Lucerne Festival im Sommer 2011: Der Prometheus – Mythos in der Musik

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London Philharmonic Orchestra

London Philharmonic Orchestra

Sinfoniekonzert Nr. 27 London Philharmonic Orchestra unter Chefdirigent Vladimir Jurowski, Solisten: Julia Fischer (Violine), Igor Levit (Klavier)

Motto: Der Prometheus – Mythos in der Musik

Etwas erstaunt war ich schon beim Lesen des Programmes, 1. Teil des Konzertes u.a. Beethoven und Ballettmusik? Schon war bei mir wieder eine Bildungslücke geschlossen.

Beethoven schuf die Ballettmusik für „die Geschöpfe des Prometheus“ im Jahre 1800/01 auf Wunsch des damals bekanntesten Choreografen Salvatore Viganò, ein grosser Erneuerer der Tanzkunst, Ballettmeister am Wiener Hof, später an der Scala in Mailand.

Die meisten Kritiker befürchteten, dass Beethovens Musik für die Ballettliebhaber zu gelehrt tönen würde, dem war aber nicht so, das Werk stand sehr erfolgreich mehrere Monate auf dem Spielplan.

Chefdirigent Vladimir Jurowski

Chefdirigent Vladimir Jurowski

Zuerst tönt das Werk ganz nach Beethoven, dann nahm er in der Instrumentierung und im Rhytmus ansatzweise Strauss und die Wiener Musik allgemein voraus, wogegen der Abschluss wieder Beethoven war, wie wir ihn kennen. So verwendete er später in seiner dritten Sinfonie, der berühmten „Eroica“, in der die Ballettmusik auch sonst mehrfach anklingt, das Contredance – Thema des Finales.

 

Komponist Matthias Pintscher

Komponist Matthias Pintscher

Dann folgte, wohl als Kontrapunkt; die Uraufführung eines Konzertes für Violine und Orchester des jungen deutschen Komponisten Matthias Pintscher (*1970), ein Auftragswerk des Lucerne Festival, der Alten Oper Frankfurt und des London Philharmonic Orchestra, wofür als Solistin Julia Fischer verpflichtet wurde, die schon mehrfach mit Pintscher zusammengearbeitet hat.

 

 

 

Das Konzert trägt, laut dem Komponisten den Wunsch in sich, einen grossen liedhaften Bogen zu spielen, eine weite Linie, auftauchend aus dem Dunkel, gegen Schluss in lichte Höhen aufsteigend und sich dort auflösend. Während Julia Fischer, perfekt harmonierend mit dem Orchester ungewohnt fast immer beschäftigt war, genossen die Bläser vermehrt Pausen, sehr diskret, deswegen umso auffallender, die Einbindung der Perkussionisten durch den Komponisten. Julia Fischer wie immer schlank und doch dicht im Ton, den Höhen, voll konzentriert, nie eigensinnig, sich unterordnend wo nötig. Manchmal blitzte dann doch, das wohl von ihrer slowakischen Mutter geerbte, slawische Temperament auf.

Solistin Violine Julia Fischer

Solistin Violine Julia Fischer

Julia Fischer spielt übrigens auf einer Geige von Giovanni Battista Guadagnini aus dem Jahre 1742, also anders als die meisten andern Violinstars, nicht auf einer Stradivari. Nebenbei ist sie auch noch eine ausgezeichnete Konzertpianistin, demonstriert u.a. am Neujahrskonzert 2008 an der Alten Oper Frankfurt mit dem Klavierkonzert von Grieg. Und überhaupt ist bei ihr das ganze nicht nur ein Ohrenschmaus, sondern auch noch eine Augenweide.

Solist am Piano Igor Levit

Solist am Piano Igor Levit

Da durfte auch der anwesende Pintscher den verdienten Applaus auf der Bühne abholen. So kann ich mich absolut für die zeitgenössische Musik erwärmen, im Gegensatz zu den „Klanginstallationen“ von Charlotte Hug, anlässlich der Nacht der Moderne, wo ich mich in der Pause klammheimlich davonschlich. Im 2. Teil des Konzertes ging es weiter mit Prometheus, zuerst: Prometheus, die sinfonische Dichtung Nr. 5 von Franz Liszt, schon die Richtung der Musik der Zukunft andeutend, aber ganz in Liszt`Stil und Kraft, hinführend auch zum letzten Werk dieses Abends, nämlich Prométhée, le poème du feu, von Aleksandr Skrjabin mit dem jungen russischen Pianisten Igor Levit als Solisten, der mit diesem Werk sein Debut am Lucerne Festival gab.

Es war natürlich nicht leicht, nach dem grandiosen 1. Teil, das Publikum noch bei Laune zu halten. Die Londoner schafften dies aber locker durch eine weiterhin engagierte und souveräne Darbietung. Bei Skrjabin, russischer Komponist unter einem russischen Dirigenten und einem russischen Solopianisten schwoll dann im Finale fast die Wolga über. Alles in allem eine wunderbare Leistung aller Beteiligten, trotzdem komme ich nicht umhin, die Arbeit von Matthias Pintscher besonders hervorzuheben und ihn aufzufordern: weiter so, ob mit oder ohne Julia Fischer.

Text: www.leonardwuest.ch

www.lucernefestival.ch

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