Es dauert jeweils nicht lange, bis Prag seine Besucher voll im Griff hat. Denn die Goldene Stadt hat viel zu bieten: eine beeindruckende Kultur, architektonische Zeitzeugen einer bewegten Geschichte, atemberaubende Ausblicke und natürlich kulinarische Genüsse.
Gut vorbereitet erlebten wir Prag in vier Tagen. Vom Flughafen reist man am besten mit einem Taxi ins Zentrum. Hier gibt es Hotels verschiedener Preisklassen mit den entsprechenden Annehmlichkeiten. Der September ist eine gute Zeit für eine Reise in die Stadt mit den vielen Kosenamen: Die hunderttürmige Stadt, die Goldene Stadt, die Mutter der Städte.
Trotz der unzähligen Touristen – gegen vier Millionen pro Jahr – ist Prag eine äusserst saubere Stadt, ob unterirdisch in der Metro oder oberirdisch auf den Plätzen und in den Gassen. Die Polizei ist omnipräsent. Abfall sieht man selten – Putzequipen hingegen schon.
Prag mit seinen rund 1,2 Millionen Einwohnern hat eine bewegte Geschichte. Deren Zeitzeugen sind die wuchtigen Kirchen, erbaut in epochalen Stilen, die berühmte Karlsbrücke und natürlich die Prager Burg auf dem Hügel Hradschin, mit dem alles überragenden St. -Veits – Dom. Dazu die vielen imposanten Paläste und prachtvollen Parkanlagen – es war Flieder-Blütezeit. Eine Augenweide. Vom Hradschin aus zeigt sich die Stadt mit den ziegelroten Dächern in ihrer immensen Grösse.
Kulinarik von elegant bis burschikos
In Prag gibt es nicht nur unzählige Restaurants, sondern auch viele Imbissbuden. Mit Spanferkel frisch ab Spiess, würzigen Würsten, Eintopfgerichten, über dem offenen Feuer gebackenen Brotrollen oder mit einer frittierten rohen Rösti. Die Imbissstände sind bis in die Nacht hinein geöffnet. Der Unterschied zur Beiz: Man verpflegt sich stehend. Ist Vorschrift. Für eine kulinarische Entdeckungsreise gilt es, sich gut vorzubereiten. Das Hotel Paris mit dem wundervollen Jugendstil-Restaurant „Sarah Bernhard“ begeisterte. Der Service war relativ locker für dieses Niveau, die Küche sehr französisch geprägt. Es gab gratinierte Champignons gefüllt mit Schnecken, eine kräftige hausgemachte Consommé mit Knödeln und gebratene Forellenfilets mit Kümmelbutter, dem typischen Gewürz der tschechischen Küche. Zur Einstimmung passte der Bohemian Sekt Prestige und der Rotwein Frankovia waren hervorragende Begleiter.
Ein absoluter Volltreffer war das Turmrestaurant Zvonice. Im siebten Stock eines Glockenturms – im achten Stock sind Raucher willkommen – werden böhmische Spezialitäten neuzeitlich interpretiert: frisch geräucherte Kalbszunge mit Erbsenpüree auf Schalotten und Meerrettich – Nockerl sowie Ziegenkäse mit gebratenen Aprikosen, Zitrusfrüchten und Honignüssen. Und der Klassiker: Lendenbraten vom Wildschwein auf Koriander-Steinpilzen und Karlsbader Knödel. Auch die böhmischen Liwanzen (Sconesteig) mit Sauerrahmsauce und Waldfrüchten waren ein gaumenerfreuendes kulinarisches Erlebnis.
Etwas Vorsicht ist geboten
Wer es deftig mit schlitzohrigen Kellnern und burschikoser Küche mag, ist im Uzlate Konvice am richtigen Ort. Mitsamt schlitzäugigen Touristen. Tief unten im Keller gibt es gebratene Knackwurst auf schwarzer Biersauce mit reichlich Zwiebeln, sehr intensive Knoblauchsuppe, pikantes Rindsgulasch mit Knödelvariationen, geschmorte Lammkeule und Spanferkel mit Kraut.
Dazu die lauten Rhythmen des landesüblichen Musikrepertoires. Chteli bychom platit – wir möchten bezahlen bitte. Die Rechnung kam handgeschrieben – und mit etwas mehr drauf als bestellt. Will heissen: immer gut kontrollieren. Normalerweise trinkt man Bier in Prag. So sollen die Tschechen bis zu 160 Liter Bier pro Kopf und Jahr trinken. Das Pilsner Urquell ist der Spitzenreiter. Vom hellen 7-prozentigen bis zum würzig dunklen 14-prozentigen reicht die Palette. Je alkoholreicher das Bier ist, desto fester muss die «Krone» sein. Na zdravi – prost – gilt für Schwerarbeiter oft schon zum Frühstück.
Kultur in Prag
Der Besuch des jüdischen Viertels mit dem Museum, der spanischen Synagoge und dem geschichtsträchtigen Friedhof stimmen nachdenklich. Die Weltgeschichte passiert vor dem geistigen Auge. Unter die Haut ging auch das kulturelle Erlebnis der Oper «Orpheus und Eurydike» von Christoph Willibald Gluck: eine Inszenierung der Superlative, das Bühnenbild in ständiger Bewegung von Unterwelt zur Oberwelt. Noch hallt der verzweifelte Liebeshilferuf des Orpheus in den Ohren: «Eurydike, Eurydike – warum nur hast Du mich verlassen?» Das Theatre of the Estate, ein Theater im Barockstil bot uns Kunst auf höchstem Niveau.
Auf der Moldau
Prag kann man auch vom Wasser aus erleben Eine Moldauschifffahrt bietet atemberaubende Weitblicke links und rechts des Ufers und führt unter der Karlsbrücke hindurch, statt darüber, wo Massen von Menschen am Staunen sind. Überall begegnet man der Gotik oder Renaissance, dem Barock, dem Jugendstil und neugeistigem Bürgertum. Literarisch bewegt Prag mit Franz Kafka, künstlerisch mit Alfons Mucha und vielen anderen. Heute geben Strassenmusikanten für die Touristen auf den grossen Plätzen ihr Bestes. Akrobaten und Zauberer buhlen um Applaus.
Wer singen oder Feuer speien will, tut dies öffentlich. Freundlich sind die Menschen alleweil. Das ist Prag, eine lebendige Stadt, die uns voll im Griff hatte. Na shledanou – auf Wiedersehen.
Kleine Fotodiashow der Reise von Herbert Huber:
fotodiashows.wordpress.com/2020/05/28/kulinarisch-kultureller-pragbesuch-von-herbert-huber/
Text und Fotos: www.herberthuber.ch
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