Einsamkeit ist für ältere Menschen ein grosses Thema. Das hat der Corona-Lockdown besonders deutlich gezeigt. Als Teil eines EU-Forschungsprojekts hat das iHomeLab der Hochschule Luzern «Anne» entwickelt, ein Tablet mit Sprachfunktion, das von Einsamkeit betroffenen Menschen helfen soll, mit Freunden, Angehörigen und Betreuungspersonen in Kontakt zu bleiben. Gemeinsam mit der Stadt Luzern und dem Netzwerk Vicino wird das Tablet jetzt in Luzern als Pilotprojekt Betrieb genommen. Einsamkeit kann sehr schnell durch die Veränderung von Lebensumständen entstehen, sei es durch Todesfälle, schwere Erkrankungen oder Trennungen. Die aktuelle Covid-19-Pandemie und der damit verbundene Lockdown haben dies deutlicher als sonst sichtbar gemacht. Da Einsamkeit gravierende gesundheitliche Einschränkungen und Depressionen mit sich bringen kann, ist es wichtig, rechtzeitig gegenzusteuern. Die Mitarbeitenden der Anlaufstelle Alter der Stadt Luzern und des Netzwerks Vicino bieten hier ihre Hilfe an. Aufgrund der aktuellen Situation haben sie gemeinsam mit dem iHomeLab der Hochschule Luzern ein Projekt vorangetrieben, das die Mitarbeitenden der beiden Fachstellen dabei unterstützen soll: «Anne» ist ein eigens für ältere Menschen programmiertes Tablet mit Sprachfunktion. Es vereinfacht den Kontakt zu Freunden, Angehörigen und Betreuenden und hilft dabei, den Alltag zu strukturieren. In Luzern kommt es als Pilotprojekt in der Schweiz zum ersten Mal zur Anwendung.
Ein sprechendes Tablet
Das Tablet ist sehr einfach und intuitiv zu bedienen. «‹Anne› bietet gezielt und ausschliesslich die Funktionen, die einsame Menschen in ihrem Alltag unterstützen. So können auch Personen ohne Computervorkenntnisse leicht lernen damit umzugehen», sagt Clemens Nieke, Projektleiter des iHomeLab der Hochschule Luzern. «Anne» hat ein Gesicht und eine Stimme. «Wir haben gemerkt, dass das Gesicht einen leichteren Zugang ermöglicht als ein rein stimmbasiertes System», sagt Nieke. Alle Daten sind aus Sicherheitsgründen rein lokal gespeichert. Auch die Spracherkennung läuft vollständig lokal auf dem Tablet und kommt so ganz ohne Zugriff auf die Cloud-Dienste der grossen IT-Konzerne aus.
Hilfe beim Strukturieren des Tages
«Anne» führt keine eigentlichen Gespräche wie «Alexa» oder «Siri». Sie spricht nur über Naheliegendes: Steht ein Termin oder die Medikamenteneinnahme bevor, schaltet sie sich ein und erinnert daran. Da einsame Menschen oft Probleme haben ihren Alltag zu strukturieren und dadurch Termine vergessen, kann diese Funktion eine grosse Hilfe sein. Das Wichtigste ist jedoch: Telefonnummern können mit Foto programmiert und mit einem Fingertipp oder per Sprachbefehl angerufen werden – der einfachen Bedienbarkeit widmeten die Entwicklerinnen und Entwickler viel Aufmerksamkeit. «Das Projekt ‹Anne› passt gut in die städtische Strategie, sich zur Smart City zu entwickeln. Im ersten Moment denkt man bei der digitalen Transformation an jüngere Generationen – da finde ich es besonders toll, dass wir auch für und mit älteren Menschen Pionierarbeit leisten können», begründet Paolo Hendry, Leiter der Abteilung Alter und Gesundheit das Engagement der Stadt Luzern.
Keine Alleinlösung
«Ein computergestütztes Assistenzsystem wie ‹Anne› ist kein Wundermittel gegen Einsamkeit, aber es kann die älteren Menschen beim Austausch mit ihrem Umfeld unterstützen», sagt Wilma Wessel vom Standort Vicino Neustadt. Als sich abzeichnete, dass die Distanzregelungen des Lockdown noch länger bestehen bleiben würden, hat der holländische Projektpartner virtask kurzfristig eine vereinfachte Form von «Anne» auf den Markt gebracht. 30 Stück werden nun in der Stadt Luzern für ein halbes Jahr gratis zur Verfügung gestellt. Das Team der Hochschule Luzern bereitet die Geräte vor. Mitarbeitende des Netzwerks Vicino sowie der Anlaufstelle Alter der Stadt Luzern nehmen auf Anfrage hin Kontakt mit einsamen Personen auf, klären ab und bieten Beratung an. Wo sinnvoll programmieren sie «Anne» entsprechend. Die Mitarbeitenden von Vicino und der Anlaufstelle Alter der Stadt Luzern erhalten so die Möglichkeit, mit den Menschen in Kontakt zu kommen und zu bleiben und sie dabei zu unterstützen, ihr Netzwerk Schritt für Schritt wieder auszuweiten.
Einsamkeit hat gesundheitliche Folgen
Einsamkeit betrifft Frauen und Männer im gleichen Mass, wobei Männer schmerzhafter darunter leiden. In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass ein weitreichendes und aktives soziales Netzwerk am besten zur Vermeidung von Einsamkeit geeignet ist. Sollen ältere Menschen zu Hause bleiben, wie etwa in der heutigen Pandemiesituation, kann sich dies jedoch negativ auf ihr soziales Netzwerk auswirken. Der Abbau von Kontakten kann zudem einhergehen mit einer Abnahme der Mobilität. Zuletzt geht auch noch die Kommunikationsfähigkeit verloren. Eine Abwärtsspirale kommt in Gang. Die Unterstützung durch «Anne» kann helfen, all dies zu vermeiden, gefährdeten Personen den Erhalt des sozialen Netzwerkes ermöglichen und so eine hohe Lebensqualität im Alter sichern.
Möchten Sie selber mit Hilfe von «Anne» die Einsamkeit durchbrechen? Oder gibt es jemanden in Ihrem Umfeld, dem «Anne» helfen könnte? Dann nehmen Sie Kontakt auf mit der Anlaufstelle Alter, Telefon +41 41 208 77 77 oder per E-Mail unter anlaufstelle.alter@stadtluzern.ch.
Active Assisted Living
Am iHomeLab der Hochschule Luzern erforscht und testet das Active-Assisted-Living (AAL)-Team neue Technologien, die die Lebensqualität älterer Menschen verbessern und Autonomie in ihren eigenen vier Wänden ermöglichen. «Was ist hier möglich?» Aber auch: «Wo liegen die Grenzen solcher Systeme?» sind die grundlegenden Fragen.
Gemeinsam mit Partnern aus ganz Europa entwickelt das iHomeLab der Hochschule Luzern im Rahmen des EU-Forschungsprogrammes AAL einfach bedienbare und zuverlässige Assistenzsysteme, die sich den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer anpassen und ihre Privatsphäre gewährleisten – deshalb sind zum Beispiel bei «Anne» sämtliche Daten ausschliesslich lokal gespeichert. Die Assistenzsysteme erhöhen die Lebensqualität von älteren Menschen und reduzieren gleichzeitig den Stress für betreuende Angehörige und Pflegedienstleister. Zudem zahlt sich AAL ökonomisch aus: Wer länger zuhause wohnt, verursacht weniger Kosten und hat weniger Ausgaben.
Die Expertinnen und Experten der Hochschule Luzern sind an der Softwareentwicklung beteiligt: Sie sorgen dafür, dass Schnittstellen zu Programmen von Drittanbietern reibungslos funktionieren, führen die Assesments mit Betroffenen durch und entwickeln die Geräte aufgrund von Beobachtungen und Rückmeldungen weiter.[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]