Der Informationsjournalismus verliert die jungen Erwachsenen

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Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft

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Zürich (ots) – Junge Erwachsene im Alter zwischen 16 und 29 Jahren nutzen immer weniger Informationsmedien, die auf Hardnews setzen. Sie informieren sich stattdessen zunehmend über Social Media-Kanäle, in denen in erster Linie Softnews verbreitet werden, oder sie gehen als Informationsnutzer ganz verloren, weil sie ihre Zeit in Unterhaltungsangebote investieren.

Zu diesen Befunden kommt das fög – Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft / Universität Zürich in seiner sechsten Ausgabe des Jahrbuchs Qualität der Medien. In diesem Jahrbuch veröffentlichte Nutzungsdaten aus einer Befragung, die in Kooperation mit dem Marktforschungsinstitut GfK seit 2009 jährlich durchgeführt wird, zeigen, dass der Informationsjournalismus nutzerseitig ein gravierendes Nachwuchsproblem hat. So nimmt im Zeitraum zwischen 2009 und 2015 der Anteil jener jungen Erwachsenen im Alter zwischen 16 und 29 Jahren deutlich ab, die sich regelmässig über professionelle Informationsangebote der Gattungen Presse, Radio oder Fernsehen informieren. Im Jahr 2015 geben beispielsweise bereits 56% der befragten jungen Erwachsenen an, nie eine Abonnementszeitung zu nutzen. 2009 lag der Wert noch bei 35%. Bemerkenswert ist, dass dieser Nutzungsrückgang traditioneller Informationsangebote nicht durch die Nutzung professioneller Online-Newsangebote kompensiert wird. Der Nutzungsrückgang traditioneller Newsangebote wird bei den jungen Erwachsenen also gerade nicht durch eine stärkere Nutzung professioneller Online-Newsangebote kompensiert.

In Social Media dominieren Softnews

Stattdessen informieren sich Junge zunehmend nur noch über alternative Kanäle, allen voran über Social Media, oder sie gehen als Informationsnutzer ganz verloren, weil sie primär Unterhaltungsangebote konsumieren. Der News-Konsum via Social Media geht mit einer erhöhten Nutzung qualitätsminderer Beiträge einher. Eine Analyse der viral in Social Media am meisten verbreiteten Medienbeiträge zeigt, dass es sich dabei überdurchschnittlich oft um unterhaltende, emotionsgeladene oder ereignisgebundene, d.h. wenig einordnende Kurznews handelt. Personen, die News via Social-Networks konsumieren, nehmen die Welt somit stärker über episodische Softnewsthemen wahr als Personen, die direkt professionelle Newsmedien ansteuern.

Digitalisierung schwächt die Informationsmedien finanziell

Diese Nutzungsverschiebungen in Richtung Online und Social Media sind Teil grösserer Umwälzungen im Schweizer Mediensystem. Die Digitalisierung und die Globalisierung wirken sich in mehreren Facetten auf die Schweizer Medien aus und tragen zur Strukturschwäche des Informationsjournalismus bei. Die Zahlungsbereitschaft für Online-News ist weiterhin gering, die Online-Werbeeinahmen bleiben weit hinter den Erwartungen zurück und die Aversion der Nutzer gegenüber Werbung auf Onlineplattformen ist ausgeprägt. In wachsendem Ausmass entwickeln sich die Werbemärkte zudem zu einer Domäne der globalen Tech-Giganten Google und Facebook, die neuerdings auch ins publizistische Geschäft vorstossen, um den digitalen Fingerabdruck ihrer Nutzer zu vervollständigen und so für die Werbewirtschaft noch attraktiver zu werden. Folglich vergrössern sich die Finanzierungsschwierigkeiten des Informationsjournalismus weiter. Die jüngste Kooperation von Ringier, Swisscom und SRG auf dem Werbemarkt ist als Versuch zu werten, die Abwehrkräfte der hiesigen Medienanbieter gegen die vergrösserte Konkurrenz durch globale Anbieter zu stärken. Allerdings werden dadurch neue Gräben zu den anderen Schweizer Medienorganisationen aufgerissen, die nicht an dieser Kooperation partizipieren.

Wachsende Politisierung, wachsendes Feindbild SRG

In dem Masse, wie Informationsmedien in ökonomische Schwierigkeiten geraten, werden sie für wirtschaftliche und politische Einflussnahmen anfällig. In den letzten Jahren ist es Exponenten des nationalkonservativen Lagers vor allem in der Deutschschweiz gelungen, Pressetitel politisch neu zu positionieren (Weltwoche), zu erwerben (Basler Zeitung) oder Druck auf sie auszuüben (NZZ). Die Strukturschwäche der Informationsmedien hat nicht zuletzt auch die Debatte über die Medienpolitik in der Schweiz verändert. Auswertungen zur Medienberichterstattung über die Revision des RTVG-Gesetzes bestätigen, dass die nationalkonservative Kritik an der SRG erfolgreich breite Resonanz in den Medien erhält und dass mehrere private Medienorganisationen in ihrer Berichterstattung die SRG zum Hauptproblem für die gegenwärtige Strukturkrise der Informationsmedien stilisieren. Der einstige medienpolitische Konsens bricht auf, dass die kulturell vielfältige und als Kleinstaat einer besonders hohen Konkurrenz durch ausländische Medienanbieter ausgesetzte Schweiz sowohl einen starken öffentlichen Rundfunk als auch starke private Medienanbieter benötige.

Langfristig sinkende Medienqualität, aber auch positive Entwicklungen

Die Strukturschwäche im Informationsjournalismus wirkt sich messbar negativ auf die Medieninhalte aus. Unsere Zeitreihen zeigen bei den meisten der untersuchten Medientitel seit 2010 eine insgesamt sinkende Qualität. Unter dem finanziellen, personellen und zeitlichen Ressourcenmangel im Informationsjournalismus leidet die Einordnungsleistung am stärksten. Episodische News gewinnen an Bedeutung. Dadurch werden die Bürgerinnen und Bürger bei der Interpretation komplexer politischer, sozialer und ökonomischer Zusammenhänge immer häufiger allein gelassen. Allerdings kommt die Studie in einzelnen Aspekten auch zu positiven Befunden hinsichtlich der Medienqualität: Der öffentliche Rundfunk konnte den zweijährigen Negativtrend brechen und verzeichnet einen signifikanten Qualitätszuwachs. Auch das Privatfernsehen verbessert im Vorjahresvergleich seine Qualität merklich und egalisiert den besten Wert seit Beginn der Qualitätsmessung. Von den verschiedenen neu ins Mediensample aufgenommenen Medientiteln erreicht der jüngst lancierte Online-Titel watson.ch mit seiner Hybridstrategie (qualitativ hochwertige Beiträge werden ebenso bewirtschaftet wie aufmerksamkeitsheischende Beiträge von minderer Qualität) über alle Medientitel hinweg ein durchschnittliches Qualitätsscoring und ist im Vergleich mit den anderen untersuchten Online-Informationsmedien sogar überdurchschnittlich gut positioniert.

Untersuchungsanlage, Methodik und weiterführende Informationen

Die Untersuchung der Qualität der Medien vollzieht sich auf zwei Stufen. Erstens werden die Medienstrukturen – d.h. die Auflage bzw. die Nutzung, die Einnahmen und die Besitzverhältnisse der Informationsmedien in der Schweiz – untersucht. Im Jahre 2014 erreichen 149 Medientitel die für diese Untersuchung erforderliche Abdeckungsrate von 0.5% der Wohnbevölkerung pro Sprachregion. Von diesen Titeln werden in einem zweiten Schritt die 58 bedeutendsten Titel aller Mediengattungen (Presse, Radio, Fernsehen, Newssites) in den drei grossen Sprachregionen der Schweiz auf der Basis der Merkmale Vielfalt, Relevanz, Aktualität und Professionalität einer Qualitätsanalyse unterzogen. Weiterführende Angaben zur Methodik und zum zugrunde liegenden Qualitätsverständnis und zur Finanzierung des Jahrbuchs finden sich auf www.foeg.uzh.ch.

Jahrbuch 2015 Qualität der Medien – Schweiz Suisse Svizzera

Wozu dieses Jahrbuch? Das Ziel dieses Jahrbuchs ist die Stärkung des Qualitätsbewusstseins bei den Medienmachern und beim Publikum. Das Jahrbuch bildet eine Quelle für Medienschaffende, Akteure aus Politik und Wirtschaft, die Wissenschaft und für alle Interessierte, die sich mit der Entwicklung der Medien und ihren Inhalten auseinandersetzen wollen. Anstoss für das Jahrbuch bildet die Einsicht, dass die Qualität der Demokratie von der Qualität der medienvermittelten Kommunikation abhängt. Das Jahrbuch will einen Beitrag dazu leisten, dass die Qualität der Medien ein wichtiges Thema öffentlicher Kommunikation wird.

Wer zeichnet für dieses Jahrbuch verantwortlich? Das Jahrbuch wird herausgegeben durch das fög – Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft / Universität Zürich (www.foeg.uzh.ch). Folgende Autoren sind am Jahrbuch 2015 beteiligt (in alphabetischer Reihenfolge): Christian Caspar, Urs Christen, Mark Eisenegger, Patrik Ettinger, Angelo Gisler, Lucie Hauser, Jörg Schneider, Mario Schranz, Linards Udris und Daniel Vogler.

Wer finanziert und unterstützt dieses Jahrbuch? Die Finanzierung für das Jahrbuch wird durch die gemeinnützige Kurt Imhof Stiftung für Medienqualität (ehem. Stiftung Öffentlichkeit und Gesellschaft) (www.oeffentlichkeit.ch) eingebracht. Der Stiftungsrat setzt sich zusammen aus: Christine Egerszegi-Obrist, Mark Eisenegger, Barbara Käch, Yves Kugelmann, Fabio Lo Verso, Dick Marty, Oswald Sigg und Peter Studer.

Die Stiftung verdankt die Mittel für das Projekt den folgenden Donatoren: Adolf und Mary Mil-Stiftung, Allreal Holding AG, Anne Frank Fonds, Credit Suisse Foundation, Die Schweizerische Post AG, Fidinam (fidinam.ch), Verband Interpharma, Paul Schiller Stiftung, Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft AG, Stiftung für Qualitätsjournalismus Ostschweiz, Zürcher Kantonalbank und verschiedenen Einzeldonatoren.

Wo erscheint das Jahrbuch? Das Jahrbuch erscheint im Schwabe Verlag in gedruckter Form (ISBN 978-3-7965-3437-9) und als Online-Book (ISBN 978-3-7965-3438-6). Unter www.foeg.uzh.ch publiziert das fög laufend weitere Untersuchungen und kommuniziert deren zentrale Befunde. Daneben publiziert das fög unterjährig Studien und Reflexionen, die auf www.schwabeverlag.ch bezogen werden können.

Dieses Jahrbuch widmen wir dem verstorbenen Stiftungsratspräsidenten Prof. Dr. Kurt Imhof. Kurt Imhof war der Initiator des Jahrbuch-Projekts.[content_block id=29782 slug=ena-banner]

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Über Leonard Wüst

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