Ein halbes Jahr nach dem verheerenden Taifun Haiyan
Der Wiederaufbau auf den Philippinen ist in vollem Gange
Lukas Fiechter
Neues Handbuch Armut in der Schweiz
Ein aktuelles Standardwerk zur Armutsdiskussion
Marianne Hochuli
SV Stiftung und Caritas lancieren neuartige Restaurantidee
Bon Lieu – Trennendes überwinden
Bruno Bertschy
Ein halbes Jahr nach dem verheerenden Taifun Haiyan
Der Wiederaufbau auf den Philippinen ist in vollem Gange
Sechs Monate nachdem der Taifun Haiyan die Philippinen verwüstet hat, ist der Wiederaufbau in vollem Gange. Caritas Schweiz unterstützt die Philippinen mit finanzieller und vor allem technischer Hilfe und konzentriert sich in einer ersten Phase auf den Wiederaufbau von Schu-len. Anfang Juni nun hat Caritas die Arbeit an ersten Schulen auf der Insel Bantayan aufge-nommen.
Am 8. November wurden die Visayas, die im Zentrum der Philippinen gelegenen Inselgruppen, vom Taifun Haiyan heimgesucht. Der Taifun hatte Windstärken von bis zu 300 Kilometern pro Stunde entwickelt und ist somit einer der stärksten Taifune, die je gemessen wurden. Die grossen Windstärken und die durch den Taifun ausgelösten Sturmfluten haben Häuser und Schulen zerstört, Dächer abge-deckt, Kokospalmen abgeknickt und sanitäre Anlagen unbrauchbar gemacht. Über drei Millionen Fa-milien wurden durch die Katastrophe durch den Verlust ihrer Häuser oder ihrer Lebensgrundlage di-rekt betroffen.
Nothilfe für 23 000 Familien
Sogleich nach der Katastrophe hat die Bevölkerung mit Aufräumaktivitäten und dem Wiederaubau begonnen, unterstützt durch die Regierung und die internationale Gemeinschaft. Auch Caritas Schweiz hat sich ab dem ersten Tag dank grosszügigen Spenden aus der Schweiz an der internationalen Hilfe beteiligt. Caritas hat die Nothilfe, die die grundlegendsten Bedürfnisse in den ersten Wochen nach der Katastrophe decken soll, im Januar 2014 abgeschlossen und dabei 23 000 Familien mit Nahrungsmit-teln, Zeltplanen, Werkzeugen und Hygieneartikeln versorgen können.
Bereits während der Nothilfephase wurden Abklärungen zu den Bedürfnissen in den betroffenen Ge-bieten durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass vor allem der Wiederaufbau von privaten Häusern und öffentlichen Gebäuden sowie die Unterstützung der Bevölkerung in der Wiederherstellung ihrer Ein-kommensaktivitäten erforderlich ist.
Regensichere Klassenräume werden dringend benötigt
Caritas Schweiz wird längerfristig vor Ort präsent bleiben, um die betroffene Bevölkerung tatkräftig im Wiederaufbau zu unterstützen. Anfang Juni hat Caritas nun mit dem Wiederaufbau und Reparatur-arbeiten von öffentlichen Schulen begonnen. Die Schulen in Pili, Malbago, Kaongkod und Talangnan auf der abgelegenen Insel Bantayan in den Central Visayas wurden durch den Taifun Haiyan stark beschädigt, wobei gut die Hälfte der Schulgebäude neu aufgebaut und die andere Hälfte repariert und neu bedacht werden muss. Mit der bald beginnenden Regenzeit wird dem Wiederaufbau eine erhöhte Dringlichkeit zuteil. Die Schülerinnen und Schüler sollen so schnell als möglich in sicheren, gedeck-ten Klassenräumen vor Regen und Sonne geschützt ihrem Unterricht nachgehen können.
Schutz vor künftigen Taifunen und Erdbeben
Die Insel Bantayan ist sehr anfällig für Taifune wie auch für Erbeben. Die zu reparierenden und wie-deraufzubauenden Schulen müssen also künftigen Katastrophen standhalten können. Damit dies ge-währleistet ist, hat Caritas seit Anfang Juni einen technischen Delegierten vor Ort, der die Bauaktivitä-ten sowie die Ausbildung der lokalen Baufachkräfte überwacht und erprobte und lokal akzeptierte Techniken und Materialien einbringt.
Caritas ist in ständigem Kontakt mit den lokalen Behörden, den Schulvorständen, dem Bildungsdepar-tement der philippinischen Regierung sowie mit anderen nationalen und internationalen Akteuren, die aktiv sind im Wiederaufbau im Projektgebiet von Caritas. Somit soll sichergestellt werden, dass die Aktivitäten von Caritas von der lokalen Bevölkerung gut akzeptiert sind, die eingesetzten Mittel opti-mal verwendet und Doppelspurigkeiten vermieden werden.
Sobald der Wiederaufbau von Schulen auf der Insel Bantayan etabliert ist, wird sich Caritas in einer nächsten Phase auf den Wiederaufbau von zerstörten Privathäusern konzentrieren. Dazu werden mo-mentan verschiedenste Baupläne diskutiert und begleitende Massnahmen in Bezug auf Einkommens-sicherung entwickelt. Die Bedürfnisse der Menschen vor Ort sind nach wie vor sehr hoch, und obwohl die betroffene Bevölkerung tatkräftig am Wiederaufbau ihrer Häuser und Lebensgrundlagen arbeitet, benötigt sie materielle und technische Unterstützung, um vor künftigen Katastrophen besser geschützt zu sein. Um dies sicherzustellen, wird sich Caritas Schweiz weiterhin vor Ort engagieren.
Lukas Fiechter, Projektmitarbeiter Philippinen, E-Mail lfiechter@caritas.ch, Tel. 041 419 22 44
Neues Handbuch Armut in der Schweiz
Ein aktuelles Standardwerk zur Armutsdiskussion
„Ich darf hoffen, dass ich keinen Bekannten oder Nachbarn treffe, um auf die immer gleiche Frage die gleiche Antwort geben zu müssen: Nein, ich habe noch immer keine Arbeit gefunden.“ Diese Aussage einer Frau zeigt, wie Armut Menschen in die Isolation führt. Der Bundesrat an-erkennt heute, dass Armut in der Schweiz ein ernstzunehmendes gesellschaftspolitisches Prob-lem ist. In „Neuen Handbuch Armut in der Schweiz“ hat Caritas das Wissen über dieses Thema zusammengetragen.
Noch vor zehn Jahren war Armut in der reichen Schweiz ein Tabuthema. Als Caritas im Jahr 2006 das von Christin Kehrli und Carlo Knöpfel verfasste „Handbuch Armut in der Schweiz“ herausgab, wurde dieses schnell zu einem Standardwerk, das die Armutsdiskussion entscheidend mitprägte. Daten zum Ausmass der Armut gab es jedoch kaum. Caritas musste sich auf Schätzungen berufen.
Inzwischen hat sich einiges getan. 2010 veröffentlichte das Bundesamt für Statistik BFS erstmals Da-ten, welche die Schätzungen von Caritas bestätigten. Im selben Jahr verabschiedete der Bundesrat eine gesamtschweizerische Strategie zur Armutsbekämpfung, und im letzten Jahr lancierte er ein nationales Programm zur Prävention und Bekämpfung zur Armut. Damit anerkennt der Bundesrat ausdrücklich, dass Armut in der Schweiz ein ernstzunehmendes gesellschaftspolitisches Problem darstellt, das wirk-sam und auf ganz unterschiedlichen Ebenen angegangen werden muss.
Vom Handbuch zum Neuen Handbuch Armut in der Schweiz
Um den neuen Entwicklungen in umfassender Weise gerecht zu werden, gibt Caritas das „Neue Handbuch Armut in der Schweiz“ heraus. Es handelt sich jedoch nicht nur um eine Aktualisierung des bisherigen Handbuchs. Die Sozialwissenschaftlerin Claudia Schuwey und Carlo Knöpfel, langjäh-riger Bereichsleiter der Grundlagen von Caritas und heute Dozent an der Hochschule für Soziale Ar-beit in Basel, haben gründlich recherchiert und das Buch komplett neu geschrieben. Herausgekommen ist ein kompaktes Nachschlagewerk mit klaren Begriffsdefinitionen, gut verständlichen Texten zur Vertiefung, anschaulich aufbereitetem Datenmaterial und nützlichen Verweisen auf weiterführende Informationen und aktuelle Daten. Das Buch vermittelt ein vielfältiges Bild der Armutsproblematik, denn die Beschäftigung mit Armut wirft zahlreiche Fragen auf: Wie wird Armut definiert? Mit wel-chen Instrumenten kann sie festgestellt oder gar gemessen werden? Welche Faktoren führen dazu, dass jemand in Armut gerät? Mit welchen Problemen haben Armutsbetroffene zu kämpfen? Wie kann Ar-mut verhindert oder nachhaltig überwunden werden?
Armutspolitik betrifft unterschiedliche Politikfelder
Auf solche Fragen gibt das „Neue Handbuch Armut in der Schweiz“ Antworten. Es zeigt unterschied-liche Möglichkeiten auf, Armut zu definieren, zu messen und zu erklären. Es gibt eine Übersicht über aktuelle Zahlen und Fakten zur Einkommens- und Vermögensverteilung sowie zum Ausmass der Ar-mut in der Schweiz. Und es verdeutlicht, wie stark neuere Entwicklungen wie veränderte Lebensfor-men, ein neues Geschlechterrollenverständnis und eine gewandelte Arbeitswelt zu neuen Formen der Armut führen können. Sie sind durch die bestehenden Sozialversicherungen nicht oder nur ungenü-gend abgesichert. Das letzte Kapitel befasst sich mit der Armutspolitik der Schweiz. Es zeigt, dass Armutspolitik eine Querschnittsaufgabe ist, die verschiedene staatliche und nichtstaatliche Akteurin-nen in unterschiedlichen Politikfeldern in die Pflicht nimmt. Aktuelle Brennpunkte sind die (fehlende) Bildung, um an einem sich stark veränderten Arbeitsmarkt mithalten zu können, die Familienpolitik – insbesondere die Vereinbarung von Berufstätigkeit und Familienarbeit – und Diskussionen um den sozialstaatlichen Abbau. Dabei wird deutlich, wie stark individuelle Armutssituationen mit gesell-schaftlichen Veränderungen verknüpft sind und inwieweit es Politik und Gesellschaft bisher versäumt haben, die sozialstaatlichen Instrumente diesen Entwicklungen anzupassen.
„Ich gehe seit längerem in der Nacht spazieren …“
Im Kapitel „Die Folgen von Armut“ sind auch Texte von Armutsbetroffenen eingeflochten. Sie erzäh-len vom täglichen Einteilen des knappen Budgets, vom Gefühl, von der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein, von Stress und grossen Ängsten bei der oft vergeblichen Arbeitssuche: „Ich darf hoffen, dass ich keinen Bekannten oder Nachbarn treffe, um auf die immer gleiche Frage die gleiche Antwort ge-ben zu müssen: Nein, ich habe noch immer keine Arbeit gefunden. Ich gehe seit längerem in der Nacht spazieren oder tagsüber mit Brille und Helm Velo fahren, damit mich niemand erkennt. Und so schaf-fe ich es, mich noch mehr zu isolieren“ (Anonym, weiblich). In diesem Zitat kommt zum Ausdruck, dass Armut weit mehr bedeutet, als ein Mangel an finanziellen Mitteln. Armutsbetroffene leben oft in einer prekären Situation: sie haben keinen angemessenen Wohnraum zur Verfügung, leiden oft unter gesundheitliche Beeinträchtigen, haben keine entsprechende berufliche Ausbildung, keinen gesicher-ten Arbeitsplatz. Insgesamt mangelt es ihnen an konkreten Handlungsperspektiven und Lebenschan-cen. Damit Armutsbetroffene solche Handlungsperspektiven entwickeln können, müssen nicht nur bestehende Unterstützungsstrukturen gestärkt werden. Es müssen je nach individuellem Bedarf auch neue Formen der Unterstützung gefunden werden.
Marianne Hochuli, Leiterin Bereich Grundlagen, Caritas Schweiz
E-Mail mhochuli@caritas.ch, Tel. 041 419 23 20
Claudia Schuwey, Carlo Knöpfel
Neues Handbuch Armut in der Schweiz
288 Seiten, 42 Franken
Bestellung unter: E-Mail: info@caritas.ch, online: www.caritas.ch/handbuch-armut
SV Stiftung und Caritas lancieren neuartige Restaurantidee
Bon Lieu – Trennendes überwinden
Zusammen mit der SV Stiftung startet Caritas Schweiz eine neuartige Restaurantidee. Bon Lieu kombiniert attraktive Gastronomie mit sozialer Verantwortung. Armutsbetroffene und Nor-malverdienende können im selben Bon-Lieu-Restaurant zu je angepassten Konditionen gut und gesund essen. Zugleich erhalten sozial Benachteiligte hier eine Chance, in der Arbeitswelt wieder Tritt zu fassen.
Lanciert wird Bon Lieu von der SV Stiftung anlässlich ihres 100-Jahre-Jubiläums gemeinsam mit der Caritas Schweiz. Beide traditionsreichen Institutionen verbinden darin zentrale Werte ihrer Tätigkeit: Die SV Stiftung engagiert sich dafür, dass allen sozialen Schichten gesunde Ernährung zu einen an-gemessenen Preis zugänglich ist. Caritas unterstützt armutsbetroffene Menschen in ihrem Alltag und bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Seit Jahren unterstützt die SV Stiftung das vergünstigte Ange-bot von Obst und Gemüse im Caritas-Markt, das auf eine grosse Nachfrage stösst. Bei Bon Lieu kommt zum Aspekt der gesunden Ernährung auch bei knappsten Budget ein weiteres Ziel dazu: die Integration und gesellschaftliche Teilhabe.
Wer mit wenig Geld auskommen muss, kann den Anschluss an unsere Gesellschaft schnell verlieren. Sei es beim täglichen Einkauf, beim Ausgang mit Freunden oder Familie, bei der Geburtstagsfeier der Kinder: Immer wieder braucht es Geld. Bon-Lieu ist ein Beitrag dazu, dass ein knappes Budget nicht automatisch Ausschluss zur Folge haben muss.
Durchlässigkeit und Wertschätzung
Der Name „Bon Lieu“ (ein guter Ort, ein Ort für gutes Essen) versinnbildlicht die zentrale Idee der Initiative: Ein Bon-Lieu-Restaurant soll als öffentliche Lokalität für gutes und gesundes Essen erleb-bar sein, wo sich alle Bevölkerungsschichten wohlfühlen. Bon Lieu setzt auf Durchlässigkeit und Wertschätzung. Der Kern: Armutsbetroffene sollen sich einen Besuch im selben Restaurant wie Nor-malverdienende leisten können – ohne gegenseitige Irritation oder Schwellenangst.
Zum Geburtstag auswärts ein feines Essen geniessen: Viele Armutsbetroffene können sich das nicht leisten – das wenige verfügbare Geld muss für das Dringendste eingeteilt werden. Mit der Caritas-Markt-Karte oder der KulturLegi wird dieses Erlebnis sogar für eine Familie möglich. Bei der regiona-len Caritas-Organisation und dafür autorisierten Stellen können Gutscheine bezogen werden, die beim Bezahlen im Bon Lieu Restaurant eingelöst werden können.
Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt
Im Bon Lieu Restaurant erhalten Personen die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind eine Chance für den Wiedereinstieg. Verschiedene Tätigkeiten in Küche und Service können praktisch erlernt und neues Wissen angeeignet werden. Qualifiziertes Personal betreut, schult und begleitet die Programm-teilnehmenden auf ihrem Weg zurück in eine übliche Anstellung in der Gastronomie.
SV Stiftung und Caritas Schweiz tragen das Projekt Bon Lieu über eine gemeinsame Betriebsorganisa-tion organisatorisch und finanziell. Das Bon Lieu Konzept findet in der ganzen Schweiz Anwendung, meist an bestehenden Restaurant-Standorten. Erstmals zum Tragen kommt Bon Lieu im Restaurant La Meridiana in Chur, das von der Caritas Graubünden betrieben wird. Restaurants, welche die Bon-Lieu-Idee anwenden, sollen weiterhin ihre eigenständige Identität behalten können. Derzeit werden weitere mögliche Bon-Lieu-Standorte in der Deutschschweiz und der Romandie evaluiert.
Bruno Bertschy, Leiter Bereich Inland und Netz, Caritas Schweiz, E-Mail bbertschy@caritas.ch, Tel. 041 419 23 69 http://www.caritas.ch