Frankfurt (ots) – Nur ganz kurz hat der Aktienmarkt am Freitag auf die überraschend starken Zahlen vom amerikanischen Arbeitsmarkt reagiert. Immerhin kletterte der Dax dabei bis auf 9627 Punkte, so dass dem deutschen Standardwerteindex keine 170 Zähler mehr bis zu seinem bei 9794 Zähler liegenden Rekordhoch vom Januar fehlten. Es ist schon bemerkenswert, dass das Marktbarometer in einer Phase, in der die Ukraine-Krise nichts von ihrer Brisanz verloren hat, Sichtkontakt zum Allzeithoch halten kann – von dem gerade erreichten neuen Rekord des Dow ganz zu schweigen. Dasselbe gilt auch für die sehr niedrigen Niveaus der Volatilitätsindizes, die eine gewisse Sorglosigkeit der Marktteilnehmer signalisieren.
Prinzipiell ließe sich daraus der Schluss ziehen, dass der Dax relativ zügig auf neue Rekordhöhen und auch auf die Marke von 10.000 Punkten steigen wird, wenn die Ukraine-Krise gelöst wird bzw. als Hemmnis wegfällt. Die hohe Liquidität und die niedrigen Zinsen würden dann ihre Wirkung wieder entfalten. Die Berichtssaison verläuft zwar nicht gerade berauschend – die „Erwartungen“ werden übertroffen, aber nur, weil sie vor der Saison nach unten geschleust worden sind. Der US-Arbeitsmarktbericht vom Freitag hat nach dem enttäuschenden BIP-Wachstum vom ersten Quartal aber gezeigt, dass die Hoffnung auf eine moderate konjunkturelle Beschleunigung und damit auf hinreichend steigende Gewinne in Erfüllung gehen kann. Zudem sorgt derzeit das sich extrem schnell drehende M&A-Karussell für Auftrieb.
Strategen sind für die nächste Zeit aber eher skeptisch. So rät die WGZ Bank, die den Dax in drei Monaten bei 9500 Punkten erwartet, zu einer abwartenden Haltung. Zwar überträfen die Quartalsberichte die niedrig gesteckten Erwartungen, doch seien geopolitische Unwägbarkeiten unstrittig vorhanden. Zudem beginne nun eine, historisch betrachtet, schwache Aktienmarktperiode, seit 1965 habe sich die Durchschnittsperformance beim Dax für den Monat Mai auf minus 0,3% belaufen. Trotz der nun anstehenden heißen Phase der Hauptversammlungen und dem anstehenden Dividendenregen würden ab Ende des Monats möglicherweise unangenehme Wahrheiten auf die Europäer zukommen, so die Bank unter Hinweis auf die Europawahl, die Lage in der Ukraine und eine eventuelle nochmalige Schuldenerleichterung für Griechenland. „Daher sollte sich beim Dax und Euro Stoxx 50 die Seitwärtsbewegung der letzten Monate fortsetzten, eventuell wird sogar nochmals ein neues Jahreshoch markiert, doch die Belastungsfaktoren werden früher oder später Wirkung zeigen.“
Auch die Landesbank Baden-Württemberg glaubt nicht, das sich der Dax schnell auf neue Höhen begeben wird. Nach dem Kursanstieg in der zweiten Aprilhälfte werde die Luft für den Dax in der kommenden Woche nun wieder dünner. Für einen ernsthaften Angriff auf das alte Hoch erscheine das politische Börsenumfeld momentan nicht stabil genug. Im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen sei keine rasche Entspannung in Sicht und die weitere Entwicklung bleibt nach wie vor nicht kalkulierbar.
Auch die fundamentale Seite gefällt dem Institut derzeit nicht. Da die Unternehmensgewinne nur sehr schleppend stiegen und tendenziell eher von Gewinnrevisionen nach unten geprägt seien, sei der deutsche Aktienmarkt inzwischen recht teuer geworden. Die Berichtssaison zum ersten Quartal werde daran voraussichtlich nichts Wesentliches ändern, zumal der feste Euro den europäischen Konzernen nicht gerade in die Karten spiele und zunehmend zum Belastungsfaktor werde.
Auch die Commerzbank erwartet eine Seitwärtsbewegung. In früheren Zyklen sei das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der Aktienmärkte häufig mehrere Quartale nicht mehr gestiegen, als die US-Notenbank mit einer weniger expansiven Geldpolitik begonnen habe. „Wir erwarten, dass dies auch im laufenden Zyklus so sein wird, so dass sich die KGVs zunächst auf den aktuellen Niveaus stabilisieren sollten.“ Gegen einen deutlicheren Kursrückgang spreche allerdings die weiterhin attraktive Dividendenrendite. Beim Dax liegt diese mit 3,0% weiterhin 150 Basispunkte über der Rendite zehnjähriger Bundesanleihen. Zudem seien die Renditen von Unternehmensanleihen zuletzt weiter gefallen. Viele Firmen könnten derzeit Unternehmensanleihen mit einer Laufzeit zwischen drei und fünf Jahren zu einer Rendite von weniger als 2,0% platzieren. Dies lasse, so die Commerzbank, Anleger auf eine verstärkte M&A-Tätigkeit spekulieren.