In der Schweiz gibt es etwa 2,3 Millionen Gebäude. Sie verursachen nahezu die Hälfte unseres Energieverbrauchs. Besonders ins Gewicht fallen nicht sanierte Bauten, die über 40 Jahre alt sind. Wo aber fängt man mit Sanieren an? Diese Frage stellt sich Besitzerinnen von grossen Gebäudeparks wie Gemeinden, Pensionskassen, Immobilienfirmen oder Genossenschaften. Um sie zu beantworten haben Axel Seerig und sein Team vom Institut für Gebäudetechnik und Energie an der Hochschule Luzern die Methode des «energetischen Fingerabdrucks» von Gebäuden entwickelt. So persönlich wie der Fingerabdruck eines Menschen ist, so individuell ist auch das Energieverhalten eines Gebäudes. Die Herausforderung besteht darin, einzuschätzen, ob dieses Verhalten der Norm entspricht oder ob es auffällige Abweichungen gibt. Axel Seerig und sein Team kristallisierten dafür zunächst für gegen 20 Gebäudetypen wie Bürogebäude, Wohnhäuser oder Gewerbebauten die wesentlichen Parameter heraus, mit deren Hilfe der «Normalverbrauch» berechnet werden kann. Zu diesen Parametern gehören zum Beispiel die Art der Nutzung, das Baujahr, die Qualität der Gebäudehülle oder die verwendete Gebäudetechnik. Auf dieser Basis wurden Algorithmen entwickelt, mit deren Hilfe sich ein Soll-Wert für das Energieverhalten vorhersagen lässt – für ein zehnjähriges Bürogebäude so gut wie für ein 50jähriges Schulhaus.
Messen und simulieren
Um nun herauszufinden, ob ein Gebäude von der Norm abweicht, wird einerseits der reale Energieverbrauch gemessen, parallel dazu läuft andererseits auf dem Computer die Simulation des Gebäudes mit den gleichen Parametern. Zu diesem Zweck wird das Gebäude dreidimensional modelliert. Dafür werden die Eigenschaften der verwendeten Materialien, Informationen zu den technischen Anlagen, die Profile von Nutzergruppen und die Wetterdaten eingegeben. Die Computersimulation zeigt nun das typische Verhalten auf. «Gibt es bei einem konkreten Gebäude grosse Abweichungen, ist das ein ziemlich guter Hinweis darauf, dass etwas nicht stimmt, dass also zum Beispiel eine Wärmepumpe nicht richtig funktioniert. So kann man erkennen, welches die schwarzen Schafe im Gebäudepark sind», erklärt Axel Seerig. Um allerdings die genaue Ursache herauszufinden, braucht es meist eine Kontrolle vor Ort.
Das Verfahren massentauglich machen
Axel Seerig und sein Team haben ihr Tool bis jetzt vor allem an Büro-, und Wohngebäuden, an öffentlichen Verwaltungsgebäuden und an Schulen erprobt. Ziel ist es nun, ein massentaugliches Verfahren zu entwickeln. Immobilienfirmen, Pensionskassen oder Gemeinden mit grossem Häuserportfolio sollen es in diejenigen Systeme integrieren können, die sie bereits für ihr Liegenschaftsmanagement verwenden. Auf diese Weise können sie ihren gesamten Gebäudepark mit verhältnismässigem Aufwand auf den Energieverbrauch hin durchleuchten und die Situation dort überprüfen, wo es Auffälligkeiten gibt. Die nächsten Schritte sind zusätzliche Tests unter verschiedenen Voraussetzungen und der Einbezug von weiteren Gebäudetypen.
Grundlagenforschung für die Energiestrategie 2050
2013 hat der Bund sieben Kompetenzzentren ins Leben gerufen, um die Grundlagen zu erforschen, die für die Umsetzung der Energiestrategie 2050 notwendig sind, die Swiss Competence Center for Energy Research (SCCER). Die Forschung zum energetischen Fingerabdruck von Gebäuden erfolgt im Rahmen des Swiss Competence Center for Energy Research on Future Energy Efficient Buildings & Districts (SCCER FEEB&D). Daran sind neben der Hochschule Luzern auch die Empa, die ETH Zürich sowie weitere Hochschulen und Fachhochschulen beteiligt. Das Programm befindet sich jetzt in der zweiten Phase. Beim energetischen Fingerabdruck geht es nun darum, die Grundidee zu konkretisieren und praxisreif zu machen. www.hslu.ch[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]