Der Lockdown hat das Konsum- und Freizeitverhalten der Schweizer Bevölkerung stark beeinflusst. Nach den Lockerungen stellt sich die Frage: Geht es jetzt zurück zur alten Normalität? Bisher nicht, so das Ergebnis einer Erhebung der Hochschule Luzern. Das Forschungsteam untersucht, wie nachhaltig die Verhaltensänderungen durch Corona sind.Eine erste Befragung bei über 1000 Personen in der gesamten Schweiz zwischen dem 9. und 16. April 2020 – also während des Lockdowns – hat gezeigt: Die Massnahmen des Bundesrats zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben das Konsum- und Freizeitverhaltens der Schweizer Bevölkerung in allen Bereichen des Alltags stark beeinflusst.Im Zeitraum vom 19. bis 26. Juni 2020 hat das HSLU-Forschungsteam nochmals 1000 Personen befragt. Dabei haben die Studienautorinnen und Studienautoren analysiert, ob und inwieweit sich das Verhalten der Bevölkerung im Zuge der Lockerungen verändert hat. «Nach dem Ende des Lockdowns wurde vielfach eine Rückkehr zur alten Normalität erwartet», sagt Marcel Zbinden, Wirtschaftspsychologe an der Hochschule Luzern und Co-Autor der Studie: «Unsere Erhebung zeigt, dass die Realität anders aussieht». Auch nach dem Lockdown lassen sich in vielen Lebensbereichen oft grosse Verschiebungen im Vergleich zur Zeit vor dem Ausbruch von COVID-19 ausmachen.
Nach Lockerungen: Noch mehr Schweizer Produkte
Beim Einkaufsverhalten ist auch nach den Lockerungen ein klarer Trend zum verstärkten Kauf von regionalen und Schweizer Produkten zu beobachten. 95 Prozent aller befragten Personen haben angegeben, seit dem Ende des Lockdowns häufig oder ab und zu auf die Schweizer Herkunft von Gütern des täglichen Bedarfs zu achten.
Das sind wesentlich mehr als noch vor der Corona-Zeit – und auch mehr als während des Lockdowns: im April waren es 86 Prozent.
Wie häufig achten Sie beim Kauf von Gütern des täglichen Bedarfs auf folgende Kriterien?Wieder mehr Ferienpläne, aber vor allem in der Schweiz
Ein Vergleich der Zahlen während des Lockdowns mit der aktuellen Situation zeigt: Wieder mehr Menschen planen eine Reise. Während des Lockdwons haben noch 54 Prozent aller befragten Personen angegeben, keine Ferien zu planen oder ihre Reise bereits storniert zu haben. Mittlerweile sind es nur noch 31 Prozent, die nicht verreisen wollen.
Von der wieder ansteigenden Reiselust der Bevölkerung profitieren in erster Linie Schweizer Destinationen. 59 Prozent der Befragten planen, in den nächsten zwölf Monaten innerhalb der Schweiz zu verreisen. 42 Prozent haben vor, ihren Aufenthalt im europäischen Ausland zu machen. Bei der Planung von Fernreisen ist die Bevölkerung der Schweiz weiterhin vorsichtig. Nur gerade 10 Prozent der Befragten planen in den nächsten zwölf Monaten eine Fernreise.
SwissCovid-App: Akzeptanz hat sich erhöht
Wie schon bei der ersten Befragung im April ist die Schweizer Bevölkerung zum Zeitpunkt der zweiten Erhebung Ende Juni bezüglich der Nutzung einer App zum Proximity Tracing eher gespalten. Die Akzeptanz der App ist während der letzten Wochen aber deutlich gewachsen.
«Bei der Anzahl der Downloads gäbe es noch viel Potenzial.»
Bei gut einem Drittel der Bevölkerung geht das Forschungsteam aufgrund der Umfragewerte davon aus, dass sie uneingeschränkt dazu bereit wären, eine solche App zu nutzen. Ein weiteres Drittel der Bevölkerung ist einer Nutzung gegenüber eher positiv eingestellt. «Wir haben diese Nutzungsabsicht in Relation mit der aktuellen Downloadzahl gesetzt und stellen fest: Hier gäbe es noch viel Potenzial», so Dominik Georgi, Forscher und Dozent an der Hochschule Luzern und Co-Autor der Studie. Laut den Studienautorinnen und Studienautoren gibt es hier einen grossen Attitude-Behavior-Gap, also eine hohe Diskrepanz zwischen beabsichtigtem und tatsächlichem Verhalten.
Krisen können die Umstellung auf nachhaltige Verhaltensweisen beschleunigen
Ein solcher Attitude-Behavior-Gap lässt sich auch bei vielen nachhaltigen Verhaltensweisen beobachten. «Auch in Krisenzeiten sehen wir häufig, dass Konsumentinnen und Konsumenten Schwierigkeiten bei der Umsetzung nachhaltiger Aktivitäten haben, auch wenn sie der Veränderung gegenüber positiv eingestellt wären», so Georgi. Als Beispiele führt er das Vermeiden von Müll oder den Verzicht auf Fleisch auf. So haben 32 Prozent der befragten Personen angegeben, Schwierigkeiten damit zu haben, im Alltag weniger Müll zu produzieren. Weniger oder kein Fleisch zu essen fällt 30 Prozent schwer. «Wir untersuchen jetzt, wie einschneidende Ereignisse wie der Corona-Lockdown dazu beitragen können, Konsumentinnen und Konsumenten zu einer langfristigen Verhaltensänderung zu bewegen», sagt Georgi. Um diese Entwicklungen untersuchen und sichtbar machen zu können, sind bis 2022 vier weitere Erhebungswellen geplant.
Studie zur Veränderung des Konsumverhaltens durch Corona
Die Studie des Instituts für Kommunikation und Marketing IKM der Hochschule Luzern soll aufzeigen, wie sich das Konsum- und Freizeitverhalten der Schweizer Bevölkerung durch die Coronakrise langfristig verändert. Dazu befragt das Forschungsteam um Dominik Georgi, Marcel Zbinden, Michael Boenigk, Larissa Dahinden und Susanne Bründler in mehreren Befragungswellen zwischen April 2020 und April 2022 jeweils 1’000 Personen nach ihrem Verhalten in verschiedenen Lebensbereichen.
Autor: Saverio Genzoli
Illustration: Corina Vögele
Veröffentlicht: 3. Juli 2020