnte. Dazu eine Violinistin erster Güte, die dem Gesamtklang mit ihren Einlagen noch den ganz besonderen Touch verlieh. Überhaupt äusserst sympathisch, wie der in einem Anzug mit blauem Hemd und Krawatte agierende Bandleader – Sänger, nicht ständig nur sich in den Mittelpunkt des Geschehens stellte, sondern seinen Mitmusikern ausreichend Gelegenheit gab, auch ihre individuellen musikalischen Qualitäten zu demonstrieren, was diese denn auch gekonnt nutzten.
Start ins Set mit Songs aus der Roxy Musik Aera
Zuerst gabs drei Songs aus der Roxy Music Zeit, gestartet wurde mit „In Every Dream Home a Heartache“, gefolgt von „Out of the Blue“ und „The Space between“. Der Sänger mit der brüchigen Stimme und dem unverwechselbaren Vibrato spielt im ersten Teil des rund eineinhalb Stunden langen Konzerts nicht nur die bekannten Songs, sondern auch sperrige Raritäten aus der Frühphase von Roxy Music. Damals war auch Soundtüftler Brian Eno noch an Bord, die Band ebnete mit düsteren Zwischentönen und subtilen Texten späteren New-Wave-Bands den Weg. Zum Beispiel mit „Every Dream Home a Heartache“, einem Song über einen luxusliebenden Lebemann, der in devoter Haltung eine Beziehung mit einer Gummipuppe beginnt. „I blew up your body / But you blew my mind.“
Am Ende folgt die Greatest-Hits-Show
Der erste große Hit des Abends ist „Slave to Love“. Der Prototyp eines Popsongs à la Ferry. Der Text dreht sich ums Begehren und Besitzen. Ein sphärisch anmutendes Gitarrensolo führt sanft in den Song ein. Der Background-Gesang verleiht dem Sound eine Prise Soul, was im gewollten Kontrast zur brüchigen Stimme des Altmeisters steht, die immer ein bisschen nach Film-Bösewicht klingt. Ferry und Band variieren im Laufe des Abends immer wieder den Sound, spielen einen düsteren Song aus der Serie „Babylon Berlin“ und auch Blues und Country klingen an. Beschwingte Nummern wie die Coverversion von Bob Dylans „Just Like Tom Thumb’s Blues“ gelingen ihnen besonders gut.
Und wenn der Popstar in die Mundharmonika, Bluesharp, bläst, schleicht sich das Gefühl ein, er käme aus den amerikanischen Südstaaten und nicht aus dem nordenglischen Kohlepott. Als nach rund einer Stunde zwei große Diskokugeln von der Decke hinabschweben, beginnt endgültig die Greatest-Hits-Show. Manche Songs, etwa „More Than This“und „Avalon“ spielt Ferry nur auszugsweise. Die Begeisterung ist dem lässig über die Bühne schreitenden Mann in blauen Anzug und Krawatte trotzdem gewiss. Der 74-Jährige wirkt zufrieden mit sich und seinem Werk. Noch immer ein bisschen Dandy, vor allem aber Gentleman – nämlich dann, wenn er vom Publikum gefeiert wird und freundlich winkend reagiert. Das meist etwas in die Jahre gekommene Auditorium feiert eines ihrer Popidole ausgiebig mit Applaus garniert mit vereinzelten Bravorufen.
Das immense Repertoire des Altmeisters
Bryan Ferry kann natürlich aus dem Vollen schöpfen, umfasst sein Solo-Repertoire alleine schon 15 Studioalben. Dazu kommen acht weitere Platten mit Roxy Music, von denen auch seine grössten Hits stammen – etwa «Love is the Drug», «Dance Away» oder das berühmte John-Lennon-Cover von «Jealous Guy», das er seinen Fans eigentlich bei keinem Konzert vorenthält. Zu einem Ferry-Konzert gehören immer beide Standbeine seiner über 40-jährigen Karriere. Und natürlich sein Charme, den er auch im Alter von 74 Jahren noch versprüht. Kombiniert mit einem starken musikalischen Statement, war dies das Erfolgsrezept, das vom Publikum entsprechend gewürdigt wurde, sodass dieses schlussendlich mit nicht weniger als drei Zugaben belohnt wurde, die letzte davon wurde natürlich stehen applaudierend genossen.
Text www.leonardwuest.ch
Fotos: http://www.abc-production.ch/index
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