Auch nach einer Krebsdiagnose ist ein Leben mit hoher Lebensqualität möglich. Neben der medizinischen Behandlung und einem unterstützenden sozialen Umfeld ist dafür vor allem eine ganzheitliche Betreuung der Betroffenen durch alle beteiligten Organisationen und Fachpersonen wichtig. In der Zentralschweiz sind die Voraussetzungen dafür gut, wie eine Studie der Hochschule Luzern zeigt.
Eine Krebsdiagnose kommt meistens überraschend und stellt den Alltag der Betroffenen auf den Kopf. Dank verbesserter Diagnostik und Therapie ist die Diagnose aber immer seltener ein Todesurteil. «Die Gruppe der Menschen mit einer erfolgreichen Therapie, die sogenannten Cancer Survivors, wächst stetig», sagt Carmen Stenico, Geschäftsführerin der Krebsliga Zentralschweiz. Doch auch bei erfolgreicher Behandlung und einer Heilung ist das Leben danach in vielen Fällen nicht mehr das gleiche wie zuvor. Nicht selten tragen betroffene Menschen körperliche oder seelische Folgen davon.
Um die Qualität der Krebsversorgung nachhaltig zu verbessern, ist es wichtig zu wissen, wie Menschen mit Krebs die Behandlung und Betreuung wahrnehmen und was ihnen während den verschiedenen Behandlungsphasen gefehlt hat. Bisher gab es dazu kaum verlässliche Daten. Forscherinnen und Forscher der Hochschule Luzern haben erstmals eine breit abgestützte Befragung bei 235 Krebsbetroffenen und 48 Angehörigen aus der Zentralschweiz durchgeführt. Die Krebsliga Zentralschweiz, Patientinnen und Patienten sowie diverse Fachpersonen haben das Projekt in einer Begleitgruppe unterstützt, finanziert wurde es massgeblich von All.Can Schweiz.
Verbesserungspotenzial trotz hoher Zufriedenheit
51 Prozent der befragten Patientinnen und Patienten sind mit der Krebsversorgung in der Zentralschweiz «vollständig» und 41 Prozent «mehrheitlich» zufrieden. «Die Erkenntnisse der Studie und der Dialog mit den Fachleuten zeigen jedoch, dass in der Zentralschweiz trotz hoher Qualität der Krebsbehandlung auch Verbesserungspotenzial besteht», sagt Oliver Kessler, Studienleiter und Dozent an der Hochschule Luzern. So fühlen sich 20 Prozent der Befragten über-, unter- oder fehlversorgt. Das heisst, sie haben entweder das Gefühl zu viele, respektive zu wenige Behandlungen erhalten zu haben, oder sie denken, falsch behandelt worden zu sein. Wenn während der Behandlung individuelle Bedürfnisse nicht erfüllt wurden, geschah das gemäss der Umfrage häufig wegen Zeitmangels oder mangelhafter Kommunikation seitens Fachkräfte. So vermissten 21 Prozent der Befragten nach der Diagnose genügend Zeit für klärende Gespräche mit den Fachpersonen.
In 32 Prozent der Fälle, in denen bei der Entscheidung über die Behandlung eine Spezialistin oder ein Spezialist involviert war, hatten die Betroffenen den Eindruck, nicht genügend in die Entscheidungsfindung einbezogen worden zu sein. Neben der medizinisch-technischen Seite der Krebsversorgung, die in der Schweiz meistens sehr gut abgedeckt ist, stünden hier laut Oliver Kessler besonders menschlich-kommunikative Aspekte im Mittelpunkt. «Ob eine Therapie für die betroffene Person und ihre Angehörigen positiv verläuft, entscheidet sich auch auf der psychologischen und sozialen Ebene», so der Studienautor. «Wenn die Onkologin oder der Onkologe sagt, die Behandlung sei aus medizinischer Sicht erfolgreich gewesen, heisst das nicht automatisch, dass die Patientin oder der Patient das auch so sieht.»
Betroffene möchten persönlich und ganzheitlich betreut werden
Laut den befragten Personen wird die Lebensqualität während der Krebsdiagnose und -behandlung stark davon beeinflusst, ob sie in dieser schwierigen Zeit eine positive Lebenseinstellung bewahren können. Dafür ist die Unterstützung durch das soziale Umfeld besonders wichtig, wie aus der Befragung hervorgeht. Ebenfalls entscheidend ist die persönliche, empathische und professionelle Betreuung durch Fachpersonen. Als Beispiele nennt Kessler die fliessenden Übergänge zwischen den Behandlungsphasen und die Kommunikation zwischen den Leistungserbringern. Wenn der interdisziplinär vernetzte und koordinierte Umgang mit der Krankheit oder der frühzeitige Einbezug der sozialen und beruflichen Lebensumstände fehlt, könne sich das negativ auf die wahrgenommene Qualität der Behandlung und den Genesungsverlauf auswirken. «Unsere Studie soll dazu dienen, Verbesserungspotenziale in der Zentralschweizer Krebsversorgung zu erkennen», erläutert Kessler.
Dialog mit Betroffenen und Fachpersonen geplant
Gemeinsam mit der Begleitgruppe wertet das HSLU-Forschungsteam die Umfrageergebnisse vertieft aus, um Massnahmen zur Verbesserung der Zentralschweizer Krebsversorgung zu entwickeln. Die Ergebnisse werden – sobald das wieder möglich ist – an Dialogveranstaltungen mit Betroffenen, Angehörigen und Fachleuten diskutiert. Daraus wollen Oliver Kessler und sein Team konkrete Handlungsempfehlungen für Organisationen und Fachpersonen, die am Behandlungsprozess von Krebspatientinnen und Krebspatienten beteiligt sind, ableiten.
In der Schweiz leben bald 400’000 Menschen mit Krebs. Auch bei erfolgreicher Behandlung und Genesung ist das Leben oft nicht mehr das gleiche wie zuvor. Forscherinnen und Forscher der Hochschule Luzern haben mittels schriftlicher Befragung bei 235 Zentralschweizer Krebsbetroffenen und 48 Angehörigen im Zeitraum von November 2019 bis anfangs 2020 untersucht, wie sie ihre Lebensqualität während der Betreuung einschätzen, welche Erfahrungen sie in den verschiedenen Behandlungsphasen machten und wie gut ihre Bedürfnisse befriedigt wurden. Die Erkenntnisse sollen genutzt werden, um die Lebensqualität von Krebsbetroffenen und deren Angehörigen sowie die Krebsversorgung in der Zentralschweiz zu verbessern. Das Forschungsprojekt wurde von der Krebsliga Zentralschweiz, Patientinnen und Patienten sowie verschiedenen Fachpersonen begleitet und massgeblich von All.Can Schweiz finanziert.
Weitere Informationen: www.hslu.ch/krebs[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]