Zürich (ots) – Angst, Autoaggression wie Ritzen oder psychische Erkrankungen: die aktuellen Auswertungen der Notrufnummer 147 zeigen, dass sich zunehmend Jugendliche mit schwerwiegenden persönlichen Problemen an die professionelle Beratungsstelle von Pro Juventute wenden. Diese können oft nicht auf die Unterstützung ihres nächsten Umfelds zählen. Oder sie trauen sich nicht, belastende und intime Themen, Ängste und Sorgen mit ihren Eltern, Geschwistern oder Freunden zu besprechen. 2014 meldeten sich jeden Tag im Schnitt mehr als zwei Mädchen oder Buben mit Suizidabsichten, 56 Mal mussten Kriseninterventionen eingeleitet werden via Polizei, Ambulanz oder psychiatrischen Diensten. Dies erstaunt nicht, hat die Schweiz doch eine der höchsten Jugendsuizidraten Westeuropas.
„Seit einiger Zeit leide ich an Depressionen und Angstzuständen. Es ist so schlimm geworden, dass ich mir eigentlich professionelle Hilfe holen möchte. Kann ich aber nicht. Meine Familie weiss nichts davon. Vor ihnen tue ich immer so, als wäre alles in Ordnung. Ich habe Angst vor ihrer Reaktion und weiss nicht, wie ich mit ihnen darüber sprechen soll.“: Persönliche Probleme und Sorgen belasten viele Kinder und Jugendliche schwer, wie diese 17-Jährige, welche sich daher an die Beratung + Hilfe 147 gewendet hat. Insgesamt ist das Team von Pro Juventute jeden Tag für über 400 Kinder und Jugendliche da. Mehr als 70 Beraterinnen und Berater stellen sicher, dass die Kinder und Jugendlichen rund um die Uhr per Telefon, aber auch über neue Kanäle wie Chat, SMS und Web eine Ansprechperson finden.
Deutliche Zunahme von Fragen zu schwerwiegenden persönlichen Problemen Durch den intensiven Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen, ihren Sorgen und Ängsten, zeigt sich Pro Juventute ein Bild davon, was die Heranwachsenden in der Schweiz beschäftigt. Die wichtigsten Themenbereiche sind persönliche Probleme, Sexualität, Familie und Liebe. Dabei fand in den letzten Jahren eine kontinuierliche Verschiebung innerhalb der Beratungsthemen statt zu Beratungen bei persönlichen Problemen. Darunter fallen Angst, Autoaggression/Ritzen, Fragen zu psychischen Erkrankungen oder Suizidgedanken. Diese Entwicklung zeigte sich auch im letzten Jahr, so nahmen beispielsweise Beratungen zum Thema Angst (+10.6%), Autoaggression/Ritzen (+5.6%), psychischen Erkrankungen (+24%), depressiver Stimmung (+11.8%) oder Suizidgedanken (+10.5%) gegenüber 2013 deutlich zu. 2014 wendeten sich im Schnitt jeden Tag mindestens zwei verzweifelte Mädchen oder Buben mit ernsthaften Suizidabsichten an die Fachleute von Pro Juventute. Auch musste das Team der Beratung + Hilfe 147 viel häufiger unmittelbare Kriseninterventionen einleiten: Während im Jahr 2007 noch sieben Mal Rettungskräfte aufgeboten werden mussten, waren es 2014 bereits 56 Kriseninterventionen via Polizei, Ambulanz oder psychiatrischen Diensten.
Persönliche Probleme sind oft schambelastet
„Kindern und Jugendlichen stehen heute viele Kanäle zur Verfügung um sich zu informieren.“, erklärt Thomas Brunner, Leiter Beratung 147 Deutsche Schweiz, diese Entwicklung. „Themen wie Liebe oder Sexualität beschäftigen fast alle Teenager, entsprechend viele Diskussionen und Informationen finden sich im Internet. Persönliche Probleme sind dagegen oft sehr spezifisch und individuell, hier sucht man eine Person, mit der man direkt sprechen kann.“ Im ersten Schritt ist es für viele Kinder und Jugendliche wichtig, dass jemand da ist, der zuhört und zu dem sie Vertrauen haben können. „Viele Jugendliche empfinden grosse Scham, über persönliche Probleme, wie Ängste, Selbstwertgefühl, persönliche Krisen oder gar Suizidgedanken zu sprechen. Bevor sie sich an die Eltern, Geschwister oder Freunde wenden, möchten viele mit einer unabhängigen Person vertraulich sprechen.“ Danach werden gemeinsam mit dem Hilfe suchenden Kind oder Jugendlichen Lösungsansätze entwickelt. Wenn nötig, vermittelt Pro Juventute Kontakte zu regionalen Stellen vor Ort in der näheren Umgebung des oder der Betroffenen. Vielschichtigere und schwerwiegendere Themen führten 2014 zu intensiveren und längeren Beratungsgesprächen. Die durchschnittliche Beratungszeit stieg gegenüber 2013 um 20 Prozent an.
Kostenlose und professionelle Unterstützung für Kinder und Jugendliche Kinder und Jugendliche erhalten rund um die Uhr Unterstützung durch die Fachleute der Notrufnummer 147 von Pro Juventute. Hilfesuchenden stehen die Kinder- und Jugendpsychologen der Beratung per Telefon und SMS unter der Nummer 147 oder per E-Mail, Chat und Web-Self-Service auf www.147.ch zur Verfügung – in den drei Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch. Anrufe oder SMS auf die Notrufnummer 147 erscheinen auf keiner Telefonrechnung, sind kostenlos und vertraulich. Kinder und Jugendliche können sich also quasi «unbemerkt» externe Hilfe holen.