In Graz wurde zwischen Wiener Klassik und osteuropäischen Klängen eine Brücke geschlagen. Auf Haydn und seine Zeitgenossen folgten Bearbeitungen ungarischer Bauernlieder, rumänischer Tänze und bulgarischer Rhythmen. Die Magie der klassischen Vollkommenheit wich den rauen Klängen bäuerischer Volksmusik – und das alles von Jugendlichen, sogar von Kindern vorgetragen, die eine erstaunliche Reife und seelische Verwandtschaft zu beiden Stilrichtungen offenbarten, die unterschiedlicher nicht sein können
Der 6. Internationale Béla Bartók Klavierwettbewerb für junge Pianisten 2019 ist erfolgreich über die Bühne gegangen.
Wichtigster Teil des Vorspielprogramms war: Wiener Klassik und Bartók.
Nach den Anfangsjahren in Wien wurde er zum zweiten Mal in Graz ausgetragen und scheint jetzt an seinem richtigen Platz angekommen zu sein. Die jungen Talente waren gut umsorgt und konnten unter idealen Bedingungen ihre Auftritte absolvieren. Und sie kamen in Scharen, nahezu 100 an der Zahl, aus 24 Ländern und von 3 Kontinenten, im Alter zwischen 7 und 25 Jahren. Man lauschte und freute sich ob der glücklichen Umstände, so viel musikalische Begabung in sieben Tagen zu erleben. Gründliche, solide Aufbauarbeit oder gar fantastische Leistungen: Die Schüler mit ihren Lehrpersonen leisteten Grossartiges.
Organisatoren des Wettbewerbs waren die Béla Bartók Gesellschaft Österreich und das Konservatorium des Landes Steiermark.
Das Institut blickt auf eine lange Geschichte zurück: 1815 als Akademischer Musikverein von Grätz gegründet, ist es der zweitälteste noch bestehende Musikverein der Welt. In seinem Gründungsjahr war Beethoven 45 Jahre alt und der junge Schubert musste noch als Schulgehilfe seines Vaters zum Haushaltsgeld beitragen. Aber ihre Musik, zusammen mit den Werken von Haydn und Mozart beherrschte bald die ganze westliche Welt.
Ein namhafter Grazer Komponist, Pianist und Dirigent prägte besonders die ersten Jahrzehnten des Musikvereins, dem von Anfang an auch eine Vereinsmusikschule angegliedert war: Anselm Hüttenbrenner, den Schubert als «treuen Freund bis in den Tod» bezeichnete. Kein Wunder, dass in Graz eine weitere Hochburg der Wiener Klassik entstand!
Das Institut erweiterte sein Lehrfächerangebot ständig und dementsprechend wuchsen die Schülerzahlen. Erfreulicherweise steigerte sich auch das künstlerische Niveau: Ab 1920 konnte der Name «Konservatorium» eingeführt werden, es fanden also parallel Berufs- und Laienausbildung statt.
Das Steiermärkische Landeskonservatorium
Es erlebte nach dem 2. Weltkrieg eine Blütezeit und musste Zweigstellen eröffnen, um den Ansturm der Jugendlichen gerecht zu werden.
Der stolze Name des Instituts ab 1991:
«Johann-Josef-Fux-Konservatorium des Landes Steiermark in Graz»
Der steirische Namenspatron, ein Grossmeister des Barocks ist heute vielleicht weniger berühmt als seine Kontrapunktlehre: «Gradus ad Parnassum»
In Graz liegt also Klassik und Barock in der Luft, schon wegen der prächtigen Architektur. Doch ist sie offen für Modernes!
Die Stadt gibt seit 1969 unter anderem dem «Steirischen Herbst» mit experimenteller Musik und dem „impuls“-Festival mit zahlreichen Uraufführungen ein Zuhause. Daneben klingt Béla Bartóks Musik nahezu archaisch – aber die neue Plattform für seine Werke in Graz hat eine besondere Bedeutung.
Béla Bartók – Ein Grosser der klassischen Moderne
Der ungarische Komponist gilt als radikaler Erneuerer – seine Modernität ist jedoch durchdrungen von Melodien aus Ungarn und seinen Nachbarländern. Wie es dazu kam?
In den Jugendjahren war er ein Suchender, der das bedrückende Erbe der genialen Vorgänger hinter sich lassen wollte. Er schrieb:
«Vielen begann die Masslosigkeit der Romantik unerträglich zu werden und es gab Komponisten, die das Gefühl hatten, unser Weg führe ins Uferlose …»
Bartók sprach aus eigener Seele – aber nach dieser schöpferischen Krise fand er eine neue Inspirationsquelle in der Bauernmusik seiner Heimat. Damals, 1905, bezog sich Heimat nicht nur auf ungarische Gebiete, sondern auf die ganze Habsburgermonarchie. Er begann das riesige Land zu bereisen, nahm Entbehrungen auf sich, lebte in entlegenen Dörfern mit den Bauern und hörte unermüdlich zu. Notierte alles, was die Kinder und Erwachsene sangen oder auf ihren einfachen Instrumenten spielten. Er sammelte ca. 13.000 Melodien, unter anderem slowakische, ungarische, serbische, ruthenische und rumänische Motive und katalogisierte sie. Seine Notiz über die Volksmusik wirkt wie ein Glaubensbekenntnis:
«Einfach, häufig auch rau, aber niemals dumm, bildet sie den idealen Ausgangspunkt für eine musikalische Wiedergeburt.»
Nach dem Zusammenbruch der Monarchie fiel Bartók bei der Regierung in Ungnade. Er wurde von nationalistischen Kreisen sogar als Landesverräter beschimpft, weil ihm die Musik der «feindlichen Nachbarn» ebenso wichtig war, wie die ungarische.
Was er jedoch durch seine Werke weiterhin sagen wollte: Wir gehören zueinander, trotz Landesgrenzen. Jede Ethnie ist einmalig, jede Volksmusik eine reine Quelle!
Jetzt gehören wir wieder zueinander, wir alle sind Europa. Und in der Steiermark schlägt die Jugend eine Brücke zwischen der Hochkultur des Westens und der Volksmusik des Ostens. Ganz im Sinne des Komponisten.
1. Preise und Sonderpreise des Wettbewerbs 2019:
Altersgruppe I (7-9 Jahre)
Znamirovský Adam, Tschechien 1. Preis und Sonderpreis für die beste Bartók Interpretation
Altersgruppe II (10-12 Jahre)
Weller Emil, Österreich Bartók Sonderpreis
Huang Tzu-Ning, Taiwan Beste Interpretation eines steirischen Komponisten
Csibi Orsolya Boglárka, Ungarn Bartók Sonderpreis
Kádár Viktória, Ungarn Bartók Sonderpreis
Altersgruppe III (13-15 Jahre)
Rozsonits Ildikó, Ungarn 1. Preis und Bartók Sonderpreis
Altersgruppe IV (16-18 Jahre)
Eydman Maria, Deutschland 1. Preis und Bartók Sonderpreis
Altersgruppe V (19-21 Jahre)
Ratiu Emanuel Gabriel, Deutschland Bartók Sonderpreis
Altersgruppe VI (22-25 Jahre)
Zając Tomasz, Polen 1. Preis
Szabó Eszter, Ungarn Bartók Sonderpreis
Die Jurymitglieder des 6. Béla Bartók Internationalen Klavierwettbewerbs 2019:
Eva Ott Pianistin, Künstlerische Leiterin der Béla Bartók Gesellschaft Österreich und Initiatorin des Wettbewerbs
Eduard Lanner Pianist, Direktor des Johann-Joseph-Fux-Konservatoriums, Organisator des Wettbewerbs
Markus Schirmer, Konzertpianist, Professor der Kunstuniversität Graz
Elisabeth Väth-Schadler, Pianistin, Professorin der Gustav Mahler Privatuniversität Klagenfurt
István Székely, Konzertpianist und Kammermusiker, Professor am Konservatorium Madrid
Meisterkurs in Wien 2019
Die Béla Bartók Gesellschaft Österreich führte im Herbst mit den Jurymitgliedern des Wettbewerbs erneut einen Meisterkurs durch. Vorspielprogramm war die Wiener Klassik. Er wurde rege besucht, die Jugendlichen kamen vor allem aus der näheren Umgebung, Wien und Ungarn.
Eine wichtige Voraussetzung dafür ist das regelmässige Üben auf dem richtigen Instrument, nämlich auf einem akustischen Klavier».
Der nächste Meisterkurs findet im Oktober 2020 statt.
Änderungen in der Austragung des Internationalen Béla Bartók Klavierwettbewerbs
Mag. Eduard Lanner, Direktor des Landeskonservatoriums hat, die Organisation betreffend, wichtige Änderungen bekannt gegeben:
- Der Termin des zweijährlich stattfindenden Wettbewerbs wird aus organisatorischen Gründen von November auf Februar des darauffolgenden Jahres verschoben; der nächste Wettbewerb findet also Ende Januar / Anfang Februar 2022 statt.
- Die ältesten Teilnehmer (Altersgruppen V und VI) werden ihr Vorspiel in zwei Runden absolvieren: Nach der Vorrunde wählt die Jury die besten für das Finale aus.
- Die Preisträger/innen dieser zwei Altersgruppen können sich in einem öffentlichen Konzert präsentieren.
- https://www.verwaltung.steiermark.at/cms/dokumente/12717102_74836685/f81030e8/Bartok-Wettbewerb-2019_DE_web.pdfText: www.annarybinski.chHomepages der andern Kolumnisten:www.gabrielabucher.ch
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