Ein Opern-Highlight steht an: Giuseppe Vedis «Rigoletto» – ein Spektakel der besonderen Art! Aufgeführt auf der Seebühne Bregenz. Also machen wir uns auf und fahren frühzeitig Richtung Vorarlberg los.
Bei guter Unterhaltung und «rigolett’schen», spassigen Einlagen geniessen wir die Fahrt, sind uns des Weges völlig sicher, bis auch uns – eine Vorahnung auf den Verlauf von Verdi’s Oper? – die Gewissheit widerfährt, dass wir auf dem falschen Weg sind und dafür eine kleine Sightseeingtour schmunzelnd und lächelnd mit dem Navi zielsicher abschliessen…
Regenwasser und Lichtspiele
Das Wetter spielt schlecht mit und so besteigen wir die Tribüne statt in noblen Roben eben im Regenschutz und wasserfestem Zubehör, nehmen unsere Plätze ein und sind vom Anblick des Bühnenbildes überwältigt! Da ragt er aus dem Wasser; der 35 Tonnen schwere Kopf mit der «Bregenzerhand» zu seiner Linken und der «Lindauerhand» zu seiner Rechten! Beeindruckend! Spassig wird versucht, das Regenwasser – durchmischt mit Lichtflecken – von der Spielfläche zu wischen. Eine gelungene Aktion!
Feststimmung jäh unterbrochen
Pünktlich ertönt das «Orchestra in Residence» – die Wiener Symphoniker – welches mit dem Prager Pilharmonischen Chor die Musik Verdis zum Besten gibt und mit den Sängerinnen und Sängern das dramatische Geschehen auf der Bühne exzellent umsetzt! Konzentriert und in den Bann gezogen verfolgen die Zuschauer und Zuschauerinnen auf den Rängen die Inszenierung! Der Auftritt Rigolettos gleich am Anfang bei der Feststimmung mit dem Hofstab und das Erscheinen des Grafen Monterone führen uns mitten ins Geschehen: Er verflucht Rigoletto und den Herzog von Mantua für ihr unmoralisches Tun!
Einsicht? Fehlanzeige
Die Drohung wird gehört und es stellt sich für mich die Frage, ob diese auf das weitere Handeln der beiden Protagonisten einen Einfluss hat. Mitnichten! Sie spinnen ihre Fäden weiter und sind sich ihrer Sache immer sehr sicher. Einzig Rigoletto scheint sich um seine Tochter Sorgen zu machen. Menschliche – wenn auch egoistische – Züge tauchen auf! Seiner allerliebsten Tochter darf nichts geschehen, sie muss vor dem Herzog versteckt werden. Kann man/darf man das? Und: Weshalb erzählt Gildas Vater ihr seine eigene Geschichte nicht? Hat er Angst die Kontrolle zu verlieren? Muss er vermehrt auf die Aktivitäten seiner Tochter ein Auge werfen? Für mich ist es eine wunderschöne Metapher, als sich die Augen aus dem Gesicht des prominenten Kolosses selbständig machen… Bedeutet das jetzt aber das genauere Hinsehen oder der Verlust der Sehkraft? Fragen über Fragen!
Ich merke, dass Kontrolle und Intrigieren für die Hauptfigur von zentraler Bedeutung sind, Rigoletto sich aber dann wieder wie ein Esel vor den Karren spannen lässt, als es um die vermeintliche Entführung seiner «Geliebten» geht…
Dramatisches Finale
Die Geschichte fesselt mich immer mehr! Inspiriert mich allenfalls der Fesselballon dazu, der während des ganzen Stückes unbewegt bleibt, eben «gefesselt» ist?
Die ganze Palette der menschlichen Unmoral wird uns vor Augen geführt, als Sparafucile – als Auftragsmörder angeheuert – nicht den Herzog tötet, sondern aus Versehen Rigolettos Tochter! Ein an Dramatik nicht zu überbietendes Finale! Der Fluch ist eingetreten und hat den Schuldigen bestraft. Aber was ist mit dem Herzog von Mantua? Wurde er nicht auch mit demselben Fluch belegt? Gerechtigkeit? Gibt es so was im Leben? Im wirklichen Leben…
Der tobende Schlussapplaus holt mich wieder aus meinen Gedankenspielen zurück und sagt mir, dass ich nicht weiter nach Erklärungen suchen muss, sondern mich an den fantastischen schauspielerischen, musikalischen, gestalterischen und thematischen Perlen erfreuen kann und diesen eindrucksvollen Abend auf der Heimfahrt ausklingen lassen kann!
Text: Max Thürig Korrespondent für Süddeutschland und die Deutschschweiz www.wildwaldwalk.ch
Fotos: Max Thürig und bregenzerfestspiele.com/de