Einfache Lösungen funktionieren nicht Hajo Schumacher über die Lehren aus den vergangenen Monaten und einen guten Vorsatz für 2013

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Berlin (ots) – Hajo Schumacher

Wenn das Jahr 2012 eine hilfreiche Erkenntnis bereithielt, zuletzt am 21. Dezember, dann die Einsicht, dass die Welt so schnell nicht untergeht. Der ebenso oft verwendete wie tumbe Satz, alles gehe den Bach runter, hat mehr mit bräsiger Bequemlichkeit zu tun als mit einer Analyse dessen, was ist. Natürlich: Von Bildung bis BER, von Schuldenpolitik bis Griechenland, von Verfassungsschutz bis Gaza – überall im Land lauern vielschichtige Probleme. Einfache Lösungen klingen attraktiv, funktionieren aber meistens nicht.

Wäre etwa ein Rauswurf Griechenlands aus dem Euro, vor Jahresfrist vielfach gefordert, tatsächlich der richtige Schritt gewesen? Oder hat das zugegebenermaßen nervenzehrende und nicht immer ganz ehrliche Hin und Her womöglich Schlimmeres verhindert, vor allem eine emotionale Eskalation mit unabsehbaren Folgen? Zu den ewigen Wahrheiten der Demokratie gehört, dass es keine Patentrezepte gibt, sondern mehr oder weniger gelungene Kompromisse. Regieren, zumal in hektisch-hysterischen Zeiten, bedeutet zunächst Abwarten, Analysieren, Tempo drosseln, statt dem ersten naheliegenden, medial aufgeblasenen Vorschlag hinterherzuhecheln.

Wie langwierig die Folgen ruckartiger politischer Entscheidungen verlaufen, zeigt die Energiewende. Von der romantischen Idee einer windradbasierten Industriegesellschaft bis hin zum Funktionieren des regenerativ getriebenen Wohlstands ist es ein langer, steiniger Weg, für den es keinen zuverlässigen Plan gibt, sondern nur mühsames und teures Stolpern durch Versuch und Irrtum. Bei allen Schwächen, die die Binnensicht entlarvt, funktioniert das deutsche Entscheidungssystem von außen betrachtet doch leidlich. Vom philosophischen Ideal des perfekten Gemeinwesens ist Deutschland weit entfernt, im internationalen Vergleich jedoch schneiden wir relativ ordentlich ab. Warum? Weil Institutionen, Sozialpartner und auch die Politik einen verhältnismäßig ordentlichen Job machen. Zu welchem Preis wird in China das Wachstum erkauft? Welches Gift schwappt durch die US-Politik? Was lernen wir aus den gut gemeinten Mitbestimmungsexperimenten der Piraten? Das Paradies ist eine Fiktion.

Wenn es eine Aufgabe für das neue Jahr gibt, die über den erwartbaren Wahlkampfunsinn hinausreicht, dann ist es das Stärken jener Kräfte, die dieses Land zusammenhalten. Dazu gehört der Respekt für Lehrer, das Anerkennen jener Millionen Dienstleister, die für magere Löhne ein anständiges Leben führen, und die Einsicht, dass Steuerzahlen keine milde Tat ist, sondern Bürgerpflicht. Das Land brauche keinen Propheten, der vom Berg herabsteige, sagt der Münchner Philosophie-Professor Henning Ottmann, sondern zunächst nicht mehr als gemeinsame Überzeugungen vom guten Leben. Was verstehen wir unter Gerechtigkeit, wie definieren wir Leistung, wie viel Respekt bringen wir den demokratischen Instrumenten und Repräsentanten entgegen, wo endet konstruktive Kritik, wann beginnt die Hetze? Vielleicht ein guter Vorsatz für 2013: Rücksicht, Verständnis, Geduld und ein wenig Anstand einfach mal vorleben – und dann erst einfordern.

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Über Leonard Wüst

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