
Nationalbank in Zürich: Bewahrt den Franken mit nadelstichartigen Interventionen vor dem Abheben. Bild: Steffen Schmidt/Keystone
Weder das Nein in Griechenland noch der überraschende Rücktritt des griechischen Finanzministers hat grössere Ausschläge des Frankenkurses bewirkt – dank der neuen Guerillataktik der Schweizerischen Nationalbank.
Nach dem schallenden Nein der Griechen vom Sonntag ist der Euro gegenüber dem Franken auf 1.036 gesunken. Dann war Schluss. Nach diesem Tiefpunkt um 2 Uhr Schweizer Zeit in der Nacht auf heute Montag ging es wieder aufwärts. Ähnlich das Bild in der Woche zuvor, nachdem die Nachricht die Runde gemacht hatte, dass Griechenland Kapitalverkehrskontrollen einführe: Der Euro schwächte sich auf 1.032 ab, dann gewann er gegen den Franken wieder an Stärke.
Beide Male wäre angesichts der Ereignisse ein viel höherer Ausschlag zu erwarten gewesen. Wie das verhindert wurde, erklärte Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), am Montag vergangener Woche: Die SNB sei «zur Marktstabilisierung am Markt aufgetreten». Der Grund liegt auf der Hand: Wie immer, wenn die Unsicherheit steigt, nimmt die Nachfrage nach Franken zu. Die Währung repräsentiert Stabilität, sie gilt als sicherer Hafen.
Franken nur in «homöopathischen Dosen» eingesetzt
Wie viele Milliarden Franken musste die SNB auf den Markt werfen, um sich gegen den Aufwertungsdruck zu stemmen? Ein Indiz sind die jeweils am Montag veröffentlichten «geldpolitisch wichtigen Daten», die insbesondere die Sichtguthaben der Geschäftsbanken bei der SNB ausweisen. Die Veränderung dieser Zahl ist ein Indiz dafür, wie stark die SNB in der Vorwoche am Devisenmarkt eingegriffen hat. Neu betragen die Sichtguthaben 457,9 Milliarden Franken, was gegenüber der Vorwoche eine Zunahme von nur gerade 1,3 Milliarden Franken bedeutet. Das ist so wenig, dass UBS-Chefökonom Daniel Kalt von «homöopathischen Dosen» spricht.
Hat Jordan also bloss geblufft, als er von einer Intervention sprach? Ursina Kubli, Devisenspezialistin bei der Bank J. Safra Sarasin, will nicht direkt von einem Bluff sprechen. Sie nennt zwei Erklärungen für die praktisch unveränderten Sichtguthaben. Erstens eine Intervention mit Optionen, die sich erst bei den Quartalszahlen zeige. Und zweitens habe offenbar die unerwartete Äusserung Jordans ihre Wirkung gezeigt.
Enge Bandbreite
«Eine verbale Intervention ist immer die günstigste Intervention», sagt ZKB-Devisenexperte Jürg Nessier. Seit der Aufhebung der Eurountergrenze am 15. Januar könne der Markt die SNB kaum einschätzen: «Die SNB sagt praktisch nichts und agiert, wenn sie es für nötig erachtet.» Seit Mitte März bewege sich der Kurs in einer auffällig engen Bandbreite zwischen 1.03 und 1.055. Kurse unter 1.035 hätten jeweils nicht lange Bestand, schnelle Kursbewegungen brächten den Euro-Franken-Kurs jeweils rasch wieder mehr oder weniger auf den Ausgangspunkt zurück.
Guerillataktik mit nadelstichartigen Interventionen
Die Schweizer Währungshüter haben also, ohne dass sie explizit eine Untergrenze nennen, eine gewisse Grössenordnung im Kopf. Und die wird flexibel gehandhabt. Daniel Kalt beschreibt es so: «Die SNB behält sich vor, mit einer Art Guerillataktik auf verschiedenen Niveaus immer wieder nadelstichartig einzugreifen.»
Dabei schielt sie wohl nicht nur auf den Euro, sondern behält auch die anderen, für die Schweiz wichtigen Währungen im Auge, namentlich den Dollar. Das könne durchaus sein, sagt Kalt. Schliesslich gehen ja rund 30 Prozent der Exporte der Schweizer Wirtschaft in den Dollarraum. Allenfalls ist auch der Yen ein Referenzpunkt. Mit der Taktik der impliziten Untergrenze, die sich vorbehält, jederzeit zu intervenieren, sind die Nadelstiche schlecht vorhersehbar: Ihre Wirkung steigt, die eingesetzten Frankenbeträge halten sich in Grenzen.
Die Zeitung «Schweiz am Sonntag» hatte am Wochenende mit Bezug auf eine nicht öffentliche Studie der Credit Suisse berichtet, die SNB habe intern eine Schmerzgrenze definiert, unter der sie keine Kurse akzeptiere. Dabei handle es sich um einen Währungskorb. Die Schmerzgrenze setze sich neben dem Euro-Franken-Kurs auch aus Elementen des Währungspaares Dollar – Franken zusammen.
Quelle: Xing (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)