Ein Forschungsteam der Hochschule Luzern untersucht mit einer Langzeitstudie seit dem Frühjahr 2020, wie sich das Konsum- und Freizeitverhalten der Schweizer Bevölkerung durch Corona verändert. Jetzt liegen die Ergebnisse der vierten Messung vor. Die Resultate zeigen: Corona wirkt als Beschleuniger von Veränderungen, die schon vorher begonnen haben. Einige neue Verhaltensweisen haben sich in der Bevölkerung bereits etabliert.
«Slow»-Aktivitäten halten sich auf hohem Niveau
Beim Freizeitverhalten haben sich einige Verhaltensweisen, die durch den ersten Lockdown ausgelöst wurden, inzwischen etabliert. So haben insbesondere sogenannte «Slow»-Aktivitäten im Leben der Befragten dauerhaft an Bedeutung gewonnen – zum Beispiel in der Natur unterwegs sein, kochen und backen oder Zeit mit der Familie verbringen. «Offenbar haben sich viele Menschen schon vor Corona nach einer gewissen Entschleunigung gesehnt – die Pandemie war nun der Anlass, um diesen persönlichen Wandel einzuläuten», sagt Dominik Georgi, Co-Studienleiter und Konsumentenforscher an der Hochschule Luzern.
Ferien: Zurückhaltung beim Verreisen nimmt ab
Die Schweizer Bevölkerung will wieder vermehrt verreisen. Nur 30 Prozent der befragten Personen haben in den nächsten zwölf Monaten gar keine Ferien geplant. Im letzten November waren es noch 47 Prozent. Heute planen rund die Hälfte (54 Prozent) aller Befragten in den nächsten zwölf Monaten Ferien in der Schweiz, etwas mehr als ein Drittel hat vor, ins europäische Ausland zu verreisen. Nach Übersee zieht es derweil nach wie vor wenige – nur gerade zehn Prozent der Bevölkerung hat vor, in den nächsten zwölf Monaten Ferien ausserhalb Europas zu verbringen. «Das liegt in erster Linie daran, dass bei Überseereisen nach wie vor viele Restriktionen und Unsicherheiten bestehen», sagt Dominik Georgi. Die Reiselust in der Bevölkerung scheint sich per se durch Corona nicht verringert zu haben. Ausschlaggebend für die Reisepläne sind laut der Einschätzung von Georgi in erster Linie die pandemiebedingten Einschränkungen.
Im März des letzten Jahres ist die Häufigkeit der Einkäufe kurzzeitig stark eingebrochen – die Menschen gingen während des ersten Lockdowns seltener in die Läden, haben dafür aber pro Einkauf mehr Geld ausgegeben. Nach dem ersten Lockdown stieg die Einkaufshäufigkeit auf ein hohes Niveau, das bis zur Messung im Mai angehalten hat – unter anderem auch, weil bis zu diesem Zeitpunkt die Restaurants geschlossen waren oder nur die Terrassen öffnen konnten.
An Beliebtheit gewonnen haben seit Pandemiebeginn die Bäckereien, Metzgereien, sowie Quartier- und Bauernhofläden. Laut den Studienautoren ist das Ausdruck eines Trends zum Einkauf von regionalen Produkten, der schon weit vor Corona begonnen hat und in den in den letzten zwölf Monaten verstärkt wurde. «Während der Pandemie arbeiten viele Menschen im Homeoffice, dadurch haben sie mehr Zeit, auch einmal auf einem Bauernhof oder auf dem Wochenmarkt einzukaufen», sagt Marcel Zbinden, Co-Studienautor und Wirtschaftspsychologe an der Hochschule Luzern. Um regionale Lebensmittel einzukaufen, müsse man aber nicht zwingend direkt zum Produzenten, solche Produkte gibt es auch im Supermarkt. Zbinden: «Die Bauernhofläden müssen sich wohl darauf einstellen, dass die Kundenzahlen wieder etwas zurückgehen werden, auch wenn die Vorsätze der Konsumentinnen und Konsumenten etwas anderes erahnen lassen.»
Wenn es um nachhaltiges Konsumverhalten geht, äussern die Konsumentinnen und Konsumenten schnell gute Absichten. Oftmals widerspiegeln diese Vorsätze aber nicht das spätere, tatsächliche Verhalten. Für diesen sogenannten Attitude-Behavoir-Gap gibt es laut Marcel Zbinden verschiedene Gründe. Er sagt: «Grundsätzlich braucht es beim Menschen sehr viel, bis sich Verhaltensweisen dauerhaft ändern. Auch wenn die Absichten oftmals gut sind, kommt dann eben doch der Alltag dazwischen.» Das zeigt sich auch in den Umfrageresultaten. So haben bei der Messung im November 2020 viel mehr Leute angegeben, in Zukunft häufiger direkt in Bauernhofläden einkaufen zu wollen, als das im Mai 2021 tatsächlich getan haben. Auch wenn die genannten Gründe für das Einkaufen in Bauernhofläden überzeugend sind, scheint die Hürde, es dann auch tatsächlich zu tun, doch gross zu sein.
Veränderung des Konsum- und Freizeitverhaltens durch Corona
Die Studie des Instituts für Kommunikation und Marketing IKM der Hochschule Luzern zeigt auf, wie sich das Konsum- und Freizeitverhalten der Schweizer Bevölkerung durch die Coronakrise langfristig verändert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Messung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit. Dazu befragt das Forschungsteam um Dominik Georgi, Marcel Zbinden, Carmen Grebmer, Larissa Dahinden und Laura Oswald in mehreren Befragungswellen zwischen April 2020 und April 2022 jeweils 1’000 Personen nach ihrem Verhalten in verschiedenen Lebensbereichen.
Bisherige Erhebungswellen:
- Erste Messung, Erhebungszeitraum: 9. – 16. April 2020 (während Lockdown)
- Zweite Messung, Erhebungszeitraum: 19. – 26. Juni 2020 (nach Lockdown)
- Dritte Messung, Erhebungszeitraum: 21. Oktober – 3. November 2020 (Herbst 2020)
- Vierte Messung, Erhebungszeitraum: 28. April – 4. Mai 2021 (aktuell)[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]