London Symphony Orchestra Robin Ticciati, Leitung – Antoine Tamestit, Viola, 18. 10.2021 KKL Luzern, besucht von Léonard Wüst

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London Symphony Orchestra Foto Mark Allan

Besetzung und Programm:
London  Symphony Orchestra
Dirigent Robin Ticciati
Solist Viola Antoine Tamestit
William Walton  – Konzert für Viola  und  Orchester
Johannes Brahms Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98 (ca. 40’)

Alle Jahre wieder zu Beginn der Saison des Migros- Kulturprozent – classics begrüsst Intendant Mischa Damev das Publikum mit launigen Worten und hofft, dass diese Saison wie geplant durchgeführt werden könne und heisst zum Auftakt eines der weltbesten Orchester, Zitat Damev,  im Konzertsaal des KKL Luzern willkommen.

Dirigent Ticciati Robin

Mit Robin Ticciati stand ein «Shooting Star» der Klassik am Pult, der Pariser Antoine Tamestitagierte als. Solist an der Viola. Mit seinem Debüt bei der Filarmonica della Scala im Juni 2005 wurde Robin Ticciati der jüngste Dirigent, der in der Historie der Mailänder Scala am Dirigentenpult stand. Im Sommer 2006 dirigierte er Mozarts Il sogno di Scipione bei den Salzburger Festspielen.

 

William Walton Konzert für Viola und Orchester

Antoine Tamestit spielte am Montag im KKL

Das Bratschenkonzert von William Walton ist – ohne Übertreibung – das erste Konzert für Viola und Orchester des 20. Jahrhunderts. Und es hat die Pforten für dieses noch immer unterschätzte Instrument – wenn es um dessen Solistenrolle geht – weit aufgestoßen.

Walton, der von 1902 bis 1983 lebte, hatte in den zwanziger Jahren durchaus mit Elementen der musikalischen Moderne experimentiert und ähnlich wie Strawinsky einen veritablen Skandal-Erfolg zuwege gebracht: mit dem auch sprachlich recht eigenwilligen Melodram „Facade“. Doch später machte er einen Rückzieher: das Konzert für Viola und Orchester von 1929 zeigt wieder fast schon romantische Züge. Trotzdem weigerte sich der zunächst für die Uraufführung vorgesehene Lionel Tertis, das Werk aus der Taufe zu heben, und zwar mit der Begründung, es sei zu modern und deshalb unspielbar.

Uraufführung mit Paul Hindemith als Solisten

Solist Antoine Tamestit

Am 3. Oktober 1929 kam das Konzert dann doch in London auf die Bühne, und Solist war der keineswegs weniger prominente Paul Hindemith, der damit gleichzeitig seine Wertschätzung für den jungen britischen Kollegen zum Ausdruck brachte und dessen Karriere einen gehörigen Schub gab.

Eigenständiger Weg zwischen Spätromantik und Moderne

Waltons Musik findet einen originellen Weg zwischen Spätromantik und Moderne. Nostalgische Melodien, die das ländliche England beschwören, wechseln mit rhythmisch mitreißendem Drive, der vom nervösen Leben der Großstadt London zu erzählen scheint. Geschickt verwebt Walton den Solopart mit dem farbig instrumentierten Orchester, unterfüttert von einer süffigen, eigenwillig zwischen Dur und Moll changierenden Harmonik.

Gesanglicher Wohllaut und kerniger Ton

Antoine Tamestit Solist Viola

Antoine Tamestit, er spielt eine Stradivari aus dem Jahre 1672, zieht souverän die klanglichen Register seines Instruments – zwischen dem gesanglichen Wohllaut einer angenehm verschleierten Altstimme in den lyrischen Partien und einem kernigen Ton mit pointierter Attacke in den jazzigen Abschnitten. Ein hellwacher, reaktionsschneller Partner ist ihm Robin Ticciati am Pult der wunderbar warm und dunkel klingenden Londoner Symphoniker. Das ist tolle Musik – handwerklich auf höchstem Niveau, inspiriert und spontan zugänglich. Antoine Tamestit nähert sich Walton mit romantischem Ton. Mit Ruhe und einer gewissen Gelassenheit singt er die kantablen Linien großzügig aus. Den zweiten Satz, ein Scherzo, lässt er aufleben und mobilisiert hier mitreißendes Temperament und packenden Drive, von dem auch der dritte Satz profitiert.

Das Publikum, sichtlich beeindruckt, belohnte die Protagonisten mit stürmischem, langanhaltendem Applaus.

Johannes Brahms (1833 – 1897) Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98

Hochkonzntrierter Robin Ticciati

Der erste Satz folgt dem konventionellen Schema der Sonatensatzform, ist geprägt von einer Folge absteigender Terzen die im Verlauf der gesamten Sinfonie mehrfach variiert werden. Auch der zweite Satz beginnt ungewöhnlich. Zuerst ein archaisch anmutendes Bläserthema, später dann eine warme, schier unendlich scheinende Kantilene der Celli. Das Intro der Hörner zu Beginn des zweiten Satzes gemahnt mich immer an das „Munotsglöckchen“, ein Motiv, das vom gesamten Ensemble in diversen Variationen übernommen und schlussendlich im Finale von den Bässen akzentuiert wird, bevor die Streicher das Ganze weich ausfliessen lassen, das von der Querflöte noch veredelt wird.

Resoluter, kontrastreicher 3. Satz

Dirigent Robin Ticciati

Sehr resolut der dritte Satz, der größtmögliche Kontrast: ein lärmendes, fast burleskes “Allegro giocoso”. Einwürfe von Piccolo Flöte, Kontrafagott und Triangel geben dem Ganzen einen schon fast grotesk wirkenden Charakter. eine gewollte Heiterkeit, die etwas Drohendes hat. Abrupt geht es in einer Trubel artigen C-Dur-Stimmung weiter, ebenso in einer, für Brahms, eher ungewöhnlichen Instrumentierung, mit zusätzlicher Piccolo flöte, Triangel sowie C-Klarinetten. Gegen Ende des Satzes klingt das Hauptthema des Finalsatzes an, bevor der lärmende Trubel sein Ende findet.

Beeindruckender finaler Satz

Dirigent Robin Ticciati

Der finale Satz startet mit schönen Hornklängen, unterstützt vom Paukisten, der von den Trompeten unterstützt wird, bevor das ganze Orchester wieder zu einer Einheit findet. Zum Ende duellieren sich die Streicher mit der Pauke, bevor sich die Querflöte und peu a peu die anderen Bläser dazugesellen, über alles erheben sich die Blechbläser, die ihrerseits von den Streichern wieder etwas zurückgebunden werden, bevor sich alle zum furiosen Ausklang wieder vereinen. Die Sinfonie, zu den weltbekanntesten  gehörend, vermochte das Publikum zu begeistern und wurde von diesem auch mit einem stürmischen, langanhaltenden Schlussapplaus honoriert. Robin Ticciati war dem Orchester ein engagierter, auch körperlich voll mitgehender Taktgeber. Nach dem nicht enden wollenden  Applaus gewährten die Engländer noch eine Zugabe in Form der Legende op. 59, Nr. 10 von Antonin Dvořák.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: http://www.migros-kulturprozent-classics.ch/  

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