Besetzung und Programm:
Berliner Philharmoniker
Kirill Petrenko
Anton Bruckner (1824–1896)
Sinfonie Nr. 5 B-Dur WAB 105
Anton Bruckners Sinfonie Nr. 5 in B-Dur WAB 105 ist ein Monument der sinfonischen Literatur, das technische und intellektuelle Herausforderungen bietet. Diese Aufführung durch die Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Kirill Petrenko hob die beeindruckende Architektur und die spirituelle Tiefe des Werkes auf ein neues Niveau.
Eine meisterhafte Einleitung: Adagio – Allegro
Der erste Satz beginnt mit einer langsamen, geheimnisvollen Einleitung, die nach und nach eine dichte Klangwelt aufbaut. Die Berliner Philharmoniker unter Petrenko schaffen es, diese Spannung langsam aufzubauen, bis das Allegro einsetzt. Hier entfaltet sich die Sinfonie mit einer komplexen thematischen Arbeit, die typisch für Bruckner ist. Petrenkos präzise Gesten und das sensible Zusammenspiel des Orchesters erzeugen ein majestätisches Klangbild, das den Raum erfüllt.
Ein Dialog der Stimmen: Adagio
Das Adagio des zweiten Satzes ist ein emotionales Zentrum der Sinfonie, das oft als eine Art spirituelle Meditation beschrieben wird. In dieser Aufführung gelingt es den Berliner Philharmonikern, die kontrapunktische Komplexität mit großer Klarheit darzustellen. Die Streichersektion zeichnet sich durch ihre warme, fast intime Klangqualität aus, während die Bläser eine spirituelle Tiefe hinzufügen. Petrenkos langsames, sorgfältiges Tempo ermöglicht es jedem musikalischen Gedanken, sich voll zu entfalten, ohne die emotionale Intensität zu verlieren. Der Dirigent schälte, kongenial umgesetzt von seinen Mitmusiker*innen, die Nuancen der Partitur förmlich heraus.
Kraftvolle Rhythmen: Scherzo
Das Scherzo im dritten Satz präsentiert eine der kraftvollsten und rhythmisch markantesten Episoden der Sinfonie. Die Energie und Präzision der Berliner Philharmoniker sind hier besonders beeindruckend. Petrenko führt das Orchester mit einer unnachgiebigen Kraft, die dem Satz eine fast bedrohliche Intensität verleiht. Der kontrastreiche Trio-Teil bringt eine leichte, fast tänzerische Qualität ins Spiel, bevor das Hauptthema mit voller Wucht zurückkehrt.
Ein triumphales Finale
Das Finale der Sinfonie Nr. 5 ist ein wahres Meisterwerk der Kontrapunktik. Die Fuge, die den Satz dominiert, ist sowohl eine technische Herausforderung als auch ein triumphaler Höhepunkt. Petrenko und die Berliner Philharmoniker zeigen hier ihre vollkommene Beherrschung des Materials. Das Orchester bringt jede Stimme in der Fuge klar und präzise hervor, während die Musik sich zu einem majestätischen Abschluss erhebt. Besonders hervorzuheben ist die Art und Weise, wie der, 1972 in Omks, der damaligen Sowjetunion, geborene Meister des Taktstocks, den dramatischen Kontrast zwischen den ruhigen, fast mystischen Passagen und den kraftvollen, jubelnden Höhepunkten steuert.
Ein Höhepunkt der Bruckner-Interpretation
Diese Aufführung von Bruckners Fünfter Sinfonie durch die Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko ist zweifellos ein Höhepunkt in der Interpretation dieses Werkes. Die Klarheit, Präzision und emotionale Tiefe, die das Orchester unter Petrenkos Leitung erreicht, lassen die Sinfonie in all ihrer komplexen Schönheit erstrahlen. Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie Petrenko die verschiedenen Themen und Strukturen der Sinfonie aufeinander abstimmt und so ein kohärentes und überwältigendes Ganzes schafft.
Anton Bruckners brachiale Art
Obwohl Bruckner meist schon etwas brachial daherkommt, hat er immer wieder akzentuierte, sanfte Sequenzen, meist in Form des Einbezugs der Querflöte und, oder, der Oboe mit ihrem feinen, wohltuenden Klang, lässt aber ab und zu kräftig und ausgiebig auf die Pauke hauen, was Paukisten, die sonst meist eher eine untergeordnete Rolle spielen, natürlich ausgiebig geniessen.
Fazit: Eine überwältigende Erfahrung
Bruckners Sinfonie Nr. 5 in B-Dur ist ein Werk, das sowohl Interpreten als auch Zuhörer herausfordert. In dieser Aufführung mit den Berliner Philharmonikern unter Kirill Petrenko wird diese Herausforderung nicht nur gemeistert, sondern in ein musikalisches Erlebnis von seltener Tiefe und Schönheit verwandelt. Jeder Satz, jede Phrase wird mit einer solchen Präzision und Hingabe gespielt, dass die Musik sowohl in ihrer strukturellen Komplexität als auch in ihrer emotionalen Kraft vollständig zur Geltung kommt. Diese Interpretation wird sicherlich als eine der herausragenden Aufführungen dieses Meisterwerks in Erinnerung bleiben.
Viele andere Klangkörper neigen leider dazu, Bruckners Werke weniger nuanciert in den Details, dafür aber meist zu laut zu interpretieren, nicht so die Berliner.
Das Auditorium feierte die Berliner und ihren Chefdirigenten mit orkanartigem Applaus, Bravorufen und schlussendlich einer «Standing « Ovation».
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: Priska Ketterer, Peter Fischli und Patrick Hürlimann www.lucernefestival.ch
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