Am Flughafen in Split erwarteten uns Irena und Milan. Irena, die geborene Gastgeberin, lernten wir in einem Hotel im Südtirol als Servicemitarbeiterin kennen.
Sie schwärmte von Kroatien und ihrem neuen Haus mit den „ Apartmani“. Was uns im Mai 2016 lockte, dem Ruf zu folgen.
Milan und Irena holten uns am Flughafen in Split ab. Die Fahrt auf Nebenstrassen Richtung Norden vermittelt einen ersten Eindruck. Tiefblaues Meer, karge Berge, unendlich viel Grün. Nach gut zwei Stunden erreichen wir das, an einer Meerzunge gelegene Karin Gornji.
Ein Dorf, offenbar vom Rest der Welt vergessen. Niemand weiss genau, wie viele Menschen in den zum Teil neu erbauten Häusern wohnen. 700 oder gar 2000 in der Saison von Juni bis August? Halbfertige und zerstörte Häuser sind Erinnerungen an den letzten Jugoslawienkrieg(1991–1995). Spuren der Vergangenheit, die uns überall auf der Reise begegneten.
Zadar, eine Stadt im Wiederaufbau
Die etwa eine Stunde entfernte Stadt Zadar allerdings scheint den Anschluss in die Zukunft gefunden zu haben. Darüber später. In Karin Gornji hingegen gibt es keine Hotels, nur «Apartamani». Keine Industrie, dafür gesunde Luft. Und eine herzliche Gastfreundschaft. Ab und zu klopft die Gastgeberin an die Türe, lädt uns zum bescheidenen Mittagstisch mit Milan, ihrem Gatten ein. Geschätzte Hausfrauenkost in Anbetracht der vorsaisonbedingt geschlossenen Restaurants. In der Tat, im Mai ist nämlich Vorsaison, was einesteils Vorteile halt – kein Touristenrummel und viel Zeit. Nur leider hat das Wetter nicht immer mitgespielt.
Die Bora hat uns ordentlich durchwindet. Die Bora, ist ein meteorologischer Begriff für kalte und böige Fallwinde die an verschiedenen Küsten auftreten. Im Speziellen ist Bora der Name des zwischen Triest und der Drimmündung an der kroatischen und der montenegrinischen Adriaküste auftretenden orkanartigen Landwindes.
Drei Wochen Zeit hat sich Milan genommen um uns seine Heimat zu zeigen. Mit Stolz, aber auch mit stiller Wehmut. Denn auch er war damals im Krieg. Wir erlebten kein Kroatien aus dem Hochglanzprospekt, sondern ein Land mit vielen Sonnen- und auch Schattenseiten. Über den Krieg sprach Milan nur selten und politisieren kam für ihn nicht in Frage.
Die Region rund um Zadar gehört zum abwechslungsreichsten, beeindruckendsten Gebiet Norddalmatiens. Von hier aus gibt es auch zig Möglichkeiten, eine Schifffahrt auf dem Meer zu unternehmen. Begrüsst wurden die Schiffsgäste mit einem Gläschen «Rakjia» (kroatischer Grappa). Wohl prophylaktisch gegen die Seekrankheit. Wir sammeln Eindrücke von den vorbeiziehenden malerischen Örtchen, schifften unter der Hängebrücke durch, welche die zwei Orte Ugljan und Kukljicia verbindet. Dann vorbei an zerklüfteten Felsen und genossen den Blick auf die unendliche Weite des tiefblauen Meers und auf die Schattenspiele unter der Regie von Sonne und Wolken.
Ein Höhepunkt der Schiffsreise
Dies ist zweifelsohne der seit 1980 geschützte Naturpark Kornati. Man erklärte uns, dass zur Römerzeit hier gegen 20000 Menschen gelebt hätten. Auf einer Insel entdeckten wir riesige Kreuze aus Stein. 2007 hatte hier ein verheerender Waldbrand gewütet. Angefacht durch zwei sich bekämpfende Winde: die Schönwetter bringende «Bora» und der Schlechtwetter bringende «Jugo». Fünf wagemutige Männer wollten den Brand löschen und wurden Opfer des Feuers. An sie erinnern die 5 Kreuze. Unübersehbar – unheimlich.
Auf dem malerischen Inselchen „Sali“ mit Post, Bancomat und Beizen gab’s einen Zwischenhalt. Die Preise sind mehr als nur günstig. Zu viert isst man für umgerechnet 60 Franken, inklusive Wein, Wasser und Kaffee.
Die Stadt Zadar ist Handels- und Fremdenverkehrsmetropole.
Die historische Altstadt lädt ein zum Flanieren und zum Verweilen in einer lauschigen Gartenwirtschaft. Nebst dem Tourismus, sind die Nahrungsmittelproduktion, der Schiffbau und die Textilfertigung wichtige wirtschaftliche Säulen. Dazu kommt der (fast) süchtig machende Maraschino – Likör, hergestellt aus den Kirschen des fruchtbaren Umlandes.
Dort, wo Olivenhaine die Landschaft bereichern, aber auch Investoren EU-Gelder für Olivenplantagen erhalten. Plantagen, die sie nach dem Inkasso wieder als Bauland verkauft haben sollen. Immerhin entdeckte ein EU-Inspektor den Betrug, wie uns gesagt wurde. Und auch das Geld tauchte wieder auf, das eine Maklerin für den dreimaligen Verkauf des gleichen Bodens ergaunert haben soll. Räubergeschichten? Sie gehören wohl zu den Schattenseiten eines Landes, das eigentlich an eine prosperierende Zukunft glauben sollte. Genug gejammert.
Ab in die Berge.
Milan verdanken wir einen besonders beeindruckenden Ausflug. Auf den Strassen war allerdings zwingend Vorsicht geboten, vor allem in der Hochsaison. Denn mit Sicherheitslinien, Geschwindigkeitsbeschränkungen, Licht und Blinker nimmt man’s nicht allzu genau.
Wir tuckerten auf der alten Schotter Verbindungsstrasse zwischen Zagreb und Zadar über das Velebit-Gebirge. Am Fusse der „tulove grede“ steht die Kirche des hl.Franciscus aus dem Jahre 1832, welche der österreichische Kaiser Franz Joseph I. errichten liess. Zum Gedenken an die Arbeiter, die an der Verbindung zwischen dem südlichen und nördlichen Kroatien gebaut hatten.
Grabmäler aus dem Jugoslawienkrieg säumen die Strasse. Neben einem zerstörten Haus wird vor Minen gewarnt. Ein Touristen Paar hat sich in diese gottverlassene Gegend verirrt, wo ein Briefkasten für Karl-May-Fans an einer Mauer hängt und «Winnetou» an die Wand gemalt wurde.
Der Rückweg führte uns über Obrovac zum Fluss Zrmanja der ebenfalls durch Winnetou-Filmszenen berühmt wurde und eine Schifffahrt mehr als nur wert ist. Nach der Ankunft in Karin Gornji verzehren wir für einen Fünfliber eine Pizza allererster Güte.
Nostalgie auf der Bahnstrecke Zagreb–Split
In der kleinen Stadt Grasac gibt es ein Bahnhöfli mitsamt Briefkasten, Wartsaal und zwei Gleisen. Eigentlich wollten wir schon aufgeben. Es schien zu kompliziert, einen Ort an der Bahnstrecke Zagreb – Split zu finden, wo man zusteigen konnte. Doch Milan hat ortskundig recherchiert und gedolmetscht. Wir kauften also zwei Billette beim Bahnhofvorstand. In seinem Büro, welches an das vorletzte Jahrhundert erinnert. Leider könne er nur Hinfahrt buchen, da der Billet Apparat gerade defekt sei. Immehin. Der Zug traf mit nur fünf Minuten Verspätung ein. Die feudale (von Deutschland geschenkte) Dieselkomposition ist mit Touristen gut besetzt. Bei maximaler Sicherheitsgeschwindigkeit von 60 km/h ziehen Felder, Buschwälder, kleine Seen vorbei. Dazwischen blitzen Hausdächer als rote Farbtupfer auf.
An den Bahnhöfen steht jeweils der Bahnhofvorstand mit roter Mütze und Kelle, weiter hinten das Bahnwärterhäuschen, mit Mann und Fahne und Garant für die sichere Durchfahrt. Zur Beruhigung: Auch Ampeln gibt’s. Nostalgie pur und Kroatien Reisenden nur zu empfehlen. Nach gut zwei Stunden Berg-und-Tal-Fahrt mit 600 Metern Höhendifferenz erreichten wir Split, die pulsierende Stadt am Mittelmeer mit Fährschiffen und Menschengetümmel.
Pünktlich nach einer Stunde reisen wir zurück ins verschlafene Karin Gornji. Genossen die Gastfreundschaft von Irena und Milan. Drei Wochen waren im Flug vorbei und Vieles mehr wäre noch zu entdecken gewesen: Die imposanten Krka-Wasserfälle, die pittoresken Plitvicer Seen, die Kvarner Bucht.
Oder Dubrovnik, die Perle der Adria, weiter im Süden. Wir wanderten stattdessen auf den nahegelegenen romantischen Wegen am Karisnica-Fluss, schlenderten durchs Dorf oder an die Strandpromenade, wo wir uns mit Menschen unterhielten, die auf eine bessere Zukunft hoffen. Die Alten werden wohl bleiben. Die Jungen haben das Auswandern im Kopf oder hoffen auf bessere Zeiten.
Gut zu wissen:
Eigentliche Hauptsaison sind die Monate Juni, Juli und August.
Anreise: Split ist ab Italien per Fähre erreichbar. Swiss, Croatia Airlines und Easy Jet fliegen ab Zürich. Easyjet ab Basel.
Übernachten in Karin Gornji:
Bei Irena und Milan
irena alavanja holla irena.alavanja.holla@gmail.com
Tel. 00385 989 648 602.
Apartmani für 2 Personen zwischen 40 und 50 Euro pro Tag. (Schlafzimmer, Bad/Dusche, Aufenthaltsraum mit kleiner Küche. Grosse Dachterrasse. Balkon mit Meersicht.)
Währung: 700 kroatische Kuna = ca. 100 Franken. Visa wird meistens akzeptiert. Travel Cash in Landeswährung aus dem Bancomaten. In Grossstädten kann mit Euro bezahlt werden. (Trinkgeld nicht inbegriffen)
Automiete: Empfehlenswert ist, das Auto gleich mit dem Flug zu buchen, Vollkasko ohne Selbstbehalt.
Küche: Viele Restaurants sind in der Nebensaison geschlossen. Hingegen ist in
den Pecenjarnica’s (öffentliche Bratstationen) Dalmatiens «Hausspezialität» auf
Vorbestellung erhältlich: ganze am Drehspiess gebratene Spanferkel und Lämmer.
Weitere Spezialitäten sind Cevapcici, das Gebäck Borek, Eintöpfe (Ragu) und
Am Meer Fische in Variationen (Pulposalat zum Einstieg).
Kroatische Hausmannskost: Eintopf mit Schweinefleisch. Borek – ein traditionelles Gebäck, gefüllt mit Fleisch oder Schafskäse.
Kleine Fotodiashow der Reise von Herbert Huber:
Text und Fotos: www.herberthuber.ch
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