Besetzung und Programm:
FESTIVAL STRINGS LUCERNE
JAN LISIECKI KLAVIER
DANIEL DODDS LEITUNG & VIOLINE
Frédéric Chopin: Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll op. 11, Fassung mit Streichern von R. Hofmann (1877)
Franz Schubert/Mahler: Der Tod und das Mädchen, Streichquartett Nr. 14 d-Moll D. 810, bearbeitet für Streichorchester
Rezension:
1. Konzertteil mit Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll op. 11, (Fassung mit Streichern R. Hofmann) von Fréderic Chopin
Die lange Orchestereinleitung bringt drei Themen: Das erste, pathetisch-strenge in e-Moll, darauf das lyrische Hauptthema, ebenfalls in e-Moll, und das zarte Seiten Thema in E-Dur. Das Klavier setzt kraftvoll, quasi improvisatorisch weit ausholend ein und wiederholt alle drei Themen. Nach außen hin scheint nun der einzige wirkliche Kontrast zwischen Haupt- und Seiten Thema die Dur-Aufhellung, doch trügt dieser Schein: das Geheimnis liegt in der linken Hand des Klaviersatzes begründet. Während nämlich zum Hauptthema leise pochende Akkorde erklingen, folgen dem Melodieverlauf des Seitenthemas weiträumige Bassfiguren.
Zwischen Tristesse und Aufschwung
Damit erklärt sich auch der Unterschied im Charakter der Themen, die zwischen Tristesse und positivem Aufschwung pendeln. Der junge polnische Pianist, allem Anschein nach eine Frohnatur, lotete das Werk seines Landsmannes aussergewöhnlich aus, verfiel nie der grossen Versuchung, uns beweisen zu wollen, dass er technisch dem Urheber mindestens ebenbürtig ist. Im zweiten Satz, einer groß angelegten, wunderschönen Nocturne, einer Art Romanze, ruhig und melancholisch über gedämpftem Orchesterteppich, lässt er den Mitmusikern Raum sich auch zu entfalten.
Wohltuende Zurückhaltung des Solisten lässt Raum für das Orchester
Das ermöglicht dem Zuhörer, die feinen Ziselierungen der Violinen, die präzis gesetzten Arpeggio der Celli und die ausladenden Tonbögen der Bratschen deutlicher wahrzunehmen als sonst möglich, da der Solist nicht einfach mit seiner Virtuosität alles überfährt. Diese Virtuosität kann dann der, ehemals als „Wunderkind“ bezeichnete, Tastenakrobat im dritten Satz demonstrieren, denn das finale Rondo ruft mit scharfen Akzenten aus dem Traumland der Romanze zurück in die Welt des polnischen Volkstanzes: Im Rhythmus des Krakowiak hebt das Klavier an und reißt sogleich den ganzen Satz an sich.
Etwas positiver Übermut im Finale passte zum jungen Pianisten
Das Orchester leitet bald zu einem harschen Temperaments-Ausbruch nach cis-Moll über, um nach einigem beeindruckenden Passagenwerk im A-Dur-Seitenthema zu landen, das unisono wieder ganz den Volksliedgedanken aufgreift. Es ist auch genau dieses Thema, das letztlich dem Satz seine Würze verleiht. Nach dem nochmaligem, variierten Hauptgedanken folgt dem Seitenthema (diesmal in E-Dur) ein temperamentvoller Kehraus in atemberaubendem Tempo, bei dem sich Lisiecki, im positiven Sinn, zu etwas Übermut hinreissen lässt, die aber perfekt zu seiner jugendlich frischen Ausstrahlung und seiner Chopin Auffassung passt.
Dieser perfekte erste Konzertteil wurde vom Publikum mit sehr viel stürmischem, langanhaltendem Applaus verdankt, garniert mit vereinzelten Bravorufen, die den Künstler immer wieder auf die Bühne zurückbeorderten. Für mich erstaunlich, dass der Applaus sich nicht in einer stehenden Ovation fortsetzte. Trotzdem gewährte uns der Künstler noch eine Zugabe in Form einer kurzen Mendelssohn Melodie
Mahlers Schubert im 2. Konzertteil
Gustav Mahler hat das Quartett für Streichorchester bearbeitet. Den zweiten Satz (Variationen Satz) dieser Bearbeitung führte er am 19. November 1894 in einem seiner Hamburger Subskriptionskonzerte auf. Mahlers Transkription des Werks blieb lang unbekannt. Die Partitur mit Mahlers Eintragungen blieb zunächst im Besitz von Mahlers Tochter Anna, die sie schließlich Donald Mitchell übergab. Dieser publizierte die Transkription 1985 gemeinsam mit David Matthews.
Ein Werk, wie geschrieben für die Lucerne Festival Strings
Dieses Stück ist den Strings buchstäblich auf den Leib, bzw. auf die Instrumente geschrieben. Da können sie ihre Kammermusik Qualitäten, im wahrsten Sinn des Wortes, voll ausspielen. Wie meistens sitzt der künstlerische Leiter mit seiner 1. Geige unruhig auf der Stuhlkante und orchestriert die wunderbaren Dialoge zwischen den Instrumenten, wobei er mit seiner Stradivari den Tarif durchgibt, was seine eingeschworene Truppe zu Höchstleistungen antreibt und dabei wirken alle doch sichtlich vergnügt, nie angestrengt, gar verbissen.
Ein Weltklasse Orchester in vollkommener Harmonie
Ob die Celli mit ihren Pizzicato die Violinen bei ihren Läufen kontrapunktieren oder die sanften, trotzdem resoluten Crescendi der Bratschen zum voluminösen Tutti überführen, der Organismus dieses Klangkörpers atmet in höchster Harmonie, bietet Kammermusik auf Weltklasseniveau. Das haben längst auch ausländische Konzertveranstalter gemerkt, wie die sich mehrenden Auslandsengagements für das Orchester zeigen.
Als erstes Schweizer Orchester in der Hamburger Elbphilharmonie
So waren die „Lucerne Festival Strings“ u.a. das erste Schweizer Orchester überhaupt, das die Ehre hatte, in der Hamburger Elbphilharmonie, dem momentan wohl spektakulärsten und, aufgrund seiner Akustik berühmtesten Konzertgebäude der Welt, zu konzertieren. Dort gastieren sie auch am kommenden 16. Juni wieder, zwei Tage nachdem sie die Berliner im dortigen Konzerthaus beglückt haben werden.
Begeistertes Publikum feierte die Musiker
Das diesen Musikern treue Publikum im sehr gutgefüllten Konzertsaal, belohnte die Protagonisten mit einem langanhaltenden, starken Applaus, was diesen ein Lächeln in die glücklichen Gesichter zauberte, zumal die einzelnen Register jeweils noch eine Sonderakklamation abholen durften. Ich bin mir sicher, dass es, Dank solch grossartigen Konzerten, nicht mehr lange dauert, bis ich schreiben kann. vor ausverkauften Rängen und nicht mehr im sehr gut besetzten Konzertsaal.
Text: www.leonardwuest.ch Fotos: Fabrice Umiglia http://www.festivalstringslucerne.org/de/home
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