Was haben ein Leichenwagen, eine mobile Schnapsbrennerei, eine Fahne, Sperrgut,
Heugabeln und Morgensterne miteinander zu tun? Sie spielen in der Ausstellung des Künstlers Christian Philipp Müller unter dem Titel «aut vincere aut mori» Siegen oder Sterben – im Nidwaldner Museum Winkelriedhaus eine spezielle Rolle.
Die Ausstellung wurde am 11. Juni 2016 eröffnet und dauert bis zum 16. Oktober
2016.
Anlässlich der Eröffnung würdigte der Nidwaldner Regierungsrat und Bildungsdirektor
Res Schmid die Ausstellung im Winkelriedhaus: „Ich freue mich, dass ich hier im Nidwaldner
Museum die Ausstellung des diesjährigen Preisträgers des Prix Meret Oppenheim,
Christian Philipp Müller, eröffnen darf. Der Prix Meret Oppenheim ist der wichtigste
Kunstpreis, den der Bund vergibt.“ Diese aktuelle Ausstellung zeige, dass auch kleinere
Museen, mit kleineren Budgets wie das Nidwaldner Museum, durchaus attraktiv für
Kunstschaffende seien.
Patrizia Keller, Kuratorin des Nidwaldner Museums, betonte, Christian Philipp Müller
schaffe es, mit seiner Ausstellung ein assoziatives Beziehungsgeflecht aufzuspannen, in
dem sich lokale Geschichte und Kunstgeschichte mit seiner Biographie verwebe. „Die
Ausstellung aut vincere aut mori handelt auch vom Erinnern und lädt dazu ein, die eigenen
Gedankengänge weiterzuspinnen, um ihnen in Assoziationsketten freien Lauf zu
lassen.“ Sie lud die Betrachter zu eigenen Erinnerungen und Gedanken ein und zitierte
dazu passend den Luzerner Kunstpublizist Max Wechsler: „Das ist eine offene Veranstaltung.“
Als Umzug in der Zeit eingefroren
Auf Einladung des Nidwaldner Museums beschäftigte sich Christian Philipp Müller mit
dessen vielfältigen Sammlungsbestand. Aus dem riesigen Fundus von rund 17`000 Objekteinträgen hatte der in Biel geborene Künstler eine Auswahl zu treffen und entschied
sich letztendlich für fünf Sammlungsobjekte: Den Leichenwagen, die mobile Schnapsbrennerei, eine Landesfahne, einen Morgenstern und eine Heugabel. Nur zur Leihe und nur während der Dauer der Ausstellung werden die von Christian Philipp Müller bestimmten Sammlungswerke nun temporär in einen anderen Zusammenhang gebracht.
Als wäre ein Umzug in der Zeit eingefroren, besitzen die schwarzen Objekte eine eigene
Präsenz und erzählen zugleich ihre eigene Geschichte. Der Betrachter wird (Zeit-)Zeuge
einer Prozession, die hier nur vorübergehend Rast macht. Dabei schreiben wir uns als
Ausstellungspublikum ihrer Geschichte ebenso ein. Wie ein Erzähler schichtet der Künstler
nachweisbare Fakten aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft übereinander.
„Siegen oder Sterben“
Der Leichenwagen galt im 19. und 20. Jahrhundert als wichtiger Bestandteil eines komplexen
Sterbe- und Totenrituals. Der Leichenzug mit Leichenwagen bewegte sich vom
KANTON NIDWALDEN, Bildungsdirektion, Nidwaldner Museum Stans, 12. Juni 2016
Haus der Trauerfamilie zur Begräbnisstätte. Die mobile Schnapsbrennerei, ein Holzfuhrwerk mit Apparatur, erinnert mit ihren Röhren, Ventilen und Kesseln geradezu an ein Laboratorium. Nebst diesen zwei Objekten wählte Müller ausserdem eine grosse Landesfahne von Nidwalden aus dem Jahr 1802 aus. Sie diente im Stecklikrieg, einem föderalis-tischen Aufstand 1802 gegen die Helvetische Republik. Die Fahne trägt die Inschrift „Für Gott und Vaterland. Siegen oder Sterben.“ und war Impulsgeber für den Titel der Ausstel-lung aut vincere aut mori, zu Deutsch „Siegen oder Sterben“.
Ergänzt werden diese Objekte mit einem aus Carrara-Marmor geschaffenen Morgens-tern. Die 1:1 reproduzierte Schlagwaffe verweist auf das am 3. September 1865 einge-weihte Winkelrieddenkmal, welches das Opfer des Helden Arnold Winkelried in der Schlacht von Sempach im Juli 1386 symbolisiert. Für das ländliche Arbeiten und Leben steht die Heugabel, die aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammt.
Künstlerische Praxis
Christian Philipp Müller verwebt die Objekte basierend auf der interventionistischen Kunstpraxis mit Lokalhistorie, der Kunstgeschichte und mit seiner Biographie. „Bereits als Kind habe ich die Region um Stans kennengelernt. Zudem reizen mich Ausstellungsorte abseits der grossen Zentren“, erklärte Christian Philipp Müller den lokalen Bezug. Die Ausstellung im Nidwaldner Museum – Winkelriedhaus und Pavillon – ist seit 2007 die erste Einzelausstellung des Künstlers in der Schweiz. Christian Philipp Müller wurde mit dem Prix Meret Oppenheim 2016 ausgezeichnet.
Künstler in vielen Rollen
Er selbst erporbt sich in verschiedenen Rollen, sei es als Performer, Forscher, Kunstver-mittler, Fremdenführer, Ausstellungsleiter oder als Tourist. Er stellt Fragen nach dem Kunstkontext sowie nach dem Medium der Ausstellung. Letzteres tut Christian Philipp Müller zum einen als konzipierender Ausstellungsmacher, zum andern in seinen eigenen künstlerischen Arbeiten.
Sonderplakat in der Reihe des Nidwaldner Kunsthefts Zur Ausstellung erschienen ist als N° 9 in der Reihe des Nidwaldner Kunsthefts ein Son-derplakat mit einem Gespräch zwischen Christian Philipp Müller, Max Wechsler, Kunst-publizist & Übersetzer, und Patrizia Keller. Das Sonderplakat ist Teil der inszenierten Prozession. Dem Betrachter steht es frei, ein Sonderplakat – und somit einen Teil der erzählten Geschichte – mit nach Hause zu nehmen.
www.nidwaldner-museum.ch/ausstellungen/winkelriedhaus
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