Gastronom Herbert Huber über den Trend «Dry Aged Beef»

Spread the love

Dry Aged Beef schön präsentiert

Das am Knochen gereifte Rindfleisch, ist mittlerweile auch bei Groß Verteilern erhältlich. Ich sage, was man zu dieser Neuheit wissen muss. Vor wenigen Jahren war von knochengereiftem Fleisch fast nur in gehobenen Gourmetkreisen zu hören. Heute stehen transparente Kühlschränke, in denen stattliche Rindfleischstücke am Knochen heranreifen, sowohl beim Grosz Verteiler wie auch in kleineren Metzgereien.

So mancher fragt sich wohl, was es mit diesem neuen Trend auf sich hat. Die Älteren unter uns, zu welchen ich auch gehöre, wissen aber womöglich, dass dieses heute sogenannte Dry Aged Beef zwar schon ein Trend ist – aber alles andere als neu, vielmehr eine Renaissance.

Die Nobelherberge und der Meisterkoch

Dry Aged Beef

Ich erinnere mich an meine erste Stelle nach der Kochlehre – im Prominentenhotel Gstaad Palace. Als junger Koch kam ich unter die Fittiche des damals wohl berühmtesten Küchenchefs der Schweiz, Otto Schlegel aus Altstätten SG. Nur dank Beziehungen meiner Mutter – auch sie Altstätterin – wurde ich Teil der 35köpfigen Küchenbrigade des «Meisters» in Gstaad. Das war in den 60iger Jahren.

Riesige Fleischmengen wurden ins «Palace» geliefert, ganze Rindsnierstücke mit einer dicken weissen Fettdecke belegt, vor Beginn der Saison bis zu 5 Wochen am Knochen gereift. In einem riesigen Fleischlagerraum. Gar eigentümlich roch es da. Eine Geruchskombination von „Moschus, frisch gebackenem Hefezopf oder verschwitzten Wollsocken“- meine Nase nahm sogar den Geruch von Pferdesattel wahr.

Der Hotelmetzger musste die äussere Schicht des Fleisches wegschneiden, weil dieses durch die Luft hart und schimmlig, sogar ungenießbar geworden war. Der Metzger parierte alles Unansehnliche weg, bis das herrlich rote Fleisch sichtbar wurde. Der Gewichtsverlust betrug gegen 30 Prozent, was zu einem höheren Preis führte. Für die Clientèle in Gstaad war das aber kein Problem…Ob das heute auch in die Kategorie „Food Waste“ gehört wäre, zu diskutieren.

Trockenreifung oder Vakuum verpackt

Dry Aged Beef sieht manchmal nicht grad appetitlich aus

Dass die Trockenreifung des Fleisches am Knochen etwas in Vergessenheit geraten war, hat mit der Vakuumverpackung zu tun. Auch in einer solchen kann Fleisch heranreifen ohne nennenswerten Gewichtsverlust, einfacher und kostengünstiger. Wissen muss man, dass die Reifung am Knochen das Fleisch besonders zart und mürbe macht und auch in mit einem speziellen Geschmack. Während die einen auf das spezielle nussige und intensive Aroma schwören, tun sich andere eher schwer damit. Womöglich ist auch das nur reine Gewohnheitssache, ebenso wie die Tatsache, dass das gelagerte Fleisch in den Kühlkästen gar nicht so appetitlich aussieht und einiges teurer ist.

Das Fleisch dann zu Hause.

Dry Aged Beef schön präsentiert

Vor dem Braten sollten die vom Metzger fixfertig zurechtgeschnittenen Stücke wie etwa ein Entrecôte oder Filet vom Rind, ein bis zwei Stunden bei Zimmertemperatur ruhen, zugedeckt mit Haushaltspapier. Mindestens zwei Finger hoch sollten die Fleischstücke schon sein, denn ein dünner Fleischlappen ist schnell einmal durchgebraten. Gebraten werden die Stücke klassisch in einer Eisen -oder Edelstahlpfanne. Ich würze immer vorher mit Salz und Pfeffer. Fürs Anbraten nehme ich das gut erhitzbare Schweizer Rapsöl, rauchheiss muss es sein.

Beidseitig je eine gute Minute scharf anbraten. Nach dem Anbraten lasse ich das Fleisch noch zirka 5 bis 10 Minuten bei 80° Grad im Ofen nachgaren. Abstehen lassen, sagt der Fachmann.

Um auf Nummer sicher zu gehen, hilft ein Kerntemperaturmesser. Bei größeren Stücken erst recht. Bleu 47 -49°, Saignant 55 – 57°, à point 59 -61°, bien cuit 71 – 73°. Mit der Zeit reicht auch das Gefühl fürs Braten. Wer dieses Gefühl nicht hat, dem fällt deswegen noch kein Stein aus der Krone. Wenn es ums Fleischbraten geht, gibt es einen alten Kochspruch: «On est né rôtisseur – mais on devient saucier.» Übersetzt: Fürs Fleischbraten muss man geboren sein, Saucier kann man werden …

Welche Sauce man zum Fleisch reicht, ist Geschmackssache.

Dry Aged Beef gegrillt und geschnitten

Mit einer klassischen Béarnaise oder einer hausgemachten Kräuterbutter geht man kaum fehl. Als Beilage passen Ofenkartoffeln mit Sauerrahm, selbstgemachte Kartoffelschnitze mit Rosmarin oder Maiskroketten. Weinempfehlung? Ein kräftiger Roter. Bordeaux oder Italiener. Spanier oder Portugiese. Oder gar einen aus Bulgarien.

Knochenreifung für den Heimgebrauch Wer ganz auf das am Knochen gereifte Fleisch steht, kann zu Hause aufrüsten: Es gibt auch für den Privatgebrauch «Dry Ager» oder Reifekühlschränke, inklusive Anleitung und Zubehör, ab 2500 Franken. www.dryagerschweiz.ch

Laut dem Magazin «Beef» ist dies «das beste Männergeschenk der Welt. Ich glaube aber trotz des gegenwärtigen Booms nicht, dass am Knochen gereiftes Fleisch in schöner Regelmäßigkeit in Schweizer Pfannen landen wird. Auch bei mir nicht. Aber zwischenhinein als ganz spezieller Fleischgenuss mit einem Hauch von Luxus – das kann ich mir sehr gut vorstellen.

Text   www.herberthuber.ch

Fotos www.pixelio.de

Homepages der andern Kolumnisten:    www.gabrielabucher.ch    www.leonardwuest.ch www.maxthuerig.ch www.marinellapolli.ch

Dry Aged Beef US prime Beef auslieferbereit

Dry Aged Beef in gutem Reifegrad

Dry Aged Beef gegrillt und geschnitten