Zürich (ots) – Statt Handelshemmnisse zu beseitigen, werden immer neue aufgebaut. Das zeigt sich exemplarisch am jüngsten Beschluss des Nationalrats, bei der Revision des Lebensmittelgesetzes eine neue, vom EU-Recht abweichende Deklarationsvorschrift einzuführen. Mit solchen gesetzgeberischen Sonderzügen schottet die Schweiz ihren Markt eigenhändig ab, anstatt Wettbewerb zu fördern. Die «Allianz gegen Handelshemmnisse» sieht sich durch die Wettbewerbskommission (WEKO) bestätigt: Deren Sekretariat fand bei einer Vorabklärung bei 25 Unternehmen und umsatzstarken Produkten keine Hinweise für kartellrechtswidrige Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Weitergabe von Währungsvorteilen. Es stellt aber fest, dass Handelshemmnisse Parallelimporte für die Unternehmen erschweren. Dieser gewichtige Hemmschuh würde auch bei einem überschiessenden Eingriff ins Kartellrecht weiterbestehen.
Die «Allianz gegen Handelshemmnisse» setzt sich für den raschen Abbau von Regelungen ein, die den grenzüberschreitenden Handel behindern, die Bürokratie vergrössern und als hausgemachte Preistreiber wirken. Zu ihr gehören insbesondere der Branchenverband des Detailhandels (Swiss Retail Federation SRF), der Dachverband des Schweizerischen Handels (Handel Schweiz), der Schweizerische Kosmetik- und Waschmittelverband (SKW), das Konsumentenforum (kf), der Schweizerische Markenartikelverband (Promarca) und der Verband der Schweizer Unternehmen (economiesuisse).
Die Gründe für höhere Preise etwa für Lebensmittel, Kleider, Kosmetika in der Schweiz sind vielschichtig. Neben höheren Kosten für Mieten, Löhne und Marketing sind es vor allem die vielen Schweizer Spezialvorschriften, die der Abschottung des Schweizer Markts Vorschub leisten und die Produkte unnötig verteuern. Parallelimporte sind ein Mittel zur Verminderung von Preisdifferenzen; die Arbitrage dient dem Wettbewerb. Durch die Schaffung von Handelshemmnissen werden solche Importe aber stark behindert oder sogar verunmöglicht.
Die Politik baut laufend neue Handelshemmnisse auf: Der Nationalrat hat beispielsweise in der laufenden Session beschlossen, dass auf Lebensmittelverpackungen neben den Zutaten und dem Produktionsland neu – und in Abweichung zum EU-Recht – auch die Herkunft aller Rohstoffe angegeben werden muss. Die Stiftung für Konsumentenschutz kündigte jüngst an, sich für eine verlängerte Garantiefrist und eine obligatorische Deklaration der Lebensdauer von Produkten stark zu machen. Die Liste solcher Bestrebungen mit negativen Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Handel liesse sich weiter fortsetzen.
Es ist widersprüchlich, einerseits nach immer neuen Sondervorschriften zu rufen – und so den Aufbau von Handelshürden zu fördern – und andererseits gleichzeitig über das hohe Schweizer Kostenniveau zu klagen. Wem es mit der Schleifung der Hochkosteninsel ernst ist, muss die Handelshemmnisse ins Visier nehmen.
Das legt auch ein gestern von der WEKO veröffentlichter Bericht über die Weitergabe von Währungsvorteilen nahe: Das WEKO-Sekretariat untersuchte, in welchem Umfang 22 namhafte Markenartikellieferanten und die drei grössten Schweizer Lebensmitteldetaillisten Währungsgewinne weitergeben. Die Vorabklärung ergab keine Anhaltspunkte für das Vorliegen unzulässiger Abreden oder kartellrechtlich problematischer Behinderungen bei der Weitergabe von Währungsvorteilen. Auch für einen Missbrauch von Marktmacht (Art. 7 KG) gab es in diesem Zusammenhang keine genügend konkreten Hinweise. Vielmehr gewährten die meisten befragten Markenartikellieferanten den Detailhändlern Konditionsverbesserungen, die diese mehrheitlich vollständig an ihre Kundinnen und Kunden weitergaben. Interessanterweise stellt der Bericht ausserdem fest, dass den Schweizer Detaillisten zwar teilweise die Möglichkeit zum Parallelimport vieler Markenprodukte offen steht, dass sie diesen Bezugsweg jedoch selten nutzen. Der Grund hierfür – die Abklärungen des WEKO-Sekretariats zeigen es – ist nicht etwa in kartellrechtlichen Verfehlungen der Unternehmen zu suchen. Vielmehr liegt er auch bei den Handelshemmnissen. Werden sie konsequent bekämpft, führt dies, ganz im Gegensatz zu Schildbürgerstreichen im Kartellrecht, rasch zu mehr Wettbewerb. Eingriffe über das Kartellrecht sind hingegen das falsche Mittel und führen nicht zum Ziel: Das eigentliche ursächliche Problem der verteuernden Schweizer Sondervorschriften bliebe unberührt und stünde weiterhin Parallelimporten entgegen.