Dschungel, Die welterste Brass-Oper von Manuel Renggli und Michael Fehr, Premiere 8. Februar 2020, besucht von Claudia Walder

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Dschungel Szenenfoto von Ingo Hoehn

Produktionsteam Musikalische Leitung: Michael Bach, William Kelley Inszenierung: Tom Ryser Bühne: Sipho Mabona Mitarbeit Bühne: Simon Sramek Kostüme: Birgit Künzler Licht: Clemens Gorzella Choreinstudierung: Mark Daver Dramaturgie: Rebekka Meyer

Besetzung

Diana Schnürpel (Atlanta) Rebecca Krynski Cox (Raja / 1.Affe) Sarah Alexandra Hudarew (Samreh / 2. Affe) Jason Cox (Sohn des roten Baron) Vuyani Mlinde (Der rote Baron) Hubert Wild (Gefiederter Mensch / Ein Hund) Nina Langensand (Brahma) Walter Sigi Arnold (Erzähler) Chor des LT Brassband Bürgermusik Luzern

Rezension:

Dschungel Szenenfoto von Ingo Hoehn

«Dschungel», die weltweit erste Oper für Brassband, nimmt ihre Besucher mit auf eine metaphorische Reise – vom Luzerner Stadttheater in eine «braun-rote Stadt», in den Dschungel und durch verschiedene Musikgenres. Die Oper basiert auf einer Erzählung des Berner Schriftstellers Michael Fehr und nimmt dessen ganz spezielle, rhythmische und wiederholende Sprache auf. Sie folgt dem Mädchen Brahma, das vom Hunger durch die Stadt getrieben wird. Dort gerät sie in Schwierigkeiten und flieht in den Dschungel, wo sie auf verschiedene Tiere trifft und schliesslich in einem alten Tempel Unterschlupf findet. Wird die Protagonistin dabei von der Schlange Atlanta geführt, so übernimmt der Panther, verkörpert vom Schauspieler Walter Sigi Arnold, diese Rolle für das Publikum, als ruhiger, ganz in schwarzen Samt gekleideter Erzähler.

Raue Sätze kontrastieren klassische Opernstimmen

Dschungel Szenenfoto von Ingo Hoehn

Auch Brahma wird nicht von einer Sängerin, sondern von der Schauspielerin Nina Langensand auf die Bühne und in die Köpfe gezeichnet. Ihre gesprochenen, oft rauen Sätze kontrastieren mit den klassischen Opernstimmen des Luzerner Ensembles, was im ersten Moment irritiert, jedoch im Verlauf des Stücks immer besser zusammenfindet, mosaikartig und spannend. Die Komposition von Manuel Renggli ist in der klassischen Oper verankert. Sie spielt jedoch mit verschiedenen Genres, lässt zum Beispiel Anklänge von Hiphop oder indischer Musik erahnen. So zeichnet der Entlebucher Künstler die Charaktere der verschiedenen Tiere auch musikalisch nach. Immer wieder blitzt dazwischen der typische Brassband-Sound auf, gerade in den sehr rhythmischen Passagen, stellenweise jedoch vergisst der Zuhörer die ungewöhnliche Besetzung – was durchaus als Kompliment gemeint ist.

Anspruchsvolle stimmliche Aufgabe

Dschungel Szenenfoto von Ingo Hoehn

Stimmlich hat der Komponist den Sängern keine leichte Aufgabe gestellt, besonders Diana Schnürpel als Schlange Atlanta und Hubert Wild als gefiederter Mensch beeindrucken in den meist gebrochenen, springenden Melodien. Mit Brüchen, oder besser: mit Kanten und Falten spielt auch das Bühnenbild des Luzerner Origamikünstlers Sipho Mabona, dessen geometrische Formen Projektionsfläche für das Farbenspiel der Beleuchtung, aber auch für die Fantasie der Zuschauer bieten. Auch dass die Erzählung, als Metapher, mehrere Deutungsschichten hat, spiegelt sich, wortwörtlich, auf der Bühne: So versteckt sich im Spiegelelement, das immer wieder den Blick des eitlen Panthers auf sich zieht, das Origami-Faltmuster ebendieses Dschungelbewohners.

 

 

Kostüme sind echte Bereicherung

Dschungel Szenenfoto von Ingo Hoehn

Bemerkenswert sind auch die Kostüme von Birgit Künzler, die sich zum einen, wie Bühnenbild und Beleuchtung, den von Fehr beschriebenen Farbwelten anpassen. Zum anderen aber nehmen sie den hochaktuellen Konflikt zwischen den zwei Welten Stadt und Dschungel, Mensch und Natur konzeptuell auf: Alle Stücke entstanden durch «Upcycling», geben also gebrauchter Kleidung aus Brockenhäusern und alten Kostümen aus vergangenen Produktionen ein zweites Leben, um so Ressourcen zu schonen. Allerdings bleibt dabei ein Hemd nicht unbedingt ein Hemd, sondern es entstehen kreative Entwürfe, die zum genaueren Hinschauen einladen – auch mit humorvollen Details wie den übergrossen, beweglichen Augenbrauen einiger Dschungelvögel.

Regie fügt das Puzzle zusammen

Dschungel Szenenfoto von Ingo Hoehn

Unter der Regie von Tom Ryser fügen sich die einzelnen Elemente zusammen, bilden die einzelnen Szenen, wie die Flächen eines Origami-Tiers, ein Ganzes – nicht nahtlos zwar, doch wie beim Origami verleihen die Falt- und Bruchstellen dem Werk Konturen. Vielleicht würde man sich dann und wann eine etwas aktivere Protagonistin wünschen, die den Handlungsstrang zumindest zeitweise durch eigene Initiative vorantreibt statt nur von den Ereignissen mitgespült zu werden.

Dennoch: «Dschungel» ist eine gelungene Kooperation Schweizer Künstler, entstanden als Auftragsarbeit für das Luzerner Theater, das damit nicht nur seinen Besuchern einen musikalisch wie auch sprachlich spannenden Abend beschert, sondern zudem der hiesigen Kulturszene eine wichtige Plattform bietet.

Text: Claudia Walder https://textfrösch.li/Biografie/   Fotos: luzernertheater.ch

Fotos: Ingo Hoehn  Luzerner Theater

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