Besetzung und Programm:
Luzerner Sinfonieorchester
Christian Tetzlaff, Leitung und Violine
Steven Isserlis, Leitung und Violoncello
Radu Lupu, Klavier
Brandenburgisches Konzert Nr.3 G-Dur BWV 1048
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Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)
Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 D-Dur KV 211
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Robert Schumann (1810 – 1856)
Drei Romanzen op. 94 für Violoncello und Klavier
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Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 23 A-Dur KV 488
Rezension:
Christian Tetzlaff, Violine, Steven Isserlis, Violoncello und dazu noch Radu Lupu am Klavier im gleichen Konzert, ergänzend unterstützt von einem absoluten Spitzenorchester wie dem Residenzorchester des KKL Luzern ( ehemals Luzerner Sinfonieorchester), diese Affiche lässt träumen. Wenn sich dann noch Tetzlaff und Isserlis in der Leitung abwechseln, verspricht das einen aussergewöhnlichen Konzertabend. Diese Konstellation gabs aber in Realität an diesem schwülen Frühsommerabend im Konzertsaal des KKL in Luzern. Jeder einzelne dieser Solisten hätte schon ein volles Haus garantiert, nicht erstaunlich also, dass vor vollen Rängen Musik zelebriert wurde.
Brandenburgisches Konzert Nr.3 G-Dur BWV 1048, J S. Bach
Eine, zu Bachs Zeiten, für diese Konzertart übliche Kleinformation stellte sich zuerst auf der Bühne auf. Das Cembalo in der Mitte, darum im Halbkreis aufgestellt, drei Violinen, drei Bratschen, drei Celli und ein Basso continuo. Beim ersten der insgesamt sechs kleinen Stücken bleibt das Cembalo äusserst diskret, fungiert nur als reines Begleitinstrument, umso mehr können sich die Streicher, in wechselnder Abfolge, als gute Improvisatorinnen profilieren, wofür die Werke auch konzipiert sind.
Beim zweiten „Pièce“ überlässt der Komponist, damals am Hof des Fürsten Leopold von Anhalt – Köthen als glücklicher Hofkapellmeister tätig, das Feld dem Cembalo. Für die restlichen vier lässt er die Streicher wieder rotieren und das kann man durchaus wörtlich nehmen, sind sie doch alle Rondo mässig gefasst und gehen durch den Raum, so ein englischer Musikwissenschaftler, wie „the mexican wave“, bei uns bekannter als die „La Ola Welle“ in Sportstadien.
Dem Publikum gefiel das intime, barocke Kleinkunstwerk und so belohnte es die Musikerinnen mit langanhaltendem, respektvollem Applaus.
Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 D-Dur KV 211, W. A. Mozart
Darauf war ich ganz besonders gespannt, hatte ich das Werk doch vor knapp fünf Wochen, auch im KKL, von Anne Sophie Mutter mit dem Kammerorchester Wien – Berlin geniessen dürfen Und nun in gleicher Rolle, an gleicher Stätte, dieser polarisierende, Christian Tetzlaff, der auch schon «Artist in Residence» bei den Berliner Philharmonikern war, der den Notentext wörtlich nimmt, die Musik als Sprache versteht und die grossen Werke als Erzählungen liest, die existenzielle Einsichten spiegeln. Er hat also eine völlig andere Herangehensweise als die knapp drei Jahre ältere Renommiergeigerin, die vom musikalischen Ansatz heraus agiert, sich in den Komponistin hineinfühlen will, somit teilweise etwas gar brav und bieder wirkte.
Wenn der Interpret den Komponisten prägt
Mein Fazit vorab, die Interpretation von Tetzlaff passt mir besser, was aber nichts mit technischem Können oder so zu tun hat, mir liegt seine Bühnenpräsenz ganz einfach mehr, frecher und frischer als manch anderer, näher an der Linie des jungen, etwas aufmüpfigen Mozart, der an der Sache sicher seinen Spass gehabt hätte. Tetzlaff prägt Mozart mehr, als Mozart ihn prägt, was durchaus als Kompliment gemeint ist. Das Auditorium schien meine Ansicht zu teilen, liess es doch in seinem Schlussapplaus nicht locker, bis uns noch eine kurze Zugabe gewährt wurde. Nicht zu vergessen selbstverständlich das bestens aufgelegte Orchester, das dem Solisten den nötigen Notenteppich ausbreitete.
Drei Romanzen op. 94 für Violoncello und Klavier von Robert Schumann
Nun installierten sich Radu Lupu am Konzertflügel und Steven Isserlis am Cello auf der Bühne. Isserlich, der sich vorher bei den Cellisten des Orchesters als „normaler“ Musiker eingereiht hatte, zeigte sein brillantes solistisches Können in diesem musikalischen Kamingespräch mit dem rumänischen Pianisten, der ihm dabei den nötigen Support gab, indem er locker sanft feine Harmonien auf die Tasten setzte, aber sich nie in den Vordergrund spielte, sondern dem britischen Virtuosen mit der barocken Haarpracht von fast „Bachschem Ausmass“ gentlemanlike die Hauptrolle überliess. Lupu verstand es aber durchaus, mit filigran gesponnenen Zwischenläufen nicht in Vergessenheit zu geraten. Dieses kammerspielartige Zwiegespräch mit Noten wusste auch das Publikum zu überzeugen, ausgedrückt mit langem, starkem Applaus. Ein sehr dankbares Auditorium übrigens, das sich auch nicht zu schade war, den Helferinnen auf der Bühne, die zwischen den einzelnen Konzertteilen den Flügel hin – und herschieben, die Notenständer umplatzieren und die Noten ordnen mussten, mittels einen Applauses für ihren Anteil an einem gelungenen Konzert zu danken.
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 23 A-Dur KV 488, W. A. Mozart
Über zwei Minuten baut Mozart hier die Spannung auf, lässt das Orchester Fahrt aufnehmen, das Thema darlegen, entwirren wieder zusammenfügen, mal die Querflöte über die Streicher fliegen, mal sich die Oboe in den Vordergrund spielen, dann, erst dann, lässt er dem Solisten am Klavier Gelegenheit, sich ins Geschehen einzuspielen. Und dies nicht etwa mit einem Knalleffekt in Form eines brachial auf die Tasten gehämmerten Akkordes oder Akkordkadenzen, sondern fast flüsternd mit filigranen kurzen Läufen. Radu Lupu tut dies mit der gelassenen Abgeklärtheit des gesetzteren Virtuosen. So ganz nebenbei übernimmt er auch den Lead, dazu reichen ihm ein paar kleine Gesten, mal ein kurzes Kopfnicken, aber meistens kommuniziert er mit seinen Mitmusikern bloss per Augenkontakt. Ungewöhnlicherweise schrieb Mozart in diesem Konzert die Solokadenz aus, dem Solisten bleibt also kein Raum für individuelle Improvisation. Ebendiese exakt wiedergegebene Werktreue ist, nebst anderem, eine der grossen Stärken des 74jährigen Pianisten.
2.Satz: Mozart bricht die eigene Order
Im zweiten Satz, einem Adagio im Siciliana Takt, verstösst Mozart gegen seine eigene Order (in Concerten sollen lauter Andante und keine Adagio sein), wird die Melodie vom Soloklavier vorgestellt. Die bei Mozart seltene Tonart fis-Moll verleiht dem Satz einen besonderen Klang. Das Orchester stimmt in das Thema ein, anschließend intonieren Orchester und Soloklavier in gemeinsamer Klage das Hauptthema. Ein lichterer, zweiter Gedanke in A-Dur wird anschließend von einem Trio aus Flöte und zwei Klarinetten angestimmt und bei seiner Beantwortung vom Soloklavier doubliert. Dieser Umschwung währt jedoch nur kurz, da die Wiederholung des ersten Teils folgt. Das Thema erscheint hier in variierter und erweiterter Form. Bevor die Coda ertönt, wird der letzte Teil des Hauptthemas noch einmal von Klavier und Orchester variiert. Es handelt sich also um eine freie Anwendung der dreiteiligen Liedform. Der Satz verklingt mit einigen Piano Akkorden. Das sprunghaft einsetzende, optimistische Hauptthema in den Rondeau Schlusssatz steht in grossem Gegensatz zum vorherigen Adagio, ein Refrain mit zwei aufeinanderfolgenden, verschiedenen Themen, dessen erstes Couplet schnell von E moll zu E Dur moduliert wird. Radu Lupu wirkt nie auch nur aufs geringste angespannt, schüttelt seinen Part fast etwas emotionslos locker aus dem Ärmel, was seine Mimik aber negiert. Radu Lupu drückt seine Emotionen über seine Finger fast unmerklich aus, von der kleinsten Finesse bei der Lautstärke, beim Modulieren der Achtelnoten streichelt er förmlich das Elfenbein unter seinen Fingern und harmoniert grossartig mit dem souveränen Orchester, das ebenso viel Anteil hat an der grandiosen Umsetzung des Mozart Werkes.
Alles vom Feinsten, von A wie Bach bis Z wie Mozart
An diesem Konzert stimmte einfach alles. Die Werkauswahl, die Solisten und, vor allem auch, die Reihenfolge der dargereichten Preziositäten. Das begeisterte Publikum sah das auch so und spendete den Protagonisten einen stürmischen, langanhaltenden Applausorkan, der sich, nachdem alle Solisten wieder auf der Bühne waren, zu einer stehenden Ovation steigerte, die noch mit einer kleinen Zugabe belohnt wurde.
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: sinfonieorchester.ch/home
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