Besetzung und Programm:
Luzerner Sinfonieorchester
Rudolf Buchbinder, Solist am Klavier
Lucerne Festival Orchestra
Riccardo Chailly, Dirigent
Lucerne Festival Orchestra:
Richard Wagner (1813 – 1883)
Ouvertüre zur Oper «Rienzi»
Luzerner Sinfonieorchester:
Johannes Brahms (1833 – 1897)
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15
–
Antonín Dvořák (1841 – 1904)
Sinfonie Nr. 7 d-Moll op. 70
Rezension:
Erstmals in der Geschichte traten das Luzerner Sinfonieorchester und das Lucerne Festival Orchestra im gleichen Konzert auf. Ein ganz besonderer Jubiläumsabend, der die Verbundenheit von Lucerne Festival, Luzerner Sinfonieorchester ( im nachfolgenden LSO genannt) und KKL Luzern wunderbar zum Ausdruck bringt. Zugunsten eines möglichst guten Benefizergebnisses verzichten das Lucerne Festival Orchestra mit Riccardo Chailly sowie das Luzerner Sinfonieorchester auf eine Gage.
Doppeltes Heimspiel vor nicht ganz vollbesetzten Rängen
Zuerst gabs eine Begrüssung durch den Luzerner Stadtpräsidenten Beat Züsli, in welcher er die grosse Bedeutung des KKL und ins besonders des darin eingebetteten Konzertsaals für die Stadt Luzern und die Region betonte und den damals weitsichtigen Initianten auf politischer, wie auch privatwirtschaftlicher Ebene ein Kränzchen widmete. Anschliessend richtete der Präsident des Luzerner Sinfonieorchesters, Pierre Peyer, einige Willkommensworte an das gutgelaunte Auditorium gefolgt von einer kurzen Willkommensbotschaft des Stiftungsratspräsidenten des Lucerne Festivals, Dr. Hubert Achermann. Alle drei Redner betonten, welch Bedeutung dieses Meisterstück der Ästhetik und vor allem auch der Akustik (dafür zeichnete der New Yorker Russell Johnson (1924-2007) verantwortlich) für Luzern, die Region, ja für die ganze Schweiz hat. Das Lucerne Festival, vormals Internationale Musikfestwochen (IMF), würde es ohne diesen Saal nicht mehr geben, erläuterte Achermann, Luzern hätte heute nicht eines der weltweit bedeutendsten Festivals der klassischen Musik ohne die Visionen der Initianten und Macher von damals, von vor 30 Jahren. Besonders erwähnte er den damaligen Stadtpräsidenten Franz Kurzmeier und den, 1991 zum Gesamtkoordinator Kulturraum berufenen Unternehmensberater Thomas Held. Für einmal ein „Held“ aus Zürich wie Achermann schmunzelnd einen kleinen Seitenhieb setzte. Der Saal war erstaunlicherweise nicht ganz besetzt, vor allem viele Sitzplätze im obersten Preissegment blieben leer.
1. Konzertteil mit der Ouvertüre aus Rienzi von Richard Wagner
Die Mitglieder des, von Claudio Abbado und Festivalintendant Michael Häfliger im Jahre 2003 gegründeten Luzerner Vorzeigeorchesters, des „Lucerne Festival Orchestra“, kamen auf die Bühne, in langem zeitlichen Abstand gefolgt vom Chefdirigenten Riccardo Chailly.
Eingeleitet von einem Schicksal verkündenden Fanfarenruf, der einmal wiederholt wird, führen die Streicher im Piano das Hauptthema ein: das pathetische Heldenmotiv mit dem aufsteigenden Sextsprung, der absteigenden Kadenz und dem Wiederaufschwung, der auf dem Dominantseptakkord in Quintlage erwartungsvoll stehen bleibt. Besonders eindrucksvoll wirkt diese Passage durch den nuancierten Einsatz von crescendo und decrescendo sowie das starke Vibrato der Streicher. Das Festival-Orchester unter Riccardo Chailly gab mit der zur packenden, aufwühlenden Brillanz gesteigerten «Rienzi»-Ouvertüre eine Andeutung darauf, in welche Richtung es in Zukunft weiter gehen könnte. Das begeisterte Auditorium belohne die Künstler mit kräftigem, stürmischem Applaus, inklusive Extraapplaus für die einzelnen Register.
Als das Orchester die Bühne verlassen hatte, wurde der Konzertflügel hereingerollt und die Stühle für das nun auftretende LSO hergerichtet.
Kurzfristige Umbesetzung des Solisten am Klavier
Numa Bischof Ullmann, der umtriebige Intendant des Luzerner Sinfonieorchesters betrat kurz die Bühne und informierte, dass anstelle der vorgesehenen Solistin am Piano, Hélène Grimaud, die erkrankt sei, dank guten Kontakten und mit etlichem Aufwand, der Wiener Altmeister Rudolf Buchbinder, in Luzern von diversen Auftritten her bestens bekannt, verpflichtet werden konnte.
Grundsätzliches zum 1. Klavierkonzert von Johannes Brahms
Brahms hat sich schwer getan mit dieser „Konzert-Sinfonie“, über drei Jahre lang. Der glühend verehrte Beethoven warf einen langen Schatten über das Werk, das tatsächlich als Sinfonie Nr. 1 konzipiert war, in vier (statt jetzt drei) Sätzen. Damals war Brahms einundzwanzig Jahre alt und fühlte sich noch nicht firm im Orchestersatz – so jedenfalls wollte er dem Geiste des verstorbenen Meisters nicht begegnen. Also verarbeitete er das Material in einer Sonate für zwei Klaviere, was er dann aber doch als „allzu bescheiden“ empfand. Er ließ das depressive Scherzo der Sonate weg, ersetzte das ursprüngliche Finale durch ein Rondo – und endlich auf der Welt war das Schmerzenskind, dessen dunkles Pathos (im Sinne von: Leiden) gewiss auch über den Selbstmordversuch (1854) des geliebten Robert Schumann klagt, über dessen Verdämmern und Tod in der Nervenklinik zu Endenich.
Johannes Brahms Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15
Nun entern die Musikerinnen des LSO die Bühne, kurz darauf gefolgt vom kanadischen Gastdirigenten Peter Oundjian und vom Solisten Rudolf Buchbinder. Dieser setzt sich auf den Schemel, in sich versunken, fast kauernd, trotzdem angespannt und lauscht sehr interessiert dem Intro, dem „Maestoso“ mit welchem das Werk beginnt. Fast vier Minuten lässt Brahms uns warten, bevor er die ersten Noten für das Soloinstrument, in diesem Fall für das Klavier, in die Partitur hineingeschrieben hat.
Begleitet nur von leisen Pizzicato und Tupfern der Trompeten, Hörner und Pauken, entfaltet sich das herrliche Thema, piano und espressivo. Durch die Tonart und den 6/4-Takt versteckt, ist es den Eingangstakten von Beethovens 4. Klavierkonzert verblüffend ähnlich. Mit den charakteristischen Zweierbindungen von Achteln findet es in Terzen und Sexten erst in der rechten, dann auch parallel in der linken Hand zu majestätischer Größe. Nach 19 Takten ist das wuchtige Kopfthema mit den gefürchteten Oktavtrillern erreicht.
Wandlungsfähiger Solist am Piano
Rudolf Buchbinder, ob dieser Mann die Akkorde auf die Tasten knallt, einen filigranen Lauf setzt, bei den Tremolo feinfühlig nuanciert oder wie er sich ins Orchester einbettet, quasi unterordnet im Dienst der Sache, dieser Virtuose ist immer ein Ereignis für sich. Dass er nicht nur Beethoven kann, demonstrierte er einmal mehr eindrücklich und begeisterte das Publikum, das seinem Spiel gebannt lauschte. Das war nicht die süsse Romantik, da war Pfeffer und Dramatik, topmodern intoniert, unterstützt von einem kongenialen Orchester und magistralen Dirigat. Diese Interpretation überzeugte das sachkundige Publikum, welches denn auch nicht mit Applaus sparte, was wiederum den bald 70jährigen Österreicher sichtlich berührte.
2. Konzertteil mit Dvořáks Sinfonie Nr. 7 d-Moll op. 70
Anstatt beim Jubiläumskonzert etwas zu wagen, bewegte sich das LSO mit der 7. Sinfonie, einem Repertoirestück, auf ausgetretenen Pfaden. Dies allerdings auf höchstem künstlerischen Niveau und bestätigten so ihren Aufstieg in die Gilde der Orchester von Weltruf, der eng verbunden ist mit dem Konzertsaal des KKL Luzern und ohne diesen kaum möglich gewesen wäre. Das Publikum belohnte das Residenzorchester des KKL denn auch mit langanhaltendem Applaus, für den sich die Künstler in Form einer Zugabe, der Tchaikovsky – Polonaise, aus „Eugen Onegin“ erkenntlich zeigten.
Abschliessend beurteilt, wär es dramaturgisch und von der Spieldauer her geschickter gewesen, zuerst nur das Klavierkonzert von Brahms anzusetzen und im zweiten Konzertteil Wagners Rienzi Ouvertüre und Dvořáks Sinfonie, oder umgekehrt nur das Klavierkonzert im zweiten Konzertteil und die beiden anderen Werke im ersten.
Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch und www.sinfonieorchester.ch
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