Die Asylverfahren in der Schweiz können und dürfen nicht beliebig verkürzt werden . Der Beschleunigung sind gerade dann klare Grenzen gesetzt, wenn es um den Schutz von besonders verletzlichen Personen geht. Diese Menschen zu identifizieren, muss in der Schweiz höhere Priorität erhalten, fordert Caritas Schweiz in einem Positionspapier.
Viele vertriebene Menschen erleben auf ihrer Flucht schwerwiegende Traumata und leiden lange unter den Folgen. Über das Erlebte zu sprechen, fällt ihnen oft schwer. Kommen sie in der Schweiz an, steht ihnen ein Asylverfahren bevor, das unter hohem Zeitdruck abgewickelt wird. Dadurch bleibt ihr besonderer Schutzbedarf, zum Beispiel infolge sexueller Gewalt oder Folter, oft unerkannt.
Dennoch werden in der Asyl- und Migrationspolitik schnellere Asylverfahren immer wieder als Wundermittel angepriesen. 2019 wurden die beschleunigten Verfahren auf Bundesebene eingeführt. Mit einer flächendeckenden unentgeltlichen Rechtsvertretung konnten dabei viele Risiken aufgefangen werden. Es zeigt sich aber große Herausforderungen, wenn Geflüchtete infolge von Gewalt- und Foltererfahrungen unter psychischen Belastungen leiden und besondere Beachtung erfordern.
Es ist für die prüfenden Behörden und die Rechtsvertretung äußerst anspruchsvoll, diese Personen in der kurzen Zeit als gefährdet zu identifizieren. Doch auch für die Betroffenen selbst ist es sehr schwierig, ihre Beeinträchtigungen in den kurzen Fristen nachzuweisen. Ihr Zugang zu medizinischen Abklärungen in den Bundesasylzentren ist stark erschwert.
Der Schutz verletzlicher Asylsuchender darf nicht dem Verfahrenstempo zum Opfer fallen
Ungeachtet dieser Herausforderungen hat die Politik in den letzten Jahren verschiedene Anläufe unternommen, die Verfahren weiter zu beschleunigen. So findet das sogenannte 24-Stunden-Verfahren mittlerweile schweizweit Anwendung und fließt in die Ausarbeitung der neuen Gesamtstrategie Asyl ein, die der Bund aktuell mit den Kantonen, Gemeinden und Städten aufgleist. Auch im Parlament werden weitere Beschleunigungsmassnahmen gefordert, aktuell zum Beispiel in einem Vorstoß der Finanzkommission des Ständerats.
Aus Sicht der Caritas Schweiz sind der Beschleunigung im Asylverfahren klare Grenzen gesetzt. Die Verletzlichkeit von Menschen, die Asyl beantragen und Schutz suchen, darf nicht übergehen. Es ist zentral, dass die Politik der Identifikation von besonders verletzlichen Geflüchteten mehr Gewicht einräumt, gerade auch bei der Ausarbeitung der neuen Gesamtstrategie Asyl. Denn nur so können die Bedürfnisse der betroffenen Asylsuchenden adäquat berücksichtigt werden.
Die Caritas schlägt daher vor, in jedem Asylverfahren eine Vorprüfung auf Vulnerabilität einzuführen. Sie fordert eine verstärkte Koordination: Der heute untersagte Austausch zwischen dem medizinischen Personal und dem Rechtsschutz muss flächendeckend ermöglicht werden.