Rezension:
Es ist so eine Sache, wenn man sich nicht haben kann, darf oder sollte. Davon können gleich zwei Paare in der Operette „Die lustige Witwe“ ein Lied singen: Einerseits Valencienne mit ihrem Liebhaber Camille de Rosillon, andererseits die reiche Witwe Hanna Glawari und der Graf Danilo Danilowitsch. Beide Paare haben ihre liebe Mühe, mit ihrer Situation klar zu kommen. So gesehen scheint der filigrane Fransen-Vorhang in Dominique Menthas Inszenierung – einzige Kulisse auf Luzerns Bühne – eine symbolische Bedeutung zu haben. Er trennt, er versteckt, ohne wirklich zu verstecken, erlaubt jenen die Durchsicht, welche sie suchen und kaschiert, wenn‘s nicht gesehen werden will. Mit gekonnt eingesetzten Lichteffekten ergeben sich zudem auch immer wieder neue Stimmungen auf der Bühne. Hinter diesem Vorhang, davor, dazwischen und mitten drin – wenn er als «Pavillon» vom Bühnenhimmel schwebt und die Liebenden umringt – spielt das ganze Geschehen. Jede Bewegung nimmt er auf und gibt sie vervielfacht zurück. Und wenn dann noch ein Sternengewebe hinter diesem weissen Traum von Nichts aufleuchtet, könnte es gut und gerne der siebte Himmel sein. Als Requisiten gibt’s ein paar Holzstühle, sonst nichts. Diese werden mal militärisch aufgereiht, zum Kreis geformt, neu arrangiert. Das karge Bühnenbild bewirkt, dass man sich auf die Sängerinnen und Sänger und die Musik konzentriert. Zudem kommen die wunderschönen Kostüme von Janina Ammon voll zur Geltung. Wenn im zweiten Akt die Witwe Glawari zum Volksfest lädt und die Gäste in traditionellen Trachten erscheinen, die Damen in üppigen Kleidern mit lagenweise farbigem Stoff auf weissem Spitzenunterrock und eng geschnürten Miedern, glaubt man sich in einem Märchen. Die Kostüme gehen von zurückhalten klassizistisch, beinahe züchtig crèmefarben im ersten Akt über opulent ausladend und farbig im zweiten bis hin zu golden verrucht im letzten Akt. Die Männer hingegen scheinen eher etwas verkleidet in ihren Uniformen mit Schärpen, Schleifen und Orden und haben nicht sehr viel zu sagen in dieser Geschichte. Da kann sich zwar Danilo in einer recht gewagten Tanzeinlage wie ein Macho in den Schritt greifen oder die Tänzer mit einer Geisel zu dressieren versuchen und sie wie Löwen in die Knie zwingen, schlussendlich sind’s die Frauen, die entscheiden.
Es war ein höchst vergnüglicher Première-Abend mit einer sehr überzeugten und überzeugenden Jutta Maria Böhmert als Witwe Glawari mit strahlenden Sopran, einem eher ernsthaften Robert Maszl als Grafen Danilo mit weichem Tenor, einem Kai Liemann als Njegus und seinem leicht trotteligen Gegenspieler Flurin Caduff als Baron Mirko, beide mit viel komödiantischem Talent und grosser Spielfreude. Das Orchester unter Howard Arman liebte je nachdem schwungvoll, schmachtend oder lüpfig mit im Dreivierteltakt, Arman selber zeigte zwischenzeitlich seine Fähigkeiten auf der Bühne als Barpianist im Maxims. Eine rundum gelungene Aufführung, dem Premierenpublikum gefiel es. Diese Witwe wird noch so manchen Besucher belustigen, unterhalten und mit der Farbenpracht der Kostüme über die kommenden grauen Monate hinweghelfen.
Kleine Fotodiashow von Ingo Höhn vom www.luzernertheater.ch
Kurzer Trailer der Aufführung:
http://art-tv.ch/11162-0-Luzerner-Theater-Die-lustige-Witwe.html
Text: www.gabrielabucher.ch
Homepages der andern Kolumnisten: www.marvinmueller.ch www.leonardwuest.ch
www.irenehubschmid.ch http://beatricewuest.ch/ Paul Ott:www.literatur.li