Meine Großmutter war ein Goldschatz und eine sehr fleissige Frau. Geboren wurde sie 1888. Meine Großmutter hiess Elisa. Sie schwärmte oft und mit Stolz sie sei einmal Serviertochter in einer Weinschenke gewesen. Im St. Gallischen Rheintal. Einfach so und zur Abwechslung. Nicht weil sie es nötig gehabt hätte.
Denn Ihr Mann, mein Grossvater, war immerhin Chef der Güterexpedition im Bahnhof Altstätten. Sein Lohn wurde damals mit „Goldvrenelis“ ausbezahlt. Zurück zur Grossmutter. Für ein freundliches Lächeln gab es fünf Rappen Trinkgeld und für ein noch freundlicheres sogar zehn Rappen. Keinen Lohn also, nur Trinkgeld. Das war einmal in den so genannten goldenen zwanziger Jahren, als die Schweizer Hotellerie boomte. Wer nicht Essen servierte, sondern nur Getränke anschleppte, blieb Serviertochter, der man für ein Zwänzgi, wie man sagen hörte, auch noch das Füdli tätscheln durfte.
Das Fröilein Serviertochter geistert bis heute in den Köpfen älterer Zeitgenoss*innen
Geblieben ist im Volksmund bis heute die Serviertochter. „Fröilein zahle“ ebenfalls. Auch wenn die Serviertöchter erwachsene Frauen und oft schon Großmütter sind. Oh du liebe Serviertochter! Wo also sind nur die Serviersöhne geblieben? Man muss nicht Feminist sein um zu begreifen, dass diese Berufsbezeichnung eigentlich definitiv auf den Schrottplatz der Gastronomie gehört. Sonst müssten wir als gleichberechtigte Männer ja endlich die Einführung von Serviersöhnen fordern. Schluss mit Fröilein zahle! Her mit dem: Herrlein her bitte!
Richtige Anrede ist auch heute noch nicht ganz einfach
Zurück in die Gegenwart. Soll der Gast nun Gafa (gastgewerbliche Fachangestellte) oder Sefa (Servicefachnagestellte) rufen, wenn er zahlen möchte? Madame oder Garçon oder Ober? Ich meinte dass diese servierenden Menschen doch einen Namen haben? Dänk scho, denn sie sind ja oft angeschrieben. Nur lesen kann man die Namen bald nicht mehr. Kürzlich sagte mir ein Gast, es hätte Ihn eine „Azubi“ (Auszubildende) bedient.
Als er Frau Azubi rief, sei er sich ziemlich schräg vorgekommen. Ja und die ganze Zeit auf den Busen einer servierenden Frau starren, geht ja auch nicht. Erklären Sie mal dieser Frau, sie hätten nur den Namen lesen wollen? Das optimale wäre, so meinte ich, wenn sich die Mitarbeitenden den Gästen vorstellen. Was zudem das Selbstwertgefühl in eine verdiente Höhenlage bringen würde.
Egal welche Bezeichnung, das wichtigste bleibt die Freundlichkeit der Servierenden
Was ist nun wichtig? Was zählt heute bei den Gästen? Wichtig ist, dass ich freundlich bedient werde. Als Gast ernst genommen werde. Und dann merke ich mir vielleicht automatisch, wie diese nette Dame oder dieser flotte Herr heissen. Und ich werde sie das nächste Mal mit ihrem Namen ansprechen? Weil man mir nämlich beim Bezahlen der Rechnung, sogar das persönliche Visitenkärtli mitgegeben hat: „Ich freue mich auf Ihren nächsten Besuch“!
„Wenn es mit meiner Tochter nicht besser geht in der Schule, kann sie dann immer noch als Serviertochter arbeiten“, meinte kürzlich eine Mutter zu mir. Hat der wunderschöne Beruf des Servierens eigentlich ein Image Problem?
Kleine Fotodiashow zur Kolumne von Herbert Huber:
Fotos Archiv der SHL Hotelfachschule Luzern
Text : www.herberthuber.ch
Fotos: SHL Schweizerische Hotelfachschule Luzern https://www.shl.ch/de-ch
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