Besetzung und Programm:
Luzerner Sinfonieorchester und junge Musikstudierende der Hochschule Luzern als Solisten
Luzerner Sinfonieorchester
Mei-Ann Chen, Leitung
Alexander Glazunov (1865 – 1936)
Violinkonzert a-Moll op 82
Lucie Koci, Violine
Klasse Igor Karsko
Ernest Chausson (1855 – 1899)
Poème op. 25 für Violine und Orchester
Meghan Nenniger, Violine
Klasse Sebastian Hamann
Bohuslav Martinů (1890 – 1959)
Oboenkonzert H 353
Aliya Battalova, Oboe
Klasse Ivan Podyomov
Rezension:
Eine der Besonderheiten des alljährlichen Solistenkonzertes ist u.a., dass immer eine Gastdirigent/in die Leitung hat, diesmal Mei – Ann Chen, anstelle von Chefdirigent James Gaffigan. Beschrieben als: Innovativ, leidenschaftlich, und kraftvoll: So präsentiert sich die in Taiwan gebürtige amerikanische Dirigentin Mei-Ann Chen. Seit 2011 ist sie Musikdirektorin der mit dem Mac Arthur-Preis ausgezeichneten Chicago Sinfonietta, seit 2016 zudem Künstlerische Leiterin und Chefdirigentin des National Taiwan Symphony Orchestra Summer Festival. Sie begeistert ihr Publikum durch ihre energiegeladene und mitreißende Orchesterführung auf höchstem Niveau. Ihr Renommee als überzeugende Gastdirigentin beschert ihr sowohl national wie international gesteigerte Aufmerksamkeit
Vorab: für mein Gusto animierte sie ab und zu das Orchester zu übertriebener Lautstärke, sodass einige Solistinnen fast erdrückt, überspielt wurden, schade.
1. Glazunov Violinkonzert a-Moll op 82Lucie Koci, Violine
Das Konzert ist, obwohl es unterteilt werden könnte, ein ungebrochenes Ganzes. Die Form ist ungewöhnlich und erweckt den Anschein, als ob der langsame Satz (Andante sostenuto) in der Mitte des ersten Satzes eingebaut ist. Das Moderato beginnt mit dem wunderbaren Dolce-espressivo-Thema in der Solovioline, das nach einer kurzen Vorbereitung in den Klarinetten und Fagotten erklingt. Es ist ein typischer spätromantischer Satz, der durch endlose Phrasen und einen reichen Orchesterklang geprägt ist. Schon zu Beginn scheint jene punktierte Figur auf, die im gesamten Werk immer wieder verwendet wird. Das erste, „russische“ Thema und das lyrische zweite Tranquillo-Thema kontrastieren zueinander. Das Thema des Andante sostenuto beginnt mit jener punktierten Figur in der Solovioline, die das erste Mal bereits am Anfang des Konzerts erscheint. Dieser Satz ist ab dem ersten Ton sehr expressiv, hier kann der Solist all seine Leidenschaften ausdrücken. Das Thema wird zuerst auf der G-Saite gespielt, um eine dunklere Klangfarbe zu erhalten. Das Andante sostenuto endet mit zwei Pizzicato-Akkorden in der Solovioline. Die Reprise des Moderato ist mit virtuosen Passagen in der Solovioline angereichert, zu finden sind auch Doppelgriffe (Sexten und Oktaven) und Dreiklänge. Vor dem Ende des Satzes kommt die Reprise des zweiten Themas; dieses Mal im tiefen Register, nämlich auf der G-Saite. Mit einer Passage leitet die Solovioline die Kadenz ein. Die Kadenz ist ziemlich lang, wenn man sich die Länge des gesamten Werkes vor Augen hält. In der Kadenz finden sich viele Doppelgriffe und sie ist sehr anspruchsvoll zu spielen. Jedoch ist sie nicht virtuos, denn es scheinen keine schnellen Läufe auf – ausgenommen das Animato vor dem Ende, das direkt zum Finale führt. Sie ist sehr expressiv und ausdrucksvoll, für mich der schönste Teil des Werks. In der Kadenz wird zunächst das Tranquillo-Thema des ersten Satzes aufgegriffen. Dessen Melodie erscheint sogleich in variierter Weise, sie ist mit Vorschlägen und gebrochenen Akkorden angereichert. Am Ende jeder Phrase ist ein kurzer Lauf hinzugefügt, durch seine kurzen Sechzehntelnoten einen Kontrast zum Thema darstellt. Gleich nach dem zweiten Lauf folgt – auch variiert – das Thema des Satzanfangs und wird mit Pizzicato-Akkorden abgeschlossen. Nach dem Pizzicato folgt das in seiner Melodik und Rhythmik unveränderte Thema, allerdings in einer anderen Tonart. Danach wird es zweistimmig variiert. Nahezu die ganze Kadenz ist im polyphonen Prinzip gestaltet. Die Notenwerte der unteren Stimme werden immer kürzer, je weiter die Kadenz voranschreitet. Der Übergang (das Animato) zum letzten Satz klingt schließlich so, als ob der Solist Triller spielen würde, obwohl alle Noten genau notiert sind. Mit dem letzten, wilden Lauf leitet die Solovioline direkt ins Finale über. Lucie Koci lotete das Werk sehr emotional aus, unterstützt vom kongenialen Orchester angetrieben von der sehr animiert leitenden chinesischen Dirigentin. Entsprechend durften die Musiker, insbesonders die Solistin, einen langen, stürmischen Applaus geniessen.
2. Chausson Poème op. 25 für Violine und Orchester Meghan Nenniger, Violine
Etwas Pech mit der Werkauswahl hatte nie nun folgende junge Kanadierin. Obwohl technisch mindestens so fordernd wie die vorherige Komposition, ist sie im Aufbau halt nicht so spektakulär, was nach der fulminanten Demonstration von Lucie Koci zwangsläufig etwas bieder wirken musste. Dem Kenner des nicht so bekannten Werkes aber erschloss sich schon, welch grossartige Interpretation. Man hörte auch, dass an den HSLU Solisten Meisterklassen Klanggefühl und Strukturbewusstsein genauso an der zeitgenössischen Musik geschult werden wie am kanonischen Repertoire. Das Ganze klang erdiger, vibrierender und zugleich dunkler und fahler, aber nicht weniger voluminös im Klang, als bei der vorherigen Solistin. Der Applaus kam mit etwas Verspätung, da die wenigsten das Stück kannten, also nicht merkten, dass es fertig gespielt und zudem das Finale eher unspektakulär gestaltet ist. Die eher introvertierte Künstlerin bewegte sich auch zurückhaltender, im Gegensatz zu der extrovertierten jungen Tschechin, die vor ihr aufgetreten war.
3. B. Martinů, Oboen Konzert H 353, Aliya Battalova, Oboe
Die Oboe, nicht grad mein bevorzugtes Soloinstrument, ausser in der Barock Musik insbesonders bei Vivaldi, war nun an der Reihe. Mit ihren charakteristischen harmonischen Verläufen und synkopierten Rhythmen präsentieren die drei Sätze stark kontrastierende Materialien. Ein heller und fröhlicher Eröffnungssatz sorgt schließlich für eine Stimmung expressiver Lyrik, die auch den langsamen Satz mitbestimmt. Das Klavier, das in vielen Orchesterwerken von Martinů eine wichtige Rolle spielt, leitet den Schlusssatz ein. Die Lyrik wechselt sich mit lustigeren Episoden ab und führt das Werk zu einem fröhlichen und virtuosen Abschluss. Die Kasachische Solistin brillierte mit ihrer Fingerfertigkeit, setzte ihre Läufe todsicher, trotzdem variantenreich im Ausdruck, immer der Intuition des Komponisten treu. Das auch hier manchmal wieder zu laute Orchester, war für die Oboe ein kleineres Problem als für die Violinen zuvor, ist das Instrument doch per se lauter und aggressiver im Ton. So vollbrachte die Solistin ihr Debut mit Bravour, wofür sie den verdienten grossen Applaus erhielt, der natürlich auch ihre Mitmusiker einschloss.
Link auf Solistenkonzert, 2. Teil
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: sinfonieorchester.ch/home und www.hslu.ch
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