Festival Strings Lucerne Konzert Reihe Luzern #KKL Luzern Eröffnungskonzert der Saison 2021-2022 «Hoffnung & Schicksal», besucht von Léonard Wüst

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Leia Zhu und die Festival Strings beim gemeinsamen Konzert am Donnerstagabend im KKL Luzern Foto Fabrice Umiglia

Besetzung und Programm:
Leia Zhu, Violine
Daniel Dodds, Leitung & Violine
Festival Strings Lucerne

Peter Tschaikowsky | Violinkonzert D-Dur op. 35
Ludwig van Beethoven | Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67

So wie es im Radsport sogenannte Monumente gibt, gemeint sind ein paar klassische Eintagesrennen, wie z.B. Mailand – San Remo, die Flandern Rundfahrt, Paris – Roubaix usw., gibt es solche auch in der klassischen Musik und da gehören die in diesem Konzert programmierten zwei Werke zweifellos dazu.

Peter I. Tschaikowsky Violinkonzert D-Dur op. 35

(Zitat klassik.de)Bei der Uraufführung am 4. Dezember 1881 in Wien ging es hoch her. Das Publikum tobte, und zwar nicht nur vor Begeisterung. Tschaikowskys Violinkonzert in D-Dur spaltete die Gemüter, und der berühmte Wiener Kritiker Eduard Hanslik schrieb über diese Uraufführung: „Tschaikowskys Violin-Concert bringt uns zum ersten Mal auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könnte, die man stinken hört.“ Hanslik hin oder her, Tschaikowskys Violinkonzert setzte sich später durch und das, obwohl Leopold Auer, dem es zuerst gewidmet war, es als zu schwierig und zu radikal abgelehnt hatte.(Zitatende).

Allerhöchste technische Anforderungen

Leia Zhu Foto Sirat Uziely

Dieses, Tschaikowskys einziges, Violinkonzert erfordert von Solisten*innen ein immenses technisches Können. Darin gibt es nicht die einzig schwere Stelle, an der der Geiger gemessen wird, hier reihen sich die technisch anspruchsvollen Episoden aneinander wie die Perlen einer Perlenkette: Technisch schwierige Läufe, Doppelgriffe und das Spiel in extrem hoher Lage. Höhepunkt ist die große Solokadenz in der Mitte des ersten Satzes. Auch hier komponiert Tschaikowsky aus dem vorhandenen Themenmaterial wieder alle erdenklich technischen Schwierigkeiten in den Violinpart: „Die schöneren Momente sind sicherlich vielleicht eigentlich danach, wenn die Flöte das Thema übernimmt und alles, was vorne schon mal war, in leicht veränderter Form wiederkommt.

„Das sehr schnelle und eigentlich wirklich lustige Hauptthema wird im Schlusssatz dann von verschiedenen Couplets unterbrochen.“ Dieses Hin- und Her zwischen schnellen, virtuosen und ruhigen, melancholischen Abschnitten im letzten Satz von Tschaikowskys Violinkonzert mündet schließlich in einen fulminanten Schluss.

Ich war mir nicht schlüssig, ob die sehr junge Solistin, aufgrund mangelnder Lebenserfahrung,  über  den mentalen Background verfügt, dieses Werk mit der nötigen Reife zu entwickeln. Dass sie über die technischen Fähigkeiten verfügt, ist unbestritten. Schon nach den ersten paar gespielten Takten durch die, als Tochter chinesischer Eltern, im Oktober 20066 in Newcastle (GB) geborene Leia Zhu, waren meine diesbezüglichen Bedenken Makulatur.

Der erste Satz überrascht dadurch, dass die Kadenz bereits der Durchführung folgt und nicht, wie vorher üblich, der Reprise. Eine weitere Besonderheit ist, dass die einleitende Orchestermelodie – wie in Tschaikowskis b-Moll-Klavierkonzert – im ganzen Werk nicht wiederkehrt. Nach dem anstrengenden, gut zwanzigminütigen ersten Satz mit seinen extrem hohen technischen Ansprüchen folgt der zweite Satz, die „Canzonetta“, was ‚kleines Liedchen'“ bedeutet. „Es ist ein langsamer Walzer in g-Moll, den die Solistin die ganze Zeit mit Dämpfer spielt. Es geht um ein trauriges schönes Bild, das von den beiden großen Ecksätzen umrahmt wird.

Melancholischer Zwischensatz

Der zweite Satz ist ganz vom melancholischen, gar sentimentalen Spiel der Violine geprägt. Dezent begleiten die Streicher den Solisten im zweiten Satz, die Holzbläser kommunizieren mit der Geigerin und es entwickelt sich ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Doch diese Ruhe, diese Eintracht hält nicht bis zum Ende an. „Der Satz zerfällt und zerfasert vollständig, die Geige hat fertiggespielt; das Orchester verlangsamt sich und auch harmonisch ist es so, als ob man sich irgendwo verläuft zum Ende der „Canzonetta“. „Und am Ende dieser dieses Verlaufens, wo man wirklich nicht mehr weiter weiß, kommt dann wie ein Gott aus der Maschine der letzte Satz angefahren, der keine Fragen mehr offen lässt.“.

Furios, mächtiges Finale

Daniel Dodds, Leitung & Violine

Das «attacca subito» des dritten Satzes unterbricht plötzlich die Schwermut des Vorgängersatzes und führt zu den zwei beschwingten Hauptthemen des Finalsatzes. Der letzte Satz fordert dann noch mal höchstes technisches Können und Virtuosität vom Solisten. Aber es gibt auch noch andere Momente, die wie eine Oase aus dem Satz hervorstechen. „Es ist halt ein Rondo“. Das sehr schnelle und eigentlich wirklich lustige Hauptthema wird dann von verschiedenen Couplets unterbrochen.“ Dieses Hin- und Her zwischen schnellen, virtuosen und ruhigen, melancholischen Abschnitten im letzten Satz  mündet schließlich in einen fulminanten Schluss.

Das Luzerner Renommier Ensemble, unter Daniel Dodds unauffälliger, trotzdem energischer Führung,  interpretierte Tschaikowsky mit Strenge, aber auch Süße und sogar Geziertheit sowie einer hinreißenden, abrupten Ruppigkeit, wie es sich anhörte, auch ganz im Sinne der Solistin, die mittels Augenkontakt, Kopfgesten und vollem Körpereinsatz mit ihren Mitmusikern korrespondierte.

Es folgte stürmischer Applaus, inklusive einiger Bravorufe und dennoch dauerte es eine längere Zeit, bis diese sich zu einer stehenden Ovation entwickelte.

Ergreifende, die Seele berührende  Zugabe

Cellist Alexander Kionke begleitete die Solistin bei ihrer Zugabe «Méditation» aus Thais von Jules Massenet mit sensiblem Pizzicato. Wir genossen eine äusserst gefühl- und hingebungsvolle Interpretation dieses «Violin Zugabeklassikers» dem der entsprechende Applaus folgte, der die Künstlerin noch zwei-dreimal zurück auf die Bühne rief, bevor man sich in die Pause begab und sich wunderte, denn Leia Zhu steht mitten im Foyer, noch in ihrem türkisen «Bühnenoutfit», plaudert mit Zuhörern und lässt sich feiern und geduldig ablichten.

2. Konzertteil mit dem so bekannten Beethovenschen Ta ta ta ta

Nach einer kurzen humorvollen Begrüssung durch den künstlerischen Leiter der «Strings»,  Daniel Dodds, begab man sich akustisch in die fünfte Dimension in Form der, auch  «Schicksalssinfonie» genannten, fünften von Beethoven.

Der Anfang ist weltbekannt. Das Eingangsmotiv kommt gerade einmal mit vier Tönen aus. Doch klopft da wirklich das Schicksal an die Tür? Ta ta-ta-taaaa  – Wohl kaum eine Tonfolge ist weltweit so berühmt wie der Anfang von Ludwig van Beethovens 5. Sinfonie. Hätte Beethoven in der heutigen Zeit gelebt, wäre er allein durch die Tantiemen reich geworden: für Handyklingeltöne, musikalische Bearbeitungen aller Stilrichtungen oder Abdrucke seiner Noten auf Taschen, Tassen und Regenschirmen. Ganz zu schweigen von den Verwertungseinnahmen für die Aufführungen seiner Werke.

Fast tauber Komponist

Die Festival Strings Lucerne im Konzertsaal des KKL Luzern

Erstaunlich, dass die Sinfonie in einer Zeit entstand, als Beethoven bereits schwerhörig war und unter Tinnitus litt. Es ist die erste Sinfonie, die er in Moll schrieb, es folgte, mit der neunten noch eine zweite, während er die andern alle in Dur komponierte.

Welche Bedeutung man der Sinfonie beimisst belegt diese Tatsache: Im Jahr 1977 wurden die „Voyager Golden Records” ins All geschossen. Das sind goldene Datenplatten, bespielt unter anderem mit Beethovens Fünfter. Vielleicht werden sie also eines Tages Außerirdischen Aufschluss über das Leben der Menschen auf der Erde geben.

Nicht nur der taube Beethoven kämpfte mit seinem Schicksal, auch die Hörer werden unmittelbar in das musikalische Geschehen mit hineingenommen. Sie werden durch die Musik förmlich dazu aufgefordert, die Auseinandersetzung mit dem Schicksal zu durchleben, um am Ende von der Finsternis zum Licht zu gelangen („per aspera ad astra“).

Das Orchester, unter diskreter, trotzdem magistraler Führung ihren Chefs Daniel Dodds spielte einmal mehr auf höchstem Niveau, agierte resolut, wo gefordert, sanft wo geboten, drückte dem Werk den eigenen Stempel auf, ohne die Werktreue zu verlieren.

Der zweite Satz stellt in jeder Hinsicht einen scharfen Kontrast zum ersten Satz dar: dort ein extrem kurzes, rhythmisch prägnantes Motiv, hier ein weit ausholendes, geschwungenes punktiertes sangliches Thema und hat das Thema und drei freie Variationen.

Für den sieghaften Schlusssatz lässt Beethoven Piccoloflöte, Kontrafagott und drei Posaunen ‚aufmarschieren‘.
Es sind also speziell zur Militärmusik zählende Instrumente, deren Klang den sieghaften Gestus grundiert. Kaum bedarf es da noch der Erwähnung, dass sich das c-Moll des Kopfsatzes zu C-Dur aufhellt – mit aller damit verbundenen Metaphorik.“

Nach eleganten Fagotttsequenzen und Pizzicato am Ende des dritten Satzes entsteht aus feinstem Pianissimo der vierte Satz in forschem avanti, in optimaler Abstimmung und Harmonie Und die Tempoverschärfung gegen Schluss ist auch ohne ersichtliches Dirigat perfekt aufeinander abgestimmt.

Das Auditorium im praktisch voll besetzten Konzertsaal würdigte diese aussergewöhnliche Darbietung mit langanhaltendem, stürmischem Applaus

Text: www.leonardwuest.ch Fotos:  festivalstringslucerne.org/de/home

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