Produktionsteam und Besetzung:
Choreographie: Gustavo Ramírez Sansano Musikalische Leitung: Clemens Heil / William Kelley (06.10. / 08.11. / 10.11. / 16.11. / 20.11. / 31.12. / 25.01. / 02.02.) Bühne: Luis Crespo Kostüme: Bregje van Balen Licht: David Hedinger-Wohnlich Dramaturgie: Sarah Brusis
Aurélie Robichon (Carmen) (26.09.) Lisa Gareis (Carmen) Zach Enquist (Don José) (26.09.) Tom van de Ven (Don José) Andrea Thompson (Micaëla) (26.09.) Sandra Salietti (Micaëla) Giovanni Insaudo (Escamillo) (26.09.) Zach Enquist (Escamillo) Tom van de Ven (Wachmann) (26.09.) Giovanni Insaudo (Wachmann) Sandra Salietti (Tabakfabrikarbeiterin) Andrea Thompson (Tabakfabrikarbeiterin) Maria Eduarda Pereira Santos (Tabakfabrikarbeiterin) (26.09.) Phoebe Jewitt (Tabakfabrikarbeiterin) (26.09.) Igli Mezini (Zigeuner) (26.09.) Flavio Quisisana (Zigeuner) (26.09.) Gonçales Torres dos Reis (Zigeuner) (26.09.) Luzerner Sinfonieorchester Solo-Violine: Lisa Schatzman / Sergey Ostrovsky
Rezension:
Das Ensemble von Tanz Luzerner Theater hat einmal mehr eine neue Seite von sich gezeigt in «Tanz 31:Carmen.maquia». Das Ballett «Carmen.maquia» hat ausser der Geschichte wenig mit üblichen Carmen-Inszenierungen zu tun. Ungewöhnlich bereits, dass sich Instrumente einstimmen im Orchestergraben. Ungewöhnlich auch, dass Bizets Carmen hier zwar vom Luzerner Sinfonieorchester unter Clemens Heil live gespielt wird, aber ohne Gesang auskommt. Gustavo Ramírez Sansanos Neufassung seines 2012 uraufgeführten Balletts basiert musikalisch auf Bizets «Carmen Suites No. 1 und 2», sowie Kompositionen von Pablo de Sarasate und Andreas Nicolai Tarkmann. Und ungewöhnlich auch, dass dem Bühnenbild, inspiriert von Picasso, und den Kostümen jegliche Farbe fehlt; kein leidenschaftliches Rot, keine rauschenden Röcke, wie man es von Carmen erwartet, alles ist in schwarz-weiss gehalten. Aber die Bilder dieser ungewöhnlichen Carmen beeindrucken, begeistern und bleiben haften.
Leidenschaft auf Distanz
Der Vorhang hebt sich auf eine düstere Szene, Don José (Zach Enquist), steht allein auf der Bühne, windet und verbiegt sich, verwirft die Arme, schlägt sich mit den Fäusten in den Bauch, wie wenn er sich zu befreien suchte, ausbrechen wollte aus was auch immer ihn gefangen hält. Zach Enquist gibt einen überzeugenden Don José, leidenschaftlich, kämpferisch und doch verletzlich, verloren und vor allem chancenlos gegenüber der unglaublich starken Carmen. Aurélie Robichon ist diese Carmen und sie zieht alle Register ihres tänzerischen und schauspielerischen Könnens. Verführerisch, stolz, eigenwillig schiebt sie sich immer mehr in den Vordergrund des Geschehens. Sie spielt mit den Männern, zieht sie in ihren Bann, um sie wieder fallen zu lassen. In ihren Begegnungen mit ihnen bleibt sie aber trotz allem auf Distanz, lässt sie nie ganz an sich heran. Die Pas de deux erinnern denn teilweise auch mehr an Kämpfe als an innige Umarmungen und Verschmelzungen und ab und zu stehen die Körper in seltsamen Winkeln zueinander. Da ist zwar Leidenschaft, aber selten Hingabe, auch nicht zum Stierkämpfer Escamillo (Giovanni Insaudo), zu diesem auftrumpfenden Macho mit seinen leicht lächerlichen Posen.
Perfekte Harmonie
Sansanos Tanzsprache basiert auf grossen Gesten, ist oft temporeich, manchmal eckig, manchmal fast marionettenhaft, mit Anlehnungen an Flamenco. Bewegungen und Musik fliessen wunderbar ineinander, Arme zeichnen Flötentöne in die Luft, Geigensolis beschreiben sich biegende Körper, eine perfekte Harmonie. Trotz des drohenden Unheils, welches latent spürbar ist, gibt es durchaus amüsante Szenen, z.B. wenn die Tabakfabrikarbeiterinnen mit den Männern schäkern oder ihre Zickenkriege austragen. Das erinnert mal an Hühner und Hähne, mal an Puppen mit kaputten Gliedern.
Herrlich auch wie die beiden Wachmänner (Tom van den Ven und Carlos Kerr Jr.) sich in einer Art Schaulaufen gegenseitig auszustechen versuchen. Don Josés Ziehschwester Micaëla (Andrea Thompson) jedoch ist durch und durch zarte, scheue junge Frau, mit so vorsichtigen Bewegungen, dass sie fast zu gleiten scheint und ihre Unterwürfigkeit damit unterstreicht. Ergänzt und bereichert wird die Atmosphäre durch die wunderbaren Kostüme (Bregje van Balen). Die fliessend-fliegenden Röcke in schwarz-weiss umschmeicheln und begleiten jede Bewegung der Tänzerinnen.
Ein eindrücklicher Abend mit wunderbarer Musik, viel Leidenschaft aber auch einer latenten Traurigkeit. Das Premierenpublikum war – wie könnte es anders sein – hingerissen und honorierte die Truppe mit Standing Ovations.
Text: www.gabrielabucher.ch Fotos: luzernertheater.ch
Fotos: Gregory Batardon Luzerner Theater