Besetzung und Programm:
Flötenkonzert d-Moll H 484.1 / Wq 22
Camille Quinton, Flöte
Klasse Pirmin Grehl
Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61
1. Satz Allegro ma non troppo
Mátyás Mézes, Violine
Klasse Igor Karsko
Violinkonzert Nr. 5 a-Moll op. 37
Marta Peño Arcenillas, Violine
Klasse Daniel Dodds
Klavierkonzert Nr 5 Es Dur op. 73 1. Satz Allegro
Denys Zhdanov, Klavier
Klasse Konstantin Lifschitz
Violinkonzert e-Moll op. 64
Inès Morin, Violine
Klasse Igor Karsko
Daniel Dodds, Leitung
Rezension:
Carl Philipp Emanuel Bach Flötenkonzert d-Moll Camille Quinton, Flöte
Dieses Werk des sogenannten „Hamburger Bach“, er war zu Lebzeiten sogar berühmter als sein Vater Johann Sebastian, ist ein umgearbeitetes Cembalokonzert. Bach war damals einer der berühmtesten „Clavieristen“ Europas. Für das Cembalo – sein Lieblingsinstrument – hat er rund 150 Sonaten und über 50 konzertante Stücke geschrieben. Bei den Wiener Klassikern stand Bach in hohem Ansehen. So bekannte Joseph Haydn: „Wer mich gründlich kennt, der muss finden, dass ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke, dass ich ihn verstanden und fleißig studiert habe.“ Von Mozart stammt der Ausspruch: „Er (Emanuel Bach) ist der Vater; wir sind die Bubn. Wer von uns was Rechts kann, hats von ihm gelernt.“ Ludwig van Beethoven schrieb in einem Brief an Breitkopf & Härtel immerhin: „Von Emanuel Bachs Klavierwerken habe ich nur einige Sachen, und doch müssen einige jedem wahren Künstler gewiss nicht allein zum hohen Genuss, sondern auch zum Studium dienen. Die junge französische Solistin hat während ihres Studiums schon Praktika beim Berner Sinfonieorchester und beim Sinfonie Orchester Biel Solothurn absolviert und nahm im Sommer 2018 an der Lucerne Festival Academy teil. Diese Erfahrungen des Zusammenspiels mit grossen Orchestern erleichterten ihr wesentlich, sich den „Festival Strings“ beizuordnen, sich bestens zu integrieren und die eingestreuten Soli mit einer gewissen Gelassenheit und Routine zu absolvieren. Sie reihte die jubilierenden Noten klar, präzis wie Perlen an die Schnur, setzte pointierte Triller, schöne Tremolo, haucht feine Vibrato in den Saal, supportiert von den gut aufgelegten „Strings“, die sich bei ihrem zweiten Auftritt im KKL Konzertsaal nach dem Re Start schon wieder routiniert zeigten wie eh und je im Zusammenspiel, als wär da nie ein viermonatiger Konzertstopp gewesen.
Ludwig van Beethoven Konzert für Violine und Orchester D-Dur
1. Satz Allegro ma non troppo Mátyás Mézes, Violine
Nun wurde das nicht mehr benötigte Cembalo zur Seite geschoben, dafür ergänzten einige Bläser*innen das Orchester. Aus Beethovens einzigem vollendetem Konzert dieser Gattung intonierte der ungarische Solist den ersten Satz. Der erste Satz entspricht der Sonatensatzform. Vier leise Paukenschläge, gefolgt von der Vorstellung des Hauptthemas durch die Holzbläser, leiten den Satz ein, dessen liedhaftes und doch majestätisches Hauptthema eine lyrische Stimmung verbreitet. Das Paukenmotiv kehrt an mehreren Stellen des Satzes wieder. Die Solovioline setzt erst nach der Vorstellung der beiden Hauptthemen und einer etwa dreiminütigen Orchesterpassage ein. Vertraute Töne, wird doch das 2. Thema aus dem 1. Satz des Konzerts für die akustische Senderkennung des ZDF verwendet. Finale mit filigranen Läufen dazu gesellen sich die Pizzicato der Streicher, die sanften Töne des Fagotts, bevor sich die ganze aufgestaute Spannung im Tutti Finale entlädt. Obwohl Mézes, laut Biografie, am meisten Erfahrung mit Orchesterauftritten von allen Solist*innen hat, wirkte er gehemmt, etwas verbissen, technisch zwar sehr gut, aber ohne das innere Feuer, das sich in Ausstrahlung transformieren würde. Oder legte er sich schlicht mit Beethovens Oeuvre die Messlatte „noch“ zu hoch?
Henri Vieuxtemps Violinkonzert Nr. 5 a-Moll Marta Peño Arcenillas, Violine
Obwohl Mitte des 19. Jahrhunderts komponiert, tönt die Komposition sehr modern und man würde sie eher dem Aufbruch anfangs des 20. Jahrhunderts zuordnen, als Komponisten wie Igor Strawinsky, Béla Bartók etc. musikalisch in andere Welten aufbrachen. Beauftragt wurde das Werk vom befreundeten Geigenvirtuosen Hubert Léonard, der ein «pièce de concours» für die Abschlussprüfung seiner Violinklasse am Königlichen Konservatorium Brüssel suchte. Die drei Sätze des Werks sind so miteinander verknüpft, dass der Eindruck eines einzigen erweiterten Satzes entsteht. Der erste Satz beginnt mit einer Orchesterexposition, die drei kontrastierende Themen vorstellt; danach folgt der dramatische Einsatz der Solistin, der zu einem lyrischen Thema führt. Ein zweites Thema des Soloinstruments, in C-Dur, enthält weiteres lyrisches Material, das während seiner Wiederholung im Orchester vom Solisten begleitet wird. Die erweiterte Durchführung bietet Gelegenheit zu solistischer Virtuosität, bevor eine Kadenz erreicht wird. Eine kurze Moderato-Überleitung führt zu dem gesanglichen Andante mit seinem anrührenden a-Moll-Thema. Einer Modulation nach A-Dur folgt eine C-Dur-Melodie aus Grétrys Oper Lucile – eine Anspielung, der das Konzert seinen Beinamen (“Le Grètry”) verdankt. Ein kurzes Allegro con fuoco in a-Moll beschließt das Konzert. Die junge spanische Solistin fegte durch die anspruchsvolle Partitur mit einer, (für ihr Alter von grad mal 26 Jahren), Gelassenheit und Sicherheit, aber auch brennender Leidenschaft. die sonst nur sehr routinierte Solist*innen auszustrahlen vermögen.
Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 5 2 und 3. Satz Denys Zhdanov, Klavier
Hier wurde der erste Satz nicht gespielt, so war der Einstieg in das Werk doch sehr ungewohnt. Der ergreifende Mittelsatz ist in H-Dur gesetzt, einer mit Es-Dur enharmonisch verwechselt terzverwandten Tonart (eigentlich Ces-Dur), und erinnert in seiner Klanglichkeit bereits an die Klaviermusik von Chopin oder Liszt. Dabei handelt es sich um eine dreiteilige Adagio-Form mit der Gliederung in A B B‘ A‘ A“ sowie einer 3-taktigen Überleitung zum letzten Satz. Gedämpfte Streicher über einer gezupften Basslinie stellen zunächst das getragene, choralhafte Hauptthema (16 Takte) vor, ehe in T. 16 das Klavier übernimmt und ein zweites Thema (11 Takte) zur Begleitung des Orchesters vorträgt, welches in T. 26 in der Dominante Fis-Dur endet.
Den Schlusssatz mit der Gliederung in A B A C A B A + Coda eröffnet das Klavier unbegleitet im donnernden Fortissimo. Das Hauptthema in Es-Dur, bestehend aus einem aufstrebenden Dreiklang und einem abwärts geführten Gegenmotiv, wirkt aufgrund seines ungewöhnlichen rhythmischen Profils, der kontrastreichen Gestaltung sowie seiner formalen Offenheit fast schon „zwanghaft“ freudig. Manch einer fühlt sich hier eher an ein manisches „Grinsen“ als an ein natürliches „Lächeln“ erinnert – und bildet somit einen deutlichen Kontrast zum Mittelsatz. Das Orchester wiederholt das Hauptthema in T. 17 und erweitert es diesmal zu einem in sich geschlossenen Themenkomplex. Der Solist trug die zwei Sätze mit einer gewissen Ironie und Schalkhaftigkeit vor, nie verbissen oder in „Beethovenscher Mürrigkeit“.
Felix Mendelssohn Bartholdy Violinkonzert e-Moll Inès Morin, Violine
Von der äußeren Form folgt das frühe Violinkonzert dem typischen Erscheinungsbild des Solokonzerts: schnelle Ecksätze und ein kantabler Mittelsatz. Es handelt sich bei dieser dreisätzigen Anlage um einen festen Gattungstypus, der im Wesentlichen auf die zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstandenen Solokonzerte von Antonio Vivaldi zurückzuführen ist. Bemerkenswert ist im ersten Satz die auffällige Folge von Tutti- und Solopassagen, die auf die in der Barockmusik verbreitete Ritornell Form hinweist. Ein kontrastierendes Thema erscheint erst im ersten Solo der Violine, während es im eröffnenden Tutti fehlt. Alles in allem imponiert der Kopfsatz als „Synthese aus Sonatensatzform und barockem Ritornellprinzip. Diese Bezugnahme auf ältere Konventionen ist geradezu typisch für Mendelssohn, vor dem Hintergrund dessen lebenslanger Beschäftigung mit dem Werk alter Meister. Die Werkentstehung war für Mendelssohn „mit ungeheurer Anstrengung verbunden und beanspruchte etwa sieben Jahre – 1838 – 1845 – von den ersten Anfängen bis zur Fertigstellung, Aufführung und Veröffentlichung“. Gekennzeichnet war dieser Prozess von zahllosen Überarbeitungen, die von erheblichen Selbstzweifeln begleitet wurden. Das Konzert ist während seiner Entstehung „häufiger Gesprächsgegenstand zwischen Mendelssohn und David [dem Solisten der Uraufführung] gewesen.“ Das Konzert folgt ebenfalls der dreisätzigen Anlage der Solokonzertform. Gegenüber dem frühen Violinkonzert befindet sich Mendelssohn hier auf der Höhe seiner Zeit, was am deutlichsten anhand des Kopfsatzes, der, mit Besonderheiten, der Sonatensatzform folgt, erkennbar ist. Diesem folgt ein kantabler zweiter Satz, während der dritte Satz, nach einer mäßig raschen Introduktion in e-Moll, wieder in einem raschen Tempo steht und ein Rondo bildet. Durch den Wechsel zu E-Dur nimmt das Rondo-Finale eine überaus heitere Grundstimmung an, in der das Konzert zu Ende geführt wird. Die junge Französin intoniert flüssig, elegant und mit betörender Souplesse zu dem das Orchester, wie den ganzen Konzert Abend hindurch, den ausserordentlich meisterhaften musikalischen Klangteppich legt.
Alle Solisten und das Orchester erhielten stürmischen Applaus, die beiden Violinistinnen ernteten sogar einzelne Bravorufe an diesem, zum ersten Mal auf zwei Abende aufgeteilten Solistenkonzert.
Text: www.leonardwuest.ch Fotos: Fabrice Umiglia festivalstringslucerne.org/de/home
und weitere Fotos von:
www.hslu.ch und www.kkl-luzern.ch
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