Programm und Besetzung :
Ludwig van Beethoven | Klavierkonzert D-Dur op. 61 a
Joseph Haydn | Sinfonie Nr. 104 D-Dur «London»
Sinfonieorchester Camerata Schweiz
Howard Griffiths: Leitung
Claire Huangci: Klavier
Rezension:
Strömende Zuschauermassen in strömendem Regen, Tixi-Taxis treffen fast im Minutentakt ein, vor der Tonhalle Maag in Zürich bildet sich eine lange Schlange an diesem ersten Sonntag im Advent: Viel Solidarität mit den Menschen mit MS, aber auch viel Neugier auf das Programm und die Interpreten des diesjährigen Benefizkonzertes der MS Gesellschaft. Im grossen Foyer wärmen sich die einen unter den Heizstrahlern, andere bedienen sich aus grossen Schalen mit Spanischen Nüssli und Schokorondellen, es herrscht eine lockere Stimmung. Vom Gebäude nebenan wummert ein gewaltiger Bass, «nur bis 11.00 Uhr», beruhigt die Platzanweiserin, ein nahtloser Übergang von Party zu Klassikkonzert.
Auf dem Programm dieses Benefizkonzertes stehen Beethovens Klavierkonzert in D-Dur op. 61 a, ursprünglich für Violine geschrieben. Solistin ist die amerikanische Pianistin Claire Huangci, diesjährige Gewinnerin des renommierten Géza Anda Preises. Das zweite Werk ist Joseph Haydns Sinfonie Nr. 104 D-Dur «London», die Camerata Schweiz spielt unter der Leitung von Howard Griffith.
Gefühlte 40 Jahre
In seiner gewohnt lockeren Art begrüsst Howard Griffith die Gäste, erzählt von seiner Mutter, welche selber MS hatte und von seiner Verbindung zur Solistin Claire Huangci. Er kenne sie schon so lange, dass sie mindestens 40 sein müsste, sie sei aber erst 28. Mit seinem herrlichen Akzent und seiner unkomplizierten Art hat er die ausverkaufte Maag Halle sofort auf seiner Seite.
Atemberaubende Präzision
Ebenso auf ihrer Seite hat Claire Huangci das Publikum bereits nach den ersten paar Takten. Für Zuhörer, welche Beethovens Werk als Violinkonzert kennen, sind diese zwar anfänglich etwas gewöhnungsbedürftig, aber Huangci spielt mit so viel Hingabe, so leichtfüssig und mit glockenklarem Anschlag, dass man die Violine gerne und schnell vergisst. Singend und perlend kommt der erste Satz daher, mal grazil hingehaucht, ins Orchester hineingewebt, dann wieder atemberaubend virtuos mit unglaublich präzisen Trillern in einem kaum vorstellbaren Tempo. In der Kadenz lebt sie ihre Virtuosität nochmal voll aus, im spannungsvollen Dialog mit der Pauke. Im zweiten Satz bleibt sie gleichfalls gefühlvoll, leicht und sanft, wird dann energisch im dritten Satz, aber ohne jegliches Pathos, ohne Affektiertheit.
Howard Griffith begleitet mit der Camerata subtil und bleibt im ausgewogenen Zwiegespräch mit der hervorragenden Solistin. Man kann Beethoven nur beglückwünschen, dass er damals auf Wunsch des Pianisten und Notenverlegers Clementi diese Version für Klavier geschrieben hat, sei es nur, damit Huangci sie so wundervoll interpretieren kann. Die junge Pianistin wird vom Publikum frenetisch beklatscht und bedankt sich mit einem atemberaubenden Encore, der Toccata aus Friedrich Guldas Übungsstücke «Play Piano Play.»
Adventsstimmung
Im zweiten Teil folgt Haydns Sinfonie Nr. 104 «London». Da ist viel Spielfreude zu spüren, eine wunderbare Leichtigkeit, Verspieltheit und Transparenz. Auch hier zeigt sich der ganze Saal begeistert. Das Publikum wird aber nicht einfach so in diesen ersten Adventsonntag entlassen. Gemeinsam mit der Camerata und dem jungen Solisten Axel Marena wird «Stille Nacht» gesungen, auf Wunsch der MS Gesellschaft zum Abschluss noch Leonard Cohens «Hallelujah». Der Advent ist mehr als stilvoll eingeläutet!
Text: www.gabrielabucher.ch
Fotos: www.multiplesklerose.ch/de/