So gerne möchte ich einmal Kalbshaxen schmoren. Ist das nicht zu kompliziert? Und was serviert man dazu? Was muss ich beim Einkauf beachten?
Der Einkauf ist wichtig. Gelagerte vollfleischige Haxen beim Metzger vorbestellen. Darf auch rötliches Kalbfleisch sein, also mit „Raufutter“ gefütterte Tiere. Und natürlich mit Muttermilch.
Das Zubereiten von Kalbshaxen ist keine Hexerei. Etwas Zeit braucht es aber schon. Für seine (einzige) Spezialität übernahm mein Vater das Szepter und tauschte sein an einen Arztkittel erinnerndes “Architekten Tschööpli“ mit der Kochschürze. Gottfried Huber schmorte Kalbshaxen. Bereits frühmorgens, meistens an einem Sonntag, begann er in der kleinen Küche mit der Vorbereitung. Den Begriff „mise en place“ kannten damals nur Profiköche. Doch das „Paratmachen“ wie er es nannte, tat er mit Akribie.
Vater Gottfried am Herd – erste Erinnerung 1947
Zurück zu den Haxen: Ausser wenn Gäste kamen, lagen immer 4 Stück da, für Mutter, Vater, Sohn – plus ein Supplement. Daneben das Bratfett, die Gewürze, ein Brotanschnitt, ein (sehr) guter Weisswein, ein Saucenwürfel von Maggi, Tomatenpüree, Rüebli und Selleriewürfeli, Knoblauchzehen, eine halbe Zwiebel mit Lorbeerblatt und Nelke gespickt. Salz und Pfeffer. Vollrahm für die Sauce.
Daneben die Beilage: breite Nudeln, viel Butter, Paniermehl, Salz Muskatnuss. Dann konnte es losgehen: Die hohe, ovale, gusseiserne, orangenfarbige Braisière stellte er auf den Gasherd. Grosse Flamme. Bratfett kam hinein, mittelmässig erhitzt. Die mit Salz und Pfeffer gewürzten und wegen der Farbe leicht mit Mehl bestäubten Kalbshaxen wurden beidseitig angebraten. Haxen raus.
Jetzt wurden 4 geschälte Knoblauchzehen, Rüebli, Selleriewürfel und Tomatenpüree mitangeröstet und alles mit reichlich Weisswein abgelöscht. Auch der schwitzende Koch bekam ein Schlückchen. Dann kamen die gespickte Zwiebel und der vorher mit Wasser angerührte Saucenwürfel sowie der Brotanschnitt (Mugerli), welcher zur Bindung der Sauce diente in den Topf.
Dann Haxen zurück in den Topf. Deckel darauf und unter zweimaligem Wenden zirka anderthalb Stunden schmoren lassen. Da es noch keinen Stabmixer gab, hat Gottfried die Sauce durch das Passevite gedreht, welches man üblicherweise für Kartoffelstock verwendete. Der Architekt war auch küchentechnisch nicht um Ideen verlegen. Probieren, probieren und nochmals probieren.
Feierliches Finale
Die fertigen, weich geschmorten Haxen wurden auf eine grosse Platte angerichtet und im Ofen kurz warmgestellt. Unterdessen gab Vater der passierten Sauce noch etwas Feinheit mit Vollrahm. Zigmal wurde probiert, bis das erlösende «Jetz esch es guet» kam. Mit einem Leuchten der Zufriedenheit in seinen Augen. Die Sauce wurde mit dem Schwingbesen noch einmal gut verrührt, aufgekocht und sorgfältig über die Haxen verteilt. Dazu gab’s breite Nudeln, in Butter geschwenkt und mit viel, sehr viel Butter geröstetem Panierbrot bestreut. Den besonderen Pfiff verlieh Vater den Nudeln mit einer Prise geriebener Muskatnuss.
So schmore ich heute noch die Haxen, denn in meinem „Mémoire du Goût“ ist Vater’s Rezept fest verankert.
Kleine Fotodiashow zur Kolumne:
fotodiashows.wordpress.com/2021/06/05/gehaxte-kalbereien-von-herbert-huber/
Text: www.herberthuber.ch
Fotos: www.-pixelio
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