Besetzung:
Biréli Lagrène, Gitarre, Stochelo Rosenberg, Gitarre, Hono Winterstein, Gitarre, Franck Wolf, Saxophon, William Brunard, Bass
Rezension:
Noch heute wird der swingende Gypsy-Jazz vor allem mit einem Namen in Verbindung gebracht, nämlich mit jenem des legendären, 1953 verstorbenen Django Reinhardt. Und alle sind sich einig: Wenn dieser je einen legitimen Nachfolger hatte, dann ist das ohne jeden Zweifel Biréli Lagrène, der 1966 im Elsass auf die Welt kam und 14 Jahre später als Wunderkind mit dem Album «Routes to Django» debütierte. Seither hat Lagrène sich in ganz unterschiedlichen stilistischen Gefilden getummelt (u.a. bot er seinen flinkfingrigen Kollegen Paco de Lucia und Al Di Meola problemlos Paroli), ist aber regelmässig zu seiner ersten grossen musikalischen Liebe zurückgekehrt. Die Rückbesinnung auf seine Wurzeln ist für Lagrène kein nostalgisches Projekt, sondern eine Notwendigkeit – seine Gypsy-Projekte sind authentisch, mitreissend und von viel «joie de vivre» geprägt. Als «Special Guest» im KKL mit dabei: Stochelo Rosenberg!
Ein musikalisches Ereignis ganz in der Tradition von Django Reinhardt und dessen stilistischen Nachfolger, wie z. B. Häns`che Weiss (1951 – 2016), dem Rosenberg Trio usw. erwartet man, wenn man den Namen Biréli Lagrène in einer Konzertankündigung liest. Für all diese “ Manouche-Künstler“ ist Samois-sur-Seine eine Pilgerstätte, der Ort, an dem Django Reinhardt zuletzt gelebt hatte und 1953 an einer Hirnblutung, im Alter von grad mal 43 Jahren, verstarb. Ein Auftritt an einem, im Jahre 1968 ins Leben gerufenen Festival zu Ehren und Erinnerung an Django Reinhardt, unweit von dessen letztem Wohnort – auf der malerischen Île du Berceau, das ca. alle fünf Jahre stattfindet, ist für jeden dieser Gipsygrössen der Ritterschlag schlechthin und all die obgenannten erfreuten sich schon dieser Ehre.
Start in das Set mit dem zeitlosen Jazzstandard „Just the way you are“, geprägt von Franck Wolf mit dem Sopransaxophon. Sie wendeten sich dann nicht etwa bald dem „Jazz Manouche“ zu, sondern variierten den Song lang, etwas gar sehr lang und so erhielt der Saxophonist ausreichend Raum und Zeit für Soli und fulminante Läufe um sein unbestrittenes Können zu demonstrieren. Dazwischen streuten auch die andern mal einen Sololauf ein, Lagrène auf der Gitarre, der junge William Brunard auf dem Bass immer gut begleitet von Hono Winterstein mit der Rhythmusgitarre, der die typischen Gipsyriffs setzt, die diese Musik so unvergleichlich macht. Dann endlich folgte der Wechsel zum „Sinti Slang“, bei dem sich Franck Wolf, jetzt mit dem Tenorsaxophon, mit dezenteren, sanften Tönen wohltuend zurückhielt, damit sich die Saiteninstrumentalisten so richtig in die Zigeunermusik hineinsteigern konnten.
Biréli Lagrène begrüsst „Special Guest „ Stochelo Rosenberg auf dem Set
Richtig gute Stimmung kommt dann auf, als sich Stochelo Rosenberg zu den vier andern Musikern dazugesellt. Kaum sass er, wurde losgejammt, warf man sich die Liedfetzen zu, garnierte und modellierte sie weiter um sie dann wieder an den andern zu reichen. So entstanden zeitweise friedliche musikalische Duelle auf höchstem Level, an denen nicht nur das Publikum, sondern auch die Musiker ihre helle Freude hatten. Diese peitschten sich weiter durch das Set, trieben sich mit grandiosen Gitarrensoli ständig vorwärts, unterlegten dann abwechselnd die Sololäufe des andern wieder als Rhythmusgitarristen mit ihren schrammigen Riffs.
Manchmal funktioniert das mit dem Zauberlehrling
Nach dieser grossartigen Performance auf höchstem Niveau folgte eine eindrückliche Geste des Meisters Biréli Lagrène. Er schnappte sich den Bass von William Brunard, drückte diesem seine Gitarre in die Hand und es ging nahtlos weiter. Brunard wandelte brillant in den Spuren seines Bandleaders, als obs das einfachste wäre, den Meister zu imitieren, gar mit dessen musikalischen Qualität mitzuhalten und immer mal eigene Akzente zu setzen, sehr zur freudigen Verblüffung des Auditoriums. Noch war man nicht ganz angekommen im Olymp des Gipsyjazz, aber man spürte schon, dass es bis dorthin nicht mehr allzu weit sein dürfte.
Grandioses Schlussfeuerwerk mit einem Standard
Nachdem Lagrène sich wieder sein angestammtes Instrument gegriffen hatte, zelebrierten die Protagonisten ein Lied von Stochelo Rosenberg, das dieser für seine Tochter komponiert hatte. Auch hier harmonierten wieder fünf brillante Instrumentalisten auf höchstem musikalischem Level und mit überschäumender Spielfreude. Das Auditorium war begeistert und feierte die Musiker mit stürmischem, langanhaltendem Applaus. Dafür gewährten diese dann zum Abschluss noch eine grandiose Version von Sweet Georgia Brown, die ihnen dann noch eine verdiente stehende Ovation bescherte.
Link auf das Konzert zum 100sten Geburtstag von Django Reinhardt im Théatre des Champs Elysées in Paris, 14. März 2010
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: www.allblues.ch
Ein Konzert von www.allblues.ch und www.jazzluzern.ch
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