Mit Freude erinnere ich mich an die 1970er-Jahre, als meine Gertrude und ich im legendären „Weissen Rössli“ in Zäziwil einkehrten. Der stattliche Landgasthof im Nachbardorf von Konolfingen war über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Weil hier während des Zweiten Weltkrieges die Armeespitze mit General Guisan tagte. Und als wieder Frieden herrschte – diverse Bundesräte in der Generalstube ein Stelldichein gaben. Und weil Liebhaber von deftiger Bernerplatte und deftigem Sonntagsbraten am liebsten ins «Rössli» pilgerten, wohl auch wegen der gastfreundlichen Wirtin. Nach jedem Gang erkundigte sie sich in breitem Berner Dialekt: «Esch es ou rächt gsii, heit Ehr ou gnueg gha?» Insider verzichteten wohlweislich auf ein Supplement. Denn zum Finale des Schlemmermahls gehörte eine Merängge. Im XXL-Format. Dekoriert mit viel, sehr sehr viel Nidle.
Wo gibt es die besten Meränggen?
Das «Rössli» trabt seit Jahren nicht mehr. Doch sein ehemaliger «Hoflieferant», die Bäckerei Stein der Familie Riedwyl in Schangnau im hintersten Emmental mit ihren Meringues gibt’s Gott sei Dank noch. Auch die Wirtschaft Kemmeriboden-Bad. Garniert werden die Merängge dort mit Nidle der Bärgchäsi Marbach. Luftig wie ein süsser Kuss. Was ist denn das Besondere an diesen Meringues? Sie sind im Gegensatz zu den Herkömmlichen nicht schneeweiss sondern leicht bräunlich. Auf der Zunge dann zartschmelzend mit einem leicht karamelisierten Goût. Kein Wunder, nennt man dieses Gebäck aus Eischnee und Zucker in Frankreich baiser (Kuss) und in Deutschland und Österreich Baiser. Vergleichbar mit den Schangnauer – Meringues sind sie aber nur sehr bedingt.
Wer hat die Meringues erfunden?
Wer sie erfunden hat, ist ungewiss. Ob Meringues eine Schweizer Erfindung sind, ist fraglich. Bei uns verbreitet, aber nicht bewiesen ist diese Theorie: Ein italienischer Zuckerbäcker namens Gasparini soll die Meringue um 1600 in Meiringen erfunden haben. In Anlehnung an den Ursprungsort der Kreation aus Zucker und Eischnee habe Gasparini diese «französisierend » Meringue genannt.
Gasparini taucht aber auch in einer Geschichte von 1720 auf. Dort ist er nun ein «Schweizer Patissier», der in einem ostdeutschen Ort namens Mehrinyghen die Meringue kreiert haben soll. Mir ist es ehrlich gesagt egal, wo und wann genau die Meringue erfunden wurde. Hauptsache, sie schmeckt gut.
Kann man Meringues auch selber zubereiten?
Sicher, mit Googeln finden sich viele Rezepte. An Kemmeriboden-Qualität kommt man kaum heran, aber mit etwas Übung gelingen eigene Meringues, die im Ofen übrigens mehr getrocknet als gebacken werden. Unerlässlich für die Krönung ist handgeschlagener Rahm, keinesfalls solcher aus der Dose.
Meine Gertrude behauptet zu Recht, dass erst die frische Luft den Rahm so luftig macht. Mit einer Kugel sämiger Vanilleglace wird alles noch besser. Und wer abwechseln will, kann auch mal mit Schoggirahm oder pinkfarbenem Himbeerrahm auftrumpfen.
Kleine Fotodiashow zur Kolumne:
fotodiashows.wordpress.com/2021/08/19/herbert-huber-empfindet-meringues-wie-susse-kusse/
Text www.herberthuber.ch
Fotos: www.pixelio.de
Homepages der andern Kolumnisten: www.noemiefelber.ch