Frankfurt (ots) – Karl-Ludwig Kley liebt den großen Auftritt. Seit Monaten wird er nicht müde zu betonen, dass der von ihm geführte Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck nach erfolgreicher Restrukturierung wieder auf ertragreichen Wachstumskurs geht – organisch und mit Zukäufen. „Wir sind in der Lage, ambitionierte Schritte zu tun“, kündigte Kley auf der Hauptversammlung im Mai an.
Und Merck liefert. Im Juli konnte der Kauf der britischen AZ Electronic Materials für knapp 2 Mrd. Euro abgeschlossen werden. Jetzt lässt das Darmstädter Familienunternehmen umgerechnet 13,1 Mrd. Euro für den US-Laborausrüster Sigma-Aldrich in bar springen, ganz nach dem Motto „Wenn schon, denn schon“.
Die Investoren jubeln, wie die Hausse des Dax-Wertes zu Wochenbeginn zeigt. Das ist schon ungewöhnlich angesichts eines Kaufpreises, der das 20-Fache des operativen Ergebnisses von Sigma-Aldrich ausmacht. Aber die Anleger haben umgehend registriert, dass Merck zur Finanzierung des Deals nicht an eine verwässernde Kapitalerhöhung denkt, die angekündigten Gewinnsteigerungen aus den erklecklichen Synergien also potenziell wertsteigernd sind. Das wird auch den Familiengesellschaftern gefallen, denen das Unternehmen zu 70% gehört.
Zudem hat Merck in den vergangenen Jahren bei Investoren genügend Vertrauenskapital aufgebaut, dass auch der bisher größte Firmenkauf in der Geschichte des Unternehmens rasch verdaut sein wird. Das hat Merck schon nach der 10,3 Mrd. Euro teuren Übernahme der Schweizer Serono im Jahr 2006 bewiesen.
Für 2013 war nur noch eine Nettoverschuldung von 307 Mill. Euro gezeigt worden, die AZ-Akquise trieb diese zur Jahresmitte auf 2,2 Mrd. Euro. Für Sigma-Aldrich dürften noch einmal 4 Mrd. Euro Kredite dazukommen. Dass mit diesem kräftigen Anstieg der Verschuldung das komfortable Investment-Grade-Rating („A“ bei S&P, „A3“ bei Moody’s) etwas leiden wird, dürfte ein vorübergehender Makel sein.
Denn Kley und der neue Finanzchef Marcus Kuhnert lassen keinen Zweifel daran, dass die Darmstädter ihre starke Ertragslage und den hohen Cash-flow dafür einsetzen wollen, den Verschuldungsgrad rasch wieder nach unten zu bekommen. Klar ist aber auch, dass selbst Merck nicht alle Jahre einen solch großen Schluck aus der Pulle nehmen kann. Das Unternehmen wird auf Sicht zur Stärkung seiner regionalen Präsenz für die einzelnen Sparten zwar weiter selektiv zukaufen, aber in deutlich bescheideneren Dimensionen.