Aus dem Staatsarchiv – Das Fural-Dach: Ein Urner Patent erobert die Welt

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Das Fural-Dach: Ein Urner Patent erobert die Welt

Das Staatsarchiv Uri als zuverlässiges Gedächtnis des Kantons beherbergt nicht nur die Akten der kantonalen Verwaltung. Es sammelt auch ein breites Spektrum von ganz unterschiedlichen Zeitdokumenten aus privater Herkunft, die interessante und oft überraschende Einblicke bieten. Dazu gehört auch der Nachlass von Josef Furrer-Gisler

Mit dem Abschluss der Erschliessung des Nachlasses von Josef Furrer-Gisler ist eines der wichtigsten und umfangreichsten Wirtschaftsarchive im Staatsarchiv Uri für Interessierte zugänglich. Dokumentiert wird die Geschichte eines genialen Tüftlers und Erfinders. Mit seinem patentierten Fural-Dach hat er Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Josef Furrer kam am 9. Januar 1910 als drittes Kind seiner Eltern Josefine und Adolf Furrer-von Wyl auf die Welt. Der Vater arbeitete als Schuhmacher und Briefträger. Josef Furrer wuchs im Kreis der Grossfamilie in einem Einfamilienhaus an der Attinghauserstrasse in Altdorf auf. Seine Schulzeit verbrachte er bis zur Realschule in Altdorf und später bei seiner Tante und seinem Onkel in Zürich, wo er auf dem Bauernhof mithalf, und die Schule besuchte. Nach dem Tod seines Onkels kehrte er nach Altdorf zurück und begann in der Schreinerei Gisler eine Lehre als Bauschreiner. Nach verschiedenen Arbeitsstellen zog es Josef Furrer nach Basel, wo er Hallenchef der Schweizer Mustermesse wurde. Bei der Firma Idealheim, ebenfalls in Basel, konnte er später als Innenarchitekt arbeiten. Dieses kreative Schaffen schätzte der Urner sehr, und er entschloss sich 1947 nach Altdorf zurückzukehren und ein Architekturbüro zu eröffnen. Im folgenden Jahr heiratete er Anna Gisler. Ihr Vater war der erste Urner liberale Regierungsrat, Dr. med. Karl Gisler, Mitgründer der «Gotthard-Post» und Geschichtsforscher (sein Privatarchiv befindet sich ebenfalls im Staatsarchiv Uri). Anna und Josef Furrer-Gisler bekamen drei Kinder.

Wie ein Reissverschluss

Um sich ganz auf seine erfinderischen Tätigkeiten zu konzentrieren, gab Josef Furrer schon bald sein Architekturbüro auf und widmete sich voll und ganz seinen Erfindungen. Er gründete 1950 in Altdorf die Firma FURAL. Mit der Erfindung des Reissverschlussdachs gelang ihm der Durchbruch. Josef Furrer, ursprünglich Bauschreiner, entwickelte das System, nachdem er als Hallenchef der Schweizer Mustermesse in Basel immer wieder mit undichten Dächern konfrontiert war. 1946 begann er mit der Entwicklung, nannte die Konstruktion zunächst Rollfix-Band und später Fural (dies steht für Furrer-Aluminium-Bedachung). Er liess das System 1948 patentieren und suchte weltweit Lizenznehmer. Ein einzigartiges Montage- und Befestigungssystem steht im Zentrum dieser Innovation. Die Montage des Fural-Dachs kommt ohne Verschraubung aus. Die Bleche verbinden sich mit der identisch profilierten Unterkonstruktion und können sich in alle Richtungen bewegen und so Wind und Wetter standhalten. Mit dem gleichen System wurden in der Folge auch Fassaden verkleidet.

Auch Le Corbusier nutzte das Dach

Die ersten verlegten Fural-Dächer zieren das Kurtheater Baden, ein Ferienhaus in Grindelwald und die Magazini Usego in Bironico. Furrers Dach erhielt besondere Aufmerksamkeit, als Le Corbusier es 1951 für die Fassade des Hauses seiner Mutter in Vevey verwendete. In den folgenden Jahren wurden weltweit über sieben Millionen Quadratmeter Fural-Dach verlegt. Es gab Produktionsstätten in Brasilien, Amerika, Schweden, Italien, Deutschland, Belgien und Österreich; exportiert wurde bis nach Neuseeland.

Ein Dach für den Kaiser

Furrer erfand weitere Bauinnovationen, wie das Betonwandsystem Ifurit und das Holzbausystem IFA-Norm, die darauf abzielten, Bauarbeiten zu vereinfachen. Allerdings erwies sich das Bauwesen als ein schwieriger Markt, und nicht alle Erfindungen konnten sich durchsetzen. Ein besonderes Abenteuer erlebte der Erfinder 1958 bei seiner Reise nach Abessinien, dem heutigen Äthiopien. Der Kaiser Haile Selassie empfing Josef Furrer-Gisler persönlich in Addis Abeba und übergab ihm den Auftrag, das Dach des neuen Jubiläumskaiserpalasts mit dem Structal-System zu bedecken, einer weiteren Erfindung des Urners.

Josef Furrer ging immer mit der Zeit, und als der Patentschutz für Fural auslief, entwickelte er in den 1960er-Jahren eine neue Version des Dachs, die weniger Zeit für die Verlegung benötigte, und nannte es New Fural. Er plante auch eine mobile Verformungsmaschine, die es ermöglichte, Bleche direkt auf der Baustelle herzustellen und damit Transportkosten zu senken. Josef Furrer träumte zudem von einem Fural-Dach aus Kunststoff, eine Idee, die er schon 1947 verfolgt hatte.

Spielzeuge für Kinder und Erwachsene

Der Nachlass im Staatsarchiv Uri widerspiegelt die Vielseitigkeit von Josef Furrer. Nebst seinen diversen patentierten Erfindungen für den Hausbau hat er auch zwei Spielzeuge kreiert: 2×11 und Normi. Das Spiel 2×11 für zwei Personen ab acht Jahren wurde mit folgenden Worten beworben: «Ein neues, modernes Spiel ohne Würfel, das in attraktiver Art, Kurzweil, Spannung und Anregung bietet, und weder an Alter, Ort und Sprache gebunden ist, sich somit auch sehr gut als Wettspiel eignet. 2×11 wird im Sinne des Fussballspieles mit je 11 Figuren und einem Ball gespielt, d.h. es wird unter Einsatz aller Figuren angegriffen, verteidig, gedeckt, aufgebaut, zugespielt, vereitelt und Tore geschossen.» Normi war anfänglich als Modellbauset für Interessierte an dem von ihm erfundenen Holzbausystem IFA-Norm geplant. Unter dem Namen Normi wurde es aber auch als Kinderspielzeug veröffentlicht und sogar 1973 an der internationalen Spielwarenmesse in Nürnberg vorgestellt.

1976 verstarb Josef Furrer-Gisler ganz plötzlich. Im umfangreichen Bestand seines Nachlasses befinden sich unter anderem Prospekte, Produktebeschreibungen, Patentschriften, Verträge, Dokumentationen über die verschiedenen Teilfirmen, Reisenotizen und Jahresabschlüsse. Ein weiteres Highlight aus dem Nachlass ist der gut fünfminütige Film «Mit Bedacht bedacht mit Fural bedacht». Das bedeutende Zeitdokument von 1955 gibt Instruktionen zur Verlegung des Fural-Dachs.

Quellen:

  • Staatsarchiv Uri P-282 Nachlass Josef Furrer-Gisler /1910-1976)/Fural
  • Biografisches Lexikon verstorbener Schweizer
  • Nachruf im «Urner Wochenblatt» vom 20. November 1976
  • Alois Diethelm: Die Wiederentdeckung des Reissverschlussdaches, eine Blechkonstruktion aus den fünfziger Jahren feiert ihr Comeback. In: Werk bauen + Wohnen, 2009, Heft 7-8.
1
Josef Furrer-Gisler, undatiert (Staatsarchiv Uri, P-282 Nachlass Josef Furrer-Gisler).

 

2
Stand der Firma Fural an der Basler Mustermesse, undatiert (Staatsarachiv Uri, P-282 Nachlass Josef Furrer-Gisler).
3
Prospekt des Fural-Dachs, undatiert (Staatsarachiv Uri, P-282 Nachlass Josef Furrer-Gisler).

Amt für Staatsarchiv